Söding verteidigt Synodalen Ausschuss gegen Kritik

"Über das 'Wie' statt das 'Ob' diskutieren"

Trotz Kritik aus dem Vatikan und dem Fernbleiben von mindestens zwei Bischöfen trifft sich ab Freitag der "Synodale Ausschuss". Als Teilnehmer der Weltsynode sieht der Theologe Thomas Söding Rückenwind aus Rom für das Projekt.

Synodaler Weg (Symbolbild) / © Andreas Oertzen (KNA)
Synodaler Weg (Symbolbild) / © Andreas Oertzen ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die 74 Mitglieder sind für den Synodalen Ausschuss gewählt, Sie kommen ab Freitag in Essen erstmals zusammen. Auf der Tagesordnung steht unter anderem die Satzung, die festgelegt werden soll. Erwarten Sie auch inhaltliche Gespräche?

Theologe Thomas Söding / © Julia Steinbrecht (KNA)
Theologe Thomas Söding / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Prof. Dr. Thomas Söding (Vizepräsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken ZdK und Mitglied des Synodalen Ausschusses): Ich erwarte, dass wir uns an die Beschlüsse des Synodalen Weges in Frankfurt halten.

Beschlossen wurde, dass es einen Synodalen Ausschuss gibt, der die Gründung eines Synodalen Rates vorbereitet. Wie das Kind dann am Ende heißt, das wird sich herausstellen. Aber eines ist klar: Das, was in den fünf Vollversammlungen in Frankfurt erprobt worden ist, soll auf Dauer gestellt werden, nämlich dass es bei zentralen Fragen, die die Kirche in Deutschland angeht, künftig ein Gremium gibt, bei dem die Bischöfe mit anderen, die gewählt sind, zusammenarbeiten. Und zwar in einem Prozess, der verschaltet ist: von der Identifizierung der Themen über die Beratung, die Entscheidungen, die Beobachtung der Umsetzung und die Evaluation.

Das ist unsere Aufgabe, die wir jetzt zu erfüllen haben. Ich bin sicher, dass wir das auch tatsächlich schaffen und dann nach dieser konstituierenden Sitzung so schnell wie möglich in die Arbeit hineingehen können. Es ist allerdings so, dass es auch noch der Zustimmung sowohl der Vollversammlung des Zentralkomitees wie aber auch der Bischofskonferenz bedarf.

DOMRADIO.DE: Seit Monaten und Jahren gibt es Kritik und Angriffe sowohl aus weltkirchlichen Kreisen wie auch aus dem Vatikan gegen den Synodalen Rat, den Sie jetzt vorbereiten wollen. Erwarten Sie denn, dass Sie alles so durchführen können, wie Sie sich das vorstellen? Oder glauben Sie, dass irgendwann das Stoppschild und der Widerspruch kommen? In gewissem Sinne arbeiten Sie ja gegen den Willen der Kurie.

Söding: Bislang haben wir tatsächlich wenig Unterstützung durch Briefe aus der Kurie bekommen für unseren Synodalen Weg in Deutschland. Allerdings ist immer wieder etwas verboten worden, was wir gar nicht beschlossen hatten, nämlich dass auf der diözesanen Ebene der Bischof ausgehebelt werden könnte durch andere Mehrheiten und dass auf der Bundesebene die Bischofskonferenz zu einer untergeordneten "Behörde" werden würde.

Das ist nicht unser Bild. Wir stehen für die Verantwortung der Bischofskonferenz ein. Wir stehen für die Verantwortung des ZdK ein. Aber wir bündeln jetzt die Erfahrungen, die wir in Deutschland gesammelt haben. Mit der "Gemeinsamen Konferenz" sind wir seit langem in Beratungsprozessen unterwegs, und diese Prozesse müssen jetzt im Lichte der Synodalversammlung einfach weitergeführt werden, sodass wir Beraten und Entscheiden zusammenführen.

Prof. Dr. Thomas Söding

"Es ist immer wieder etwas verboten worden, was wir gar nicht beschlossen hatten."

