Vatikanexperte erklärt Entstehung des Palliums

Aus der Wolle zweier Lämmer

Am Fest der Heiligen Agnes werden in Rom zwei Lämmer geweiht, aus deren Wolle ein besonderes Kleidungsstück gefertigt wird. Ulrich Nersinger klärt über die Hintergründe des Palliums auf und erläutert, was mit den Lämmern geschieht.

Papst Franziskus trägt ein rotes Gewand, ein Pileolus und das Pallium / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus trägt ein rotes Gewand, ein Pileolus und das Pallium / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: An diesem Sonntag ist das Fest der Heiligen Agnes. Das ist die Schutzpatronin von Rom. In ihrer Basilika werden heute mit einem Pontifikalamt zwei Lämmer geweiht. Warum ist das so? 

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Das ist so ein altes Stadt-römisches Fest. Wenn wir mal auf die Erzbischöfe in aller Welt oder auch auf den Papst schauen, sehen wir, dass sie über dem Messgewand so ein Wollband mit schwarzen Kreuzen tragen, wo ein Teil vor der Brust herunterhängt und ein anderer Teil am Rücken. 

Das ist ein bestimmtes Würdezeichen, das die Erzbischöfe haben, und das wird aus der Wolle von zwei Lämmern genommen und gewebt. Diese Weihe geschieht am heutigen Fest der Heiligen Agnes, die eine der Patroninnen der Stadt Rom ist. Sie steht für das Martyrium und für die Jungfräulichkeit, für die Keuschheit.

DOMRADIO.DE: Das ist das Pallium, was daraus entsteht. War das immer schon so? 

Nersinger: Ja, es ist ein uralter Brauch. Das Pallium ist ursprünglich nicht mal ein christliches Kleidungsstück gewesen, sondern das war ein Würdezeichen, das der römische Kaiser bei ganz besonderen Staatsangelegenheiten über seinem Gewand trug. 

Das ist dann vom Kaiser in der Zeit, vermutlich schon im vierten Jahrhundert, auf den Papst übergegangen. 

DOMRADIO.DE: Wo kommen die Lämmer her? 

Nersinger: Die Lämmer werden im berühmten Kloster Tre Fontane in Rom gehalten. Für lange Zeit haben sie dort ihren Aufenthalt. Dann werden sie am Vorabend des 21. Januar zu einem Schwesternkonvent auf dem Esquilin gebracht, und dort werden sie geschmückt. 

Papst Franziskus segnet am 21. Januar 2017, dem Gedenktag der heiligen Agnes, im Vatikan zwei Agnes-Lämmer, deren Wolle zur Herstellung von Pallien dient. / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus segnet am 21. Januar 2017, dem Gedenktag der heiligen Agnes, im Vatikan zwei Agnes-Lämmer, deren Wolle zur Herstellung von Pallien dient. / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( KNA )

Sie werden in zwei Körbe gelegt und werden dort mit Bändern versehen, mit Schmuckstücken. Einmal rot für das Martyrium der Heiligen Agnes und weiß für ihre Jungfräulichkeit. 

DOMRADIO.DE: Früher war die Ankunft der Lämmer immer ein kleines Volksfest – vor allem für die Kinder. Nehmen die Römer noch Anteil an diesem Brauch?

Nersinger: Die Römer machen das noch. Für die Römer ist es immer noch ein Fest, sowohl wenn die Lämmer am gestrigen Abend in dem Schwesternkonvent ankommen, aber auch danach. In der Basilika gibt es ein feierliches Pontifikalamt. 

Das ist immer ein Ereignis, weil es natürlich auch mit volkstümlichen, sehr schönen Elementen verbunden ist. Die Lämmer sind nicht immer so ganz friedlich und ruhig. Man hört sie mal blöken und das hat alles einen richtigen Volkscharakter bekommen. 

Schafe und Lämmer auf einem Deich in Ostfriesland / © Sina Schuldt (dpa)
Schafe und Lämmer auf einem Deich in Ostfriesland / © Sina Schuldt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Papst Johannes Paul II. und auch Papst Benedikt XVI. hielten große Stücke auf das Pallium und auch den Brauch fanden sie gut. Wie sieht das bei Papst Franziskus aus? 

Nersinger: Eigentlich auch, nur früher war es so, dass die Lämmer nach der Weihe in den Vatikan gebracht, dem Papst präsentiert und dann noch mal vom Papst gesegnet wurden. Das ist in den letzten Jahren nicht geschehen. Warum das so ist, wissen wir alle nicht so genau. An sich ist der Papst aber schon mit diesem Fest und mit dieser Feier verbunden. 

DOMRADIO.DE: Die Lämmer werden geweiht, sie werden geschoren. Und was passiert dann danach? 

Nersinger: Das ist eine große Frage. Ich befürchte, dass sie nicht mehr friedlich auf den Weiden landen, sondern irgendwo anders.

DOMRADIO.DE: Wo denn? Auf unseren Tellern etwa? 

Nersinger: Das könnte durchaus sein. Die Verantwortlichen schweigen sich da etwas aus. Aber das wäre eigentlich fast zu erwarten, dass man die Lämmer nicht wieder auf die Weide lässt oder in einen Stall verfrachtet. 

Das Interview führte Carsten Döpp.

Pallium

Der Begriff "Pallium" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "Hülle". Ursprünglich bezeichnet es ein mantelähnliches Obergewand der Römer. Seit dem sechsten Jahrhundert gehörte das Pallium zur Kleiderordnung der Päpste, die es dann auch bestimmten Bischöfen als Auszeichnung verliehen. Seit Mitte des 9. Jahrhunderts waren die Erzbischöfe verpflichtet, sich das Pallium vom Papst zu erbitten; erst danach durften sie ihr Hirtenamt als Metropolitanbischöfe ausüben.

Pallium auf einem Samtkissen / © Ralf Adloff (KNA)
Pallium auf einem Samtkissen / © Ralf Adloff ( KNA )
Quelle:
DR