Jerusalemer Ordensfrauen beten für den Frieden

"Es ist sicher nicht umsonst"

Es ist das erste Mal, dass sie an einem Kriegsort lebt, erzählt Schwester Gabriela Zinkl. Der Alltag der Borromäerinnen in Jerusalem hat sich radikal geändert. Die Schwestern beteiligen sich am Gebetstag für das Heilige Land.

Ordensfrauen im Gebet (Symbolbild) / © Alexandros Michailidis (shutterstock)
Ordensfrauen im Gebet (Symbolbild) / © Alexandros Michailidis ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die wichtigste Frage vorab: Wie geht es Ihnen im Moment? Wie ist die Lage bei Ihnen im Deutschen Hospiz?

Schwester Gabriela Zinkl in Jerusalem (privat)
Schwester Gabriela Zinkl in Jerusalem / ( privat )

Sr. M. Gabriela Zinkl SMCB (Borromäerin im Deutschen Hospiz in Jerusalem): Bei uns in Jerusalem, in der German Colony, im Deutschen Hospiz St. Charles ist es ruhig und friedlich. Wir hören seit einigen Tagen nur noch ab und zu Kampfflugzeuge, die vermutlich im Anflug auf den Gazastreifen sind. Gaza ist ungefähr 70 bis 80 Kilometer Luftlinie von uns entfernt. Von daher kriegen wir jetzt keine direkten Kampfhandlungen mit. Wir haben aber in den ersten Tagen Raketenalarme gehabt. Es ging was nieder in den Vororten von Jerusalem und wir haben immer wieder die Detonationen vom Raketenabwehrsystem mitbekommen, wo dann für einen Moment kurz die Luft zitterte, die Gebäude, die Fenster für eine halbe Sekunde ein bisschen vibriert haben. Und jetzt sind Tag und Nacht immer wieder, auch wenn wir beim Gebet in der Kapelle sind, die Flugzeuge im Tiefflug zu hören.

DOMRADIO.DE: Müssen Sie dann, wenn es Alarm gibt, das Gebet unterbrechen?

Zinkl: Jetzt war schon mehrere Tage, Gott sei Dank, hier in der Stadt kaum noch Alarm. Ansonsten ist angeraten, dass man in den Luftschutzkeller geht. Für uns heißt das: Wir haben ein Gästehaus, und unser Kindergarten, der steht zwar gerade leer, aber dass wir, wenn Menschen da sind, die in die Luftschutzkeller bringen.

DOMRADIO.DE: Sie haben es gesagt, wenn Menschen da sind, Sie sind ja eigentlich im Gästehaus. Aber Gäste gibt es ja jetzt wahrscheinlich nicht mehr. Also wie hat sich das verändert in den letzten Tagen?

Zinkl: Also wir waren eigentlich ziemlich ausgebucht, jetzt im Oktober und November. Aber innerhalb einer Woche hat sich das schlagartig geändert. Und die letzten Gruppen, die noch bei uns waren, sind dann abgereist, konnten über Jordanien ausreisen und gestern sind die letzten privaten Gäste in Ruhe aus dem Land ausgereist. Das ging eigentlich ohne Panik.

Sr. M. Gabriela Zinkl

"Uns als Schwestern ist ohne Gäste unsere Einnahmequelle weggebrochen."

Aber es können keine neuen Gäste kommen vorerst. Uns viele anrufen und unterstützen möchten. Uns als Schwestern ist ohne Gäste unsere Einnahmequelle weggebrochen und wir versorgen uns jetzt, soweit es geht, selbst. Und wir versuchen auch unsere 130 Kinder im Kindergarten zu betreuen mit den Erzieherinnen. Wir sind jetzt wieder im Online-Unterricht, was ja schon auch sehr zeitaufwendig ist. Aber gut, wir möchten den Kindern und den Familien einen geordneten Tag bieten und da ist es ganz wichtig.

Schwester Gabriela Zinkl im Kindergarten (privat)
Schwester Gabriela Zinkl im Kindergarten / ( privat )

Für uns Schwestern ist der Tag jetzt komplett anders, weil ja die Gäste alle weg sind. Aber auch uns gibt jetzt gerade das Stundengebet großen Halt und wirklich so eine Tagesstruktur, obwohl die Stimmung hier auch in der Stadt sehr gedämpft ist, auf alle Fälle. Ruhig, friedlich. Aber jeder weiß, im Land ist Krieg. Nicht weit von uns entfernt bangen die Menschen um ihr Leben.

DOMRADIO.DE: Jetzt hat der Jerusalemer Patriarch Kardinal Pizzaballa im Namen der Bischöfe des Heiligen Landes für heute zu einem großen Gebets- und Fastentag aufgerufen, an dem Sie sich als Borromäerinnen auch beteiligen. Warum macht man das? Weshalb ist das wichtig, so ein Signal zu setzen?

