Die Erklärung "Fiducia supplicans" des römischen Glaubensdikasteriums von 18. Dezember 2023 ist ein kleines Hoffnungszeichen. Noch im Februar 2021 hatte dieselbe Kurienbehörde jeden "Zweifel" daran ausräumen wollen, dass ein Segen für Paare in "irregulären Beziehungen" unmöglich sei, weil nicht gutgeheißen werden könne, was objektiv schlecht ist. Jetzt klingt es anders. Zwar bleibt der Katechismus vorläufig unverändert, der jeden Geschlechtsverkehr außerhalb einer gültigen Ehe "Unzucht" nennt; eine Revision ist überfällig. Es wird auch nicht offengelegt, dass die frühere Erklärung kurzschlüssig war; das römische Sprachspiel sieht Selbstkorrekturen nicht vor. Dennoch ist ein Durchbruch gelungen. Gewiss, es solle kein offizielles Rituale geben und keine eigene Liturgie; die qualitative Differenz zur sakramentalen Ehe müsse deutlich bleiben. Doch es soll gesegnet werden: wann immer sich eine Gelegenheit bietet.
Dieser Blickwechsel, auf den viele gewartet haben, ist theologisch begründet: in einer formidablen Theologie des Segens. Die bisherigen Restriktionen krankten daran, dass der Segen als eine Art theologische Prämie für Wohlverhalten angesehen wurde. Jetzt kann der Segen ein Segen sein: weil er Menschen mit Gott verbindet, auch wenn sie nicht perfekt sind.
Schon der Titel des Dokumentes weist die Richtung: "Fiducia supplicans". "Fiducia" ist das Gottvertrauen, das Menschen haben, auch wenn sie gegenüber den Glaubenswahrheiten – und dem, was dafür ausgegeben wird – etwas distanziert bleiben; "supplicans" meint das Flehen, die Bitte, die Sehnsucht. Die Erklärung setzt nicht bei dem an, was die Kirche über die Natur und das wahre Leben weiß – oder zu wissen meint; sie setzt beim Wunsch von Menschen an, von Gott gesegnet zu werden: in ihrer Liebe.
Theologie des Segens weiterentwickelt
Dieser Ansatz ist entscheidend. Der Präfekt, Kardinal Victor Manuel Fernández, verweist auf die Theologie des Segens, die Franziskus weiterentwickelt hat. Jeder Klerikalismus ist dem Papst zuwider. Kirchenführer sollen nicht Macht über die Gewissen der einfachen Leute ausüben, sondern ihnen zeigen, wo sie Gott finden können.
Die Erklärung argumentiert präzise, um die neue Praxis des Segnens zu begründen. Zuerst geht es in die Bibel: Sie erlaube es, einen "absteigenden" und einen "aufsteigenden" Segen zu erkennen. Der "absteigende" ist ein Zuspruch, den ein Mensch im Namen Gottes geben kann, wie im aaronitischen Segen: "Der Herr segne und behüte dich …" (Numeri 6,24-26). Der "aufsteigende" ist ein Lob, ein Dank, eine Bitte, die Gott die Ehre gibt: "Preise den Herrn, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen" (Psalm 103,1). Beides gehört zusammen: Gottes Volk ist gesegnet, um Segen zu bringen; es segnet, um des Segens Gottes teilhaftig zu werden. Alle sind berufen, Segen zu empfangen und Segen zu spenden. Ein Segen hebt nicht die einen auf den Thron, von dem aus sie huldvoll grüßen, während die anderen im Staub um Gnade winseln. Segen stiftet Frieden. Deshalb ist er mal Fürsorge, mal Trost, mal Ermutigung, mal alles in einem.
Diese bibeltheologische Grundlegung führt zu einer pastoraltheologischen Orientierung. "Wer um den Segen bittet, zeigt, dass er der heilbringenden Gegenwart Gottes in seiner Geschichte bedarf, und wer die Kirche um den Segen bittet, erkennt die Kirche als ein Sakrament jenes Heils, das Gott darbietet" (Nr. 20). Diejenigen, die qua Amt segnen sollen, dürfen diesen Wunsch nicht verachten und dieses Vertrauen nicht enttäuschen. Der Segen ist eine erfüllte Bitte – sowohl derjenigen Person, die den Segen ersehnt, als auch derjenigen, die den Segen erteilt: Beide sind sie in der Gemeinschaft des Glaubens, der Kirche, vereint. Beide nehmen sie an dem Segen teil, der von Gott ausgeht und zu ihm führt.
Segen heißt Gottvertrauen gut
Es wäre ein Machtmissbrauch, diejenigen, die um einen Segen bitten, zuerst einer Gewissensprüfung zu unterziehen, die in einem moralischen Urteil über ihre Lebensführung gipfelte. Es wäre auch ein Machtmissbrauch, die Erteilung des Segens unter den Vorbehalt zu stellen, dass eine in den Augen des kirchlichen Lehramtes "irreguläre" Lebenssituation auf der Stelle beendet werden müsste. Der Segen heißt gut, was ist: dass Menschen Gottvertrauen haben; er stärkt, was gut ist: die echte Liebe zwischen zwei Menschen; er befiehlt Gott, was nur er vollenden kann: das Leben selbst.
"Geh hin und sündige nicht mehr", sagt Jesus der Ehebrecherin, der er ihre Schuld vergeben hat (Joh 8,1-11). Aber er hat seinen Jünger nicht die Vollmacht gegeben, über das künftige Leben der Frau ein moralisches Urteil zu fällen; er hat vielmehr die Frau in Freiheit gesetzt, ihr Leben ohne die Bedrohung durch eine göttliche Todesstrafe zu führen.
Rückenwind für Synodalen Weg
Der Synodale Weg in Deutschland hat sich für Segensfeiern ausgesprochen: Paare, die sich lieben, auch wenn sie nicht verheiratet sind und ihre Sexualität nicht verleugnen, gehören zur Kirche; ihr Wunsch, gesegnet zu werden, soll erfüllt werden – und die Kirche als ganze soll in diesem Wunsch ein lebendiges Zeichen des Glaubens erkennen.
Die früheren "Zweifel" waren gezielt gesät worden, um den Synodalen Weg auszubremsen; das ist nicht gelungen. Die neue Erklärung gibt Rückenwind. Aber es ist es jetzt nicht die Zeit für Genugtuung und Rechthaberei. Es ist Zeit für Klärung und Ermutigung: Entscheidend ist, was vor Ort passiert. Bischöfe, die sich bislang hinter Rom versteckt haben, können jetzt ihre Führungsverantwortung übernehmen und Segensfeiern möglich machen. Bischöfe, die sich bislang auf die Erklärung beschränkt haben, niemanden zu sanktionieren, der Paare segnet, können sich jetzt positiv positionieren. In einer Arbeitsgruppe des Synodalen Weges werden Materialien zusammengestellt, wie es gehen kann. Der Weg in eine segensreiche Zukunft ist offen. Weitere Schritte werden folgen.
Der Autor ist Professor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum, Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und Vizepräsident des Synodalen Wegs.