In Polen sorgt die eigene Rücktrittsbegründung des Stettiner Erzbischofs Andrzej Dziega für Unmut.
In einem Brief an die Priester seines Erzbistums im Nordwesten Polens erklärte der 71-Jährige am Wochenende, im vergangenen halben Jahr habe sich sein Gesundheitszustand stark verschlechtert: "Daher wurde mir im Herbst klar, dass für mich die Zeit gekommen ist, mein Amt niederzulegen."
Eine Untersuchung durch den Apostolischen Stuhl
Die Papstbotschaft in Warschau betonte darauf am Montag, dass Dziegas Amtsverzicht mit einer Untersuchung des Apostolischen Stuhls bezüglich der Verwaltung der Diözese zusammenhänge. Dabei sei es besonders um Nachlässigkeiten gegangen, von denen im päpstlichen Erlass "Vos estis lux mundi" die Rede sei.
Die Botschaft meint damit offensichtlich Versäumnisse im Umgang mit Fällen von sexuellen Übergriffen durch Geistliche auf Kinder und Jugendliche. Die nur einen Satz lange Mitteilung macht dazu allerdings keine genauen Angaben. Am Samstag hatten der Vatikan und seine Botschaft in Polen mitgeteilt, dass Papst Franziskus Dziegas Amtsverzicht angenommen hat.
Gründe wurden in dem Kommunique nicht genannt. Mit 71 Jahren hat Dziega die übliche Altersgrenze für Bischofsrücktritte von 75 Jahren noch nicht erreicht.
Mehrere polnische Weihbischöfe äußerten öffentlich ihr Unverständnis darüber, dass der Stettiner Erzbischof seinen Rücktritt mit seinem Gesundheitszustand erklärte. Weihbischof Artur Wazny aus dem südpolnischen Tarnow schrieb auf Facebook: "Mir fehlen die Worte. Eine Verlegenheit aus einer Mischung aus Wut, Ärger und Scham."
Auf die "schlimmste kirchliche Art" zurückgetreten
Der Chefredakteur der katholischen Zeitschrift "Wiez", Zbigniew Nosowski, warf Dziega vor, auf die "schlimmste kirchliche Art" zurückgetreten zu sein: "ohne Wahrheit, ohne Schuldfestlegung, ohne Hinweis auf Verantwortung, ohne Strafe, ohne Klarheit, ohne Ehrlichkeit, ohne jegliche Information über das Ergebnis der gegen ihn geführten kanonischen Verfahren".
So werde die kirchliche Rechenschaftspflicht zur "Farce und Karikatur ihrer selbst". Die so genannte "Dziega-Mentalität" zeige sich noch immer im Handeln vieler Bischöfe und Priester, so Nosowski.
Ab Ende 2020 machten Vertuschungsvorwürfe gegen Bischöfe in Polen Schlagzeilen. Die Kirchenmänner sollen sexuellen Kindesmissbrauch durