DOMRADIO.DE: Was ging Ihnen zuerst durch den Kopf? Woran haben Sie spontan gedacht, als Sie vom Tod von Wolfgang Schäuble heute Morgen erfahren haben?
Prälat Karl Jüsten (Leiter des Katholischen Büros in Berlin): Er möge in Frieden ruhen und zu seinem Frieden gefunden haben. Sie haben ja schon gesagt, dass er ein gläubiger Christ war, und als solcher war fest davon überzeugt, dass nach dem Tod nicht das Ende allen Lebens ist, sondern der Anfang eines neuen Lebens beginnt. Und möge dieses Leben nun vollendet sein bei Gott und möge Gott auf das Gute schauen, das er in seinem Leben gewirkt hat.
DOMRADIO.DE: Er hat als Politiker ja über viele Jahre unermüdlich der Bundesrepublik Deutschland in verschiedenen Funktionen im wahrsten Sinne des Wortes gedient. Wofür gilt es jetzt besonders Danke zu sagen?
Jüsten: Als Katholiken können wir einmal dafür Danke sagen, dass es dieses Lebenszeugnis dieses engagierten evangelischen Christen gibt. Gerade in dieser Zeit, wo wir oftmals von abnehmender Kirchenbindung sprechen, ist es gut zu wissen, dass sich Menschen, die mit ihrer Kirche, auch mit der katholischen Kirche immer wieder mal haderten, sich doch immer wieder zum Glauben bekannten. Das ist, denke ich mal, für uns als Christen herausstechend.
Ansonsten sind natürlich seine großen Verdienste bleibend, die vielleicht ohne diese christliche Grundhaltung gar nicht möglich gewesen wären. Gerade auch nach diesem schweren Attentat. Was hat er sich da in die Pflicht nehmen lassen?
Ohne ihn wäre vieles nach der Wiedervereinigung so gar nicht gekommen. In Erinnerung bleiben sicherlich seine Leistungen beim Einigungsvertrag, überhaupt in der ganzen Einigungszeit und dann auch darüber hinaus. Zuletzt als Finanzminister hat er für die sogenannte schwarze Null gesorgt. Uns als Kirche ist es auch immer ein Anliegen, dass wir Schulden nicht für die Nachfolgegenerationen aufhäufen. Das führt dazu, dass wir jetzt durch diese Krisen halbwegs gut durch konnten.
Als Bundestagspräsident war er ebenfalls herausragend, weil er sich da mit der nun im Bundestag befindlichen AfD hervorragend als Christ und als erfahrener Politiker erwiesen hat.
DOMRADIO.DE: Er hat einmal in einem Interview gesagt, er hadere bisweilen mit der Kirche, aber nie mit seinem Gott. Auch nach diesem schweren Attentat, den Sie gerade schon erwähnt haben, und seiner Behinderung, die ihn dann jahrelang in den Rollstuhl zwang. Wie haben Sie ihn da erlebt?
Jüsten: Ich habe mit ihm oft über seinen Glauben sprechen können. Er war sehr nachdenklich. Auf der einen Seite hatte er sich seinen Glauben, den er in der Konfirmanden-Zeit erworben hatte, immer bewahrt. Dieser einfache Zugang zum Glauben gab ihm Halt und Stärke. Aber er war ja auch ein großer Intellektueller.
Es gab keine theologische Frage, die er nicht auch gerne diskutierte und wälzte und das eine oder andere, was wir manchmal als "Profis" so vollmundig verkünden, hat er dann auch mal in Frage gestellt. Die Gespräche mit ihm waren immer bereichernd, auch die Gespräche über den Glauben.
DOMRADIO.DE: Wie war denn seine Rolle im Hinblick auf die katholische Kirche? Sein Vater war katholisch, blieb von den Sakramenten aber ausgeschlossen, weil er es zugelassen hatte, dass Schäuble evangelisch getauft wurde.
Jüsten: Das hat er akzeptiert, aber er hat es kritisch gesehen. Er selber hat eine Katholikin geheiratet und seine eigene Kinder wurden katholisch getauft. Da merkt man dann doch, dass es eine hohe Wertschätzung auch in seinem persönlichen Leben für die katholische Kirche gab. Und er wusste auch immer um die Differenz, aber er blieb in seinem ganzen Wesen ein engagierter evangelischer Christ.
DOMRADIO.DE: Wir als Christen leben in der Hoffnung, dass der Tod nie das letzte Wort hat, sondern wir ein ewiges Leben bei Gott erleben dürfen. Worauf darf der verdiente Politiker und Christ Wolfgang Schäuble denn jetzt hoffen? Und worauf dürfen wir hoffen?
Jüsten: Wir dürfen hoffen, dass wir für immer bei Gott sind. An Weihnachten feiern wir, dass Gott Mensch geworden ist. An Ostern feiern wir, dass Jesus Christus von den Toten auferstanden ist und nun für immer bei Gott ist und dass uns das Gleiche verheißen ist. Ich glaube, da gibt es sehr vieles, was Schäuble auf seiner Agenda mit einbringen kann. Wenn Gott ihm ein gerechter Richter ist, und auf Schäubles gute Werke und seine Schattenseite blickt, werden die guten Taten wahrscheinlich überwiegen.
Das Interview führte Oliver Kelch.