Kardinal Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, bei der Messe in der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, bei der Messe in der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Zinkl: Das ist eine ganz akute Situation hier im Land. Es ist Kriegszustand. Für mich das erste Mal, dass ich an einem Ort lebe, wo Krieg ausgebrochen ist. Und auch wenn ich jetzt nicht unmittelbar davon betroffen bin und nicht immer im Luftschutzkeller sein muss, weiß ich, es ist Kriegssituation hier. So denke ich, ist es auf alle Fälle legitim. Was können wir jetzt sonst machen, als dass wir um den Frieden beten und einfach mal wirklich einen Tag innehalten?

Sicher sind viele Christen, christliche Gemeinschaften, Ordensgemeinschaften auch helfend tätig und gerade jetzt für Bedürftige und Ratsuchende. Das sind wir auch nach wie vor und haben viele Anfragen. Aber in dem ganzen Trubel wollen wir nun jetzt Stopp sagen. Jetzt hilft nur Gebet und wir wollen uns konzentrieren, dass die Menschlichkeit wieder ihren Weg findet ins Heilige Land, in dieses eigentlich von Gott gesegnete friedliche Land.

DOMRADIO.DE: Nun sind wir aber nicht nur spirituelle Menschen, sondern auch realistische Menschen. Wir glauben wahrscheinlich nicht, dass nach dem Gebet die Kriegsparteien ihre Waffen niederlegen. Was denken wir denn, aus der christlichen Überzeugung, was das tatsächlich bewirken kann?

Zinkl: Es ist sicher nicht umsonst. Ich will die Kraft des Gebetes wirklich nicht unterschätzen. Es ist ja auch einmal Fürsprache für die andern, dass wir aus unseren eigenen Nöten, Ängsten, Bedrängnissen rausgehen und uns in die Lage der anderen versetzen. Auch für alle Ebenen beten, für die Politiker, für die Soldaten, für die Kämpfer, für die bedrohten Familien, für alle, die jemanden verloren haben, für die Trauernden. Da spielen auch die sieben Werke der Barmherzigkeit eine Rolle.

Für mich persönlich ist das wichtige, ein Innehalten in all dem Trubel. Nicht wieder so weiter verfahren und in Aktionismus sein. Ich denke, wir Christen haben immer wieder dieses Zeichen des Friedensgebetes gesetzt, auch gerade ökumenisch. Also von daher ist es eine sehr gute Gelegenheit.

Sr. M. Gabriela Zinkl

"(Wir beten) für die Politiker, für die Soldaten, für die Kämpfer, für die bedrohten Familien, für alle, die jemanden verloren haben, für die Trauernden."

Unsere Schwesterngemeinschaft hat es so miteinander besprochen. Wir haben heute einen stillen Tag und Fasttag. Jede Schwester wird eine Stunde stille Anbetung übernehmen. Wir haben den Tag mit einer Eucharistiefeier begonnen. Am Abend schließen wir ab mit eucharistischer Anbetung. Wir wollen diese Lage wirklich einfach vor Gott noch mal hintragen, alle ins Gebet nehmen. Israel und auch die ganze Welt.

DOMRADIO.DE: Die Brüder der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg veranstalten den Gebetstag als Psalmengebet. Welche Rolle spielt für Sie diese Unterstützung?

Dormitio-Abtei in Jerusalem / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Dormitio-Abtei in Jerusalem / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

Zinkl: Das Patriarchat hat alle Christen eingeladen, diesen Tag so mit Stille und Anbetung zu gestalten. Vielleicht nehmen wir Schwestern am Abend bei der Dormitio teil. Alle Christen im Heiligen Land sind aufgerufen, nicht nur wir Ordenschristen. Ich denke auch an unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die christlichen Mitarbeiterinnen im Kindergarten, die auch aus den besetzten Gebieten kommen und die weiterhin nicht die Gebiete verlassen dürfen. Auch die werden wir noch mal einladen zu diesem Gebet. Ich sage es mal so: Gebet ist unsere beste Waffe als Christen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Christen im Heiligen Land beten um Frieden

In Jerusalem, Bethlehem, Nazareth und weiteren Orten im Heiligen Land beten Christen an diesem Dienstag für Frieden.

Zahlreiche Pfarreien und Ordensgemeinschaften folgten einem entsprechenden Aufruf der katholischen Bischöfe im Heiligen Land folgen, am 17. Oktober einen Tag in Gebet und Fasten für Frieden durchzuführen.

Betende Frau / © KieferPix  (shutterstock)
Quelle:
DR