Knobloch kritisiert Einladung Erdogans nach Deutschland

"Absolut falsch"

Die Ex-Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, hat die Einladung der Bundesregierung an den türkischen Präsidenten Erdogan kritisiert. Zudem äußerte sie sich zum Vertrauen von Juden in Sicherheitskräfte.

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, spricht bei einer Gedenkveranstaltung der Kultusgemeinde vor der Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob. Die Gedenkveranstaltung stand unter dem Motto der Trauer an der Seite Israels / © Matthias Balk/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (dpa)
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, spricht bei einer Gedenkveranstaltung der Kultusgemeinde vor der Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob. Die Gedenkveranstaltung stand unter dem Motto der Trauer an der Seite Israels / © Matthias Balk/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ ( dpa )

"Ich halte es für absolut falsch, [Erdogan] in Deutschland ausgerechnet in dieser Situation eine Bühne zu bieten, in der Israel bedroht ist", sagte Knobloch dem "Tagesspiegel" am Donnerstag.

Die Türkei sei "ein wichtiger Verbündeter des Westens" gewesen, so die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. "Nun wendet sie sich von ihm ab. Ich habe den Verdacht, dass die Türkei sich jetzt auf die Seite des Irans schlägt."

Erdogan sieht Hamas nicht als Terrororganisation

Erdogan soll am 17. November nach Deutschland kommen. Er hatte dem Westen vorgeworfen, durch Israel begangene "Kriegsverbrechen" zu decken und eine direkte Linie vom Völkermord an den Juden zu den heutigen Opfern im Gazastreifen gezogen.

Zudem hatte er erklärt, die radikalislamische Hamas sei keine Terrororganisation, "sondern eine Befreiungs- und Mudschaheddin-Gruppe, die für den Schutz ihres Landes und ihrer Bürger kämpft".

Knobloch kritisiert unübersichtliche Situation

Weiter erklärte Knobloch mit Blick auf Synagogen-Besuche von muslimischen Imamen als Zeichen der Friedfertigkeit in verschiedenen deutschen Städten, man wisse oft nicht, wer genau diese Gesprächspartner seien, "und genau das ist ein Problem".

Auch der Leiter der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbas, der rund 900 Moscheen in Deutschland unterstehen, "fällt durch "antiisraelische und antisemitische Äußerungen auf", so die Präsidentin. "Damit sendet er ganz bestimmte Signale auch an türkische oder türkischstämmige Muslime in Deutschland – und es sind keine friedlichen."

Problem des importierten Antisemitismus

"Hochgefährlich" nannte Knobloch das Phänomen eines durch Migration aus arabischen und muslimischen Ländern nach Deutschland importierten Antisemitismus. "Schon die Schulbücher in vielen dieser Länder verbreiten Hass gegen Israel und gegen Juden, die Kinder lernen nichts anderes.

"Auch viele Imame in Deutschland hetzen gegen Juden." Sie habe deutsche Politiker immer wieder aufgefordert, gegen diesen Antisemitismus vorzugehen. Die Antwort sei meist gewesen: "Wir wissen um diese Gefahr, aber wir haben nicht die Möglichkeit, dagegen etwas zu tun", beklagte die 91-Jährige.

Kritik an der Politik

Die deutsche Politik habe dieses Phänomen "sträflich unterschätzt" und müsse daher "jetzt endlich einschreiten", unterstrich Knobloch. "Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre gab es den Spruch: Das Boot ist voll. Das war sehr plakativ, aber in Bezug auf Judenhass muss ich sagen: Ich wünsche mir ein härteres Vorgehen."

Die Forderung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), antisemititische Vergehen mit dem Entzug des deutschen Passes zu ahnden, begrüßte die Münchnerin. Zugleich sei nicht zu übersehen, dass der Rechtsextremismus eine große Gefahr für die Demokratie darstelle, führte Knobloch weiter aus. "Die Gefahr kommt aber von allen Seiten. Wenn der Antisemitismus auch durch Migration noch weiterwächst, dann stehen bald wir vor einer ziemlich hohen Wand", mahnte die Präsidentin.

Zuversicht in Arbeit von Sicherheitskräften schwindet

Unter Jüdinnen und Juden in Deutschland schwindet ihrer Ansicht die Zuversicht in die Arbeit von Sicherheitskräften. "Viele glauben, dass die Verantwortlichen es nicht mehr schaffen, den Hass und die Gewalt gegen Juden einzudämmen", sagte Knobloch ebenfalls dem Tagesspiegel.

Menschen fühlten sich angesichts von Antisemitismus auf heutigen Kundgebungen an Demonstrationen gegen Jüdinnen und Juden in der Weimarer Republik erinnert. "Ich verstehe das, denn auch beim Aufstieg des Nationalsozialismus spielten antijüdische Kundgebungen eine wichtige Rolle", sagte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Religion ist oft nicht Grund für Antisemitismus

Antisemitismus unter Musliminnen und Muslimen in Deutschland ist einer Untersuchung zufolge häufig eher eine Folge konservativ-autoritärer Einstellungen als der Religion an sich. Auch gebe es Hinweise, dass regionale beziehungsweise nationale Diskurse einen stärkeren Einfluss auf negative Einstellungen gegenüber Jüdinnen und Juden hätten als religiöse Zugehörigkeit. So zeigten zum Beispiel auch Menschen christlichen Glaubens entsprechende Ressentiments.

Antisemitismus: Juden in Deutschland sehen wachsende Bedrohung / © Arne Dedert (dpa)
Antisemitismus: Juden in Deutschland sehen wachsende Bedrohung / © Arne Dedert ( dpa )
Quelle:
KNA