Käßmann kritisiert Versäumnisse bei Missbrauchs-Aufarbeitung

"Wir sind nicht die bessere Kirche"

Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, kritisiert, dass viele evangelische Landeskirchen nicht alle nötigen Akten für die Missbrauchsstudie ausgewertet haben. Das müsse nachgeholt werden.

Margot Käßmann / © Meiko Herrmann (KNA)
Margot Käßmann / © Meiko Herrmann ( KNA )

Es sei für sie unverständlich und nicht nachvollziehbar, dass fast alle Landeskirchen nur die Disziplinarakten und nicht auch die Personalakten überprüft hätten, sagte die frühere Hannoveraner Landesbischöfin am Freitag im Deutschlandfunk.

Käßmann fordert Machtstrukturen zu hinterfragen 

Käßmann forderte die evangelische Kirche auf, bei der Aufarbeitung von Missbrauch klare Strukturen zu schaffen und auch die Machtstrukturen zu hinterfragen. Auch müsse es eine Ombudsstelle außerhalb der Kirche geben, an die Betroffene sich wenden könnten.

Käßmann: "Wir sind nicht die bessere Kirche"

Die Theologin zeigte sich erschüttert über aus Ausmaß des Missbrauchs in der Kirche, aber auch über die Vertuschung und den Umgang mit den Betroffenen. Sie habe immer gedacht, dass ihre Generation anders mit Missbrauch umgegangen und offen dagegen vorgegangen wäre. "Das stimmt nicht", räumte sie ein. Das Vertuschen sei weiter gegangen. Mit Blick auf die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche sagte Käßmann: "Wir sind nicht die bessere Kirche." 

Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche

Die Zahl der Missbrauchsopfer in der evangelischen Kirche und Diakonie ist viel höher als bislang angenommen. Laut einer Studie sind seit 1946 in Deutschland nach einer Hochrechnung 9.355 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden. Die Zahl der Beschuldigten liegt bei 3.497. Rund ein Drittel davon seien Pfarrpersonen, also Pfarrer oder Vikare. Bislang ging die evangelische Kirche von rund 900 Missbrauchsopfern aus. Die Forum-Studie wurde von einem unabhängigen Forscherteam erarbeitet und in Hannover veröffentlicht.

Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr (dpa)
Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr ( dpa )


 

Quelle:
KNA