Ich komme ja jetzt gerade aus der Synode in Rom, vier Wochen über Synodalität. Dort hat es Rückenwind für alle Versuche gegeben, dezentral, das heißt jeweils vor Ort, Partizipationsstrukturen aufzubauen, die zu Entscheidungen führen. Und da sehe ich uns genau in dieser Perspektive in Deutschland gut unterwegs.

Beginn der Weltsynode mit Papst Franziskus am 4. Oktober 2023 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani/KNA (KNA)
Beginn der Weltsynode mit Papst Franziskus am 4. Oktober 2023 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani/KNA ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie saßen im Präsidium vom Synodalen Weg und waren gerade auch Experte bei der Weltsynode in Rom. Was hat man denn da gehört im Bezug auf Deutschland? Hat sich das Klima gegenüber unseren Reformbemühungen in diesen vier Wochen verändert?

Söding: Deutschland steht natürlich schon sehr stark im Fokus, aber keineswegs alleine. In Rom hat sich gezeigt, dass wir eigentlich weltweit eine Bewegung haben, die jetzt einen wichtigen Schritt nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu gehen entschlossen ist.

Das Zweite Vatikanische Konzil hatte sehr stark die Rolle von Bischöfen betont, und die Institution der Weltbischofssynoden ist eine der Konsequenzen gewesen.

Prof. Dr. Thomas Söding

"Deutschland steht natürlich schon sehr stark im Fokus, aber keineswegs alleine."

Was jetzt offensichtlich ansteht, ist, dass die Frage der Repräsentanz von Bischöfen beobachtet und neu angegangen werden muss und dass die Aufgabe von Gläubigen, die engagiert sind, Ordensleute und sogenannte Laien, bislang nicht hinreichend in der katholischen Kirche geklärt ist.

Da sehe ich Papst Franziskus als denjenigen, der diesen Prozess anstoßen will und die Synode 2023 - die zweite Halbzeit wird ja 2024 kommen - als Instrument angesetzt hat, um zunächst einmal zu identifizieren: Hier ist ein Problem, das die katholische Kirche lösen muss und kann. Und der Synodale Weg in Deutschland ist dann eines der relevanten Modelle, in denen diese Synodalität konkretisiert werden kann.

DOMRADIO.DE: Das ist die lehramtliche Ebene. Viel Kritik, die gegenüber Deutschland geäußert wird, ist, dass wir nicht synodal gewesen sind, dass der Synodale Weg nicht spirituell genug gewesen sei, zu sehr ein Abstimmungsorgan, zu sehr ein Gegeneinander als ein Miteinander. Nehmen Sie sich denn jetzt aus dem, was Sie in Rom erlebt haben, irgendwas mit, wie Sie jetzt die Reformbemühungen in Deutschland anders vorantreiben wollen, als es vielleicht vorher gewesen ist?

Söding: Es gab eine bestimmte Methode in Rom, die der sogenannten spirituellen Konversation. Die war offensichtlich ausgezeichnet, um die Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Situationen hier zusammengekommen sind, mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen abzuholen und mitzunehmen. Die Mongolei ist etwas anderes als die Vereinigten Staaten, und Australien ist noch mal etwas anderes als Skandinavien. Aber gleichzeitig hat sich in Rom auch gezeigt, dass dann, wenn man zur Bündelung von Themen, zur Fokussierung von Fragestellungen, am Ende auch zu Unterscheidungen und Entscheidungen kommen will, diese Methode der spirituellen Konversation erweitert werden muss.

In Deutschland sehe ich uns in einer anderen Situation, weil wir durch die MHG-Studie und diesen klaren Auftrag, die systemischen Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal aufzuarbeiten, ein engeres Themenspektrum hatten und ganz bestimmte Ziele uns gesteckt haben. Der Synodale Ausschuss steht in dieser Tradition, muss sich auch ganz klar an die Aufgaben des Synodalen Weges halten, die Aufgaben, die ihm dort mit auf den Weg gegeben worden sind. Ich bin allerdings der Auffassung, dass wir dann, wenn wir diesen Synodalen Rat neu konfigurieren, auch noch mal über die Methodik neu nachdenken müssen.

