DOMRADIO.DE: Wird eigentlich auch im Vatikan mal gestreikt?
Ulrich Nersinger (Vatikanjournalist und Buchautor): Offiziell natürlich nicht, denn wir haben im Vatikan ja die letzte absolute Monarchie Europas und da ist eigentlich kein Streikrecht vorgesehen. Aber trotzdem hat es so etwas in der Vergangenheit gegeben - und zwar vor allem in den 1960er- und 70er-Jahren.
DOMRADIO.DE: Was war da passiert?
Nersinger: Da gab es einige Unstimmigkeiten wegen der Gehälter. Angestellte des Vatikan waren der Ansicht gewesen, dass ihre Gehälter doch einmal den Ansprüchen der Zeit angepasst werden müssten. Das geschah aber nicht. So kam es dann zu einer kleinen Reihe sozialer Unruhen.
Viele der Angestellten waren unterbezahlt und forderten zu Recht eine finanzielle Besserstellung. Dementsprechend gab es dann etwa einen halbstündigen Warnstreik in der Druckerei der Vatikanzeitung L'Osservatore Romano, dem sich dann auch einige Redakteure anschlossen.
Im September streikten auch ihre Kollegen von der Tipografia Poliglotta Vaticana, der Vatikanischen Druckerei, drei Stunden lang.
Der außergewöhnlichste Fall war wohl jener der Päpstlichen Musikkapelle. Auch die wollte höhere Gehälter und drohte dann bei einem Staatsempfang oder bei einem Staatsbesuch, die Internationale zu intonieren.
DOMRADIO.DE: Es kam auch zu Streiks der Päpstlichen Gendarmerie. Wie sehr ging das damals zur Sache?
Nersinger: Zu den Reformplänen von Paul VI. gehörten notwendige Verbesserungen unter anderem bei den Päpstlichen Garden. Aber seltsamerweise betraf das nicht die Besoldung der Gendarmen. Deshalb gab es dann einiges an Unruhe.
Zwar versuchten auch Geistliche, sich für die Gendarmen einzusetzen, zum Beispiel der Gendarmerie-Kaplan. Der wurde dann aber versetzt. Seitens des Vatikan zeigte man sich dann also doch eher uneinsichtig.
Schließlich hat man sich dazu entschieden, den Gendarmen mit einer Gratifikation zu vertrösten, sodass sie mal einen Ausflug machen können. Das hat die Päpstliche Gendarmerie natürlich nur umso mehr empört.
Schlussendlich hat sie dann sogar mit einem Protestmarsch zur Sommerresidenz des Papstes, also auf Castel Gandolfo, gedroht.
DOMRADIO.DE: Wie ist das dann ausgegangen?
Nersinger: Es ist natürlich wie das Hornberger Schießen ausgegangen. Man hat es verhindern können. Die italienischen Medien hatten sich immerhin sehr amüsiert, weil der damalige Kommandant der Gendarmen den etwas martialischen Vornamen Spartaco trug, wie Spartacus im alten Rom.
Aber das konnte alles glücklicherweise abgewendet werden, weil es für den Vatikan natürlich auch eine Sicherheitsfrage war.
DOMRADIO.DE: In Deutschland ist es ja so, dass Kirchenmitarbeiter nicht streiken dürfen. Wie ist das im Vatikan?
Nersinger: Eigentlich auch so – es gibt zwar mittlerweile eine Gewerkschaft, aber man kann sich vorstellen, dass der Spielraum einer Gewerkschaft in einem Staat, der nicht demokratisch ausgerichtet ist, doch sehr begrenzt ist.
Vor allen Dingen zeigt sich: Die Päpste haben seit Leo XIII. eine große Anzahl von Sozialenzykliken erlassen und immer wieder eine soziale und gerechte Bezahlung von Arbeitern eingefordert. Das war im Vatikan selbst dann aber wiederum nicht immer so.
Da haben wir auch heute noch einige Probleme: Es gibt zum Beispiel in vielen Bereichen einen sogenannten Beförderungsstau. Wenn jetzt Mitarbeiter des Vatikans anfangen würden zu streiken, würde das für die Beteiligten wohl eher nicht gut ausgehen.
Das Interview führte Carsten Döpp.