Sieben Jahre haben die Gespräche zwischen Berlin und Ankara über eine Imamausbildung in Deutschland gedauert mit dem Ziel, die Entsendung von staatlich bediensteten Geistlichen aus der Türkei zu beenden. Am Donnerstag verkündete das Bundesinnenministerium (BMI) offiziell den Erfolg: Künftig sollen 100 Imame pro Jahr in Deutschland ausgebildet und schrittweise auf die über 900 Moscheegemeinden der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, Ditib, verteilt werden.
Lehrstätten sind das Seminar des Verbands in Dahlem bei Köln und das Islamkolleg Deutschland (IKD) in Osnabrück, das von der Bundesregierung mitfinanziert wird und eine Ausbildungskooperation mit der Ditib eingeht.
Meilenstein für Integration muslimischer Gemeinden
Ministerin Nancy Faeser (SPD) spricht von einem wichtigen Meilenstein für die Integration muslimischer Gemeinden in Deutschland. "Wir brauchen Prediger, die unsere Sprache sprechen, unser Land kennen und für unsere Werte eintreten." Bisher entsendet die türkische Religionsbehörde Diyanet ihre Imame, ausschließlich Männer, nach Deutschland.
Sie versehen für jeweils vier Jahre in den Ditib-Moscheen ihren Dienst als Vorbeter und Prediger beim Freitagsgebet, Seelsorger und Lehrer in den Koranschulen. Als Staatsbeamte unterstehen sie den türkischen Generalkonsulaten. Die meisten sprechen kaum Deutsch und sind mit der deutschen Lebenswelt ihrer Gemeinde wenig vertraut. Zur Integration des Islams in Deutschland trägt das wenig bei.
Ditib soll "Fachaufsicht" für entsandte Imame übernehmen
Die Visumsvergabe an Diyanet-Imame soll nun in dem Maße zurückgehen, wie der Nachwuchs aus den Seminaren in Dahlem und Osnabrück nachrückt. Somit dürfte in zehn Jahren jeder Imam einer Ditib-Moschee die deutschsprachige Ausbildung absolviert haben. Aber schon 2024 soll die Ditib laut BMI von der Diyanet die "Fachaufsicht" über die entsandten Imame übernehmen, etwa bei dienstlichen Beschwerden.
Die staatliche Forderung nach einer Abkopplung der Islamverbände vom Einfluss aus den muslimischen Herkunftsländern ist ein Dauerthema deutscher Integrationspolitik. Im Fall der Ditib, des größten Moscheeverbands in Deutschland, wurde sie in den vergangenen Jahren immer drängender.
In der Ära Erdogan wandelte sich der aus Ankara gesteuerte Verband vom Integrationspartner mit einer zwar konservativen, aber strikt säkularen Religionsauslegung zum Sprachrohr des türkischen Nationalismus und politischen Islams.
Skandale häufen sich
Kritiker werfen der Ditib vor, die Beheimatung von Musliminnen und Muslimen in der westlichen Gesellschaft im Namen antiliberaler Glaubensüberzeugungen zu untergraben und Abschottung zu fördern.
Skandale häuften sich bis zuletzt, als die Ditib wie andere Islamverbände den Hamas-Terror gegen Israel erst nach politischem Druck klar verurteilte. Derweil beschimpfte der Dienstherr ihrer Imame, Diyanet-Chef Ali Erbas, Israel als "rostigen Dolch im Herzen der islamischen Welt".
Eine der ersten Reaktionen auf die Einigung zwischen BMI, Diyanet und Ditib kam denn auch vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Er lobte den "konsequenten Schritt der Bundesregierung". Gerade die letzten Wochen hätten gezeigt, "dass der Einfluss der Türkei auf die 900 von Ditib betriebenen Moscheegemeinden nicht mehr tragbar ist".
Neue Vereinbarung könnte geistiges Klima auffrischen
Die neue Vereinbarung könnte das geistige Klima innerhalb der Ditib mittelfristig deutlich auffrischen, wenn künftig statt Vertretern des türkischen Staatsislams unabhängige Muslime aus Deutschland in die Imam-Stellen drängen. Ein Sprecher des BMI sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), man gehe davon aus, dass unter den Interessenten viele Deutschtürken sein werden, die zuvor ihr Studium an einem der sieben islamisch-theologischen Universitätsstandorte hierzulande absolviert haben.
Für die Ausbildungskooperation zwischen Ditib und dem IKD in Osnabrück sollen außerdem Theologie-Absolventen aus der Türkei angeworben werden. Das Curriculum umfasst neben dem Erwerb der deutschen Sprache (falls erforderlich) und der theologischen und seelsorglichen Fortbildung auch einen gesellschaftspolitischen Teil.
Darin geht es etwa um die deutsche Verfassung und Geschichte. "Wir möchten Imame ausbilden, die auf dem festen Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen", sagte der IKD-Vorsitzende Samy Charchira der KNA. "Imame, die im Einklang sind mit der hiesigen Lebenswirklichkeit und dem Alltag von Muslimen in Deutschland."
Noch fehle es aber an Kapazitäten, um wie geplant drei Viertel der 100 Imame pro Jahr auf den Weg zu bringen. Das BMI fördert die Kooperation zwischen Islamkolleg und Ditib jährlich mit 500.000 Euro.
Die restlichen 25 Imame will der Verband an seiner Lehrstätte für religiöses Personal in Dahlem ausbilden.