Prof. Dr. Thomas Söding

"Es gibt unterschiedliche Stile von Spiritualität, auch die Klarheit, auch die Kontroverse."

Für mich war der Synodale Weg in Frankfurt immer auch ein spirituelles Ereignis. Es gibt unterschiedliche Stile von Spiritualität, auch die Klarheit, auch die Kontroverse. Auch dieses Schnelle gehört meines Erachtens zum Spirit der katholischen Kirche dazu. Aber es darf natürlich nicht alles dominieren. Deswegen gehört das auch mit zu den Aufgaben dazu. Vielleicht weniger jetzt für die Arbeitssitzungen des Ausschusses, aber dann für den Synodalen Rat.

DOMRADIO.DE: Sie wollen sich mit 74 Delegierten treffen, 27 Diözesanbischöfe, 27 Mitglieder des ZdK und 20 Menschen, die noch bei der letzten Synodalversammlung gewählt wurden. Sie werden aber nicht komplett sein in Essen. Es werden nicht alle deutschen Diözesanbischöfe teilnehmen. Die Bischöfe Stefan Oster und Bertram Meier haben bereits ihr Fernbleiben angekündigt. Wir wissen, dass andere konservative Bischöfe die finanzielle Trägerschaft von Seiten der Amtskirche in Frage stellen. - Spricht denn dann dieses Organ, das Sie schaffen wollen, wirklich für die Kirche in Deutschland, wenn die kritischen Stimmen, die ja Teil der Konversation sind, sich anscheinend daran nicht beteiligen wollen?

Söding: Ich halte es für einen Widerspruch, dass Bischöfe ihr Recht der Teilhabe nicht wahrnehmen. Ich glaube auch, dass diese Position nach der römischen Synode zu beziehen schwerer wird, weil dort die Bischöfe auch aufgefordert worden waren, sowohl im Blick auf ihre eigenen Diözesen wie auch im Blick auf die Konferenzen, zu denen sie gehören, diese Partizipationsstrukturen zu ermöglichen.

Für mich ist wichtig: Es gibt zwei Trägerorganisationen des Synodalen Ausschusses, das sind die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Die Finanzierung ist geklärt und wird geklärt. Ich fand es bezeichnend, dass sich der Ständige Rat nicht zu einer einstimmigen Beschlussfassung hinsichtlich der Finanzierung hat durchringen können. Das zeigt für mich einen dringenden Reformbedarf an der entscheidenden Stelle, in der doch aber über die Kirchensteuermittel entschieden wird, die von allen Gläubigen aufgebracht werden. Aber das wird nach und nach abgearbeitet werden. Im Moment besteht die Aufgabe, dass wir für diejenigen Diözesen - und da denke ich insbesondere an die Gläubigen - mitdenken, die dann durch ihre Bischöfe sich nicht vertreten fühlen. Aber der Platz bleibt frei und das Recht der Mitgliedschaft bleibt bestehen.

Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht (KNA)
Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Besteht da nicht die Gefahr, dass das zu einer Echokammer wird? Wenn nur die reformwilligen Stimmen in Austausch treten, die sowieso im Prinzip alle das Gleiche sagen.

Söding: Das halte ich jetzt für eine Karikatur, dass alle das Gleiche sagen. Aber in der Tat glaube ich, dass wir diejenigen, die Verantwortung übernehmen dafür, dass es diese stärkeren Partizipationsstrukturen in Deutschland gibt, zusammenführen müssen. Und die müssen selbstverständlich immer auch die Positionen derjenigen mitdenken, die zu anderen Entscheidungen kommen.

Wir versuchen jetzt, vielleicht in etwas ruhigerem Fahrwasser, solche Beschlüsse vorzubereiten, die dann auch von anderen getragen werden können. Das ist ja für mich eine der Hauptfragestellungen gewesen: Wir haben, wenn wir jetzt über den Synodalen Ausschuss und den Synodalen Rat sprechen, eine bestimmte Form der Partizipation; daneben gab es durch die Notwendigkeit, die Konsequenzen aus der MGH-Studie zu ziehen, auch bestimmte wichtige zentrale Inhalte, die besprochen und entschieden werden müssen. Einiges kann man in Deutschland selber machen, anderes gehört aber unbestritten auch auf die römische Weltbühne.

Was ich mir wünschen würde ist, dass diejenigen, die bei den Inhalten meinen, sie könnten sich nicht durchsetzen, aber doch bei den Formen, dass wir diese Partizipationsstrukturen benötigen, am Ende sich auch überwinden können und mitmachen. Denn die Organisation von Verantwortung, von gemeinsamer Verantwortung in der katholischen Kirche, ist die Voraussetzung dafür, dass man auch Entscheidungen treffen kann, die wirklich legitim sind.

DOMRADIO.DE: Der Synodale Rat ist angedacht frühestens für 2026. Was muss dann rauskommen, dass sich wirklich etwas verändert? Welche Reformen hoffen Sie realistisch umzusetzen?

Söding: Ich denke, dass da schon einiges deutlich geworden ist durch die Beschlüsse, die wir in Frankfurt bereits gefasst haben und die ja jetzt durchgearbeitet werden. Ich nehme nur das Beispiel der Beteiligung des Kirchenvolkes an der Bestellung von Bischöfen. Das ist auch eins zu eins eine der Anregungen, die in dem Zwischenbericht, der sogenannten Synthese, aus Rom stehen.

Also ist jetzt die Aufgabe, nicht mehr über das "Ob" zu diskutieren, sondern das "Wie" zu organisieren. Da sind wir ja der Auffassung: Die Konkordate werden nicht angefasst, aber im Rahmen der Konkordate gibt es deutlich mehr Möglichkeiten, die Partizipationsstrukturen zu erhöhen. Das muss jetzt erarbeitet werden, da sind wir dran. Das kann nicht vor offener Kamera geschehen, weil da eben auch staatskirchenrechtliche Aspekte eine Rolle spielen. Ich nehme das als ein Beispiel, dass vieles schon in Arbeit ist.

Prof. Dr. Thomas Söding

"Im Rahmen der Konkordate gibt es deutlich mehr Möglichkeiten, die Partizipationsstrukturen zu erhöhen."

Der Synodale Ausschuss muss sich auf seine Aufgaben konzentrieren und das heißt: noch einmal Rechenschaft darüber ablegen, was eigentlich Synodalität für die katholische Kirche in Deutschland bedeutet, und das verbinden mit dem Vorschlag eines Statuts und einer Geschäftsordnung für diesen Synodalen Rat, wie er auch immer heißen wird. Und er wird sich mit den Themen beschäftigen, die als relevant während der Synodalversammlung identifiziert worden sind, aber aus Zeitgründen noch nicht haben entschieden werden können. Da wird es sicherlich auch um Klugheit gehen, also:

Bestimmte Themen, wie zum Beispiel die Einrichtung von Ombudsstellen oder die Organisation von Rechenschaft, die Rechtswegegarantien in der katholischen Kirche, sollten ohnehin unstrittig sein und haben jetzt aber auch noch mal Fahrt durch die römische Synode aufgenommen, wo nämlich alle diese Themen auch schon positiv angesprochen worden sind. Und wenn man sieht, dass man bei anderen Themen im Moment doch noch mehr Beratung braucht, dass noch mehr Differenzen im Raum stehen, als ich erwarten würde, dann ist es wichtig, das zu identifizieren, sich nicht unter Druck setzen zu lassen, auch nicht unter zeitlichen Druck, und zu wissen: Wir steuern auf eine Konstruktion zu, genannt vorläufig Synodaler Rat, in der dann auch das Format geschaffen ist, um Einmütigkeit oder zumindest Entschiedenheit zu organisieren.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Synodaler Ausschuss

Der Synodale Ausschuss ist ein Ergebnis des Synodalen Wegs zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Er soll die Einrichtung eines Synodalen Rates vorbereiten. In diesem neuen Gremium wollen Bischöfe und katholische Laien ihre Beratungen über mögliche Reformen in der Kirche fortsetzen, die sie bei dem 2019 gestarteten Synodalen Weg begonnen haben.

Symbolbild Abstimmung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Abstimmung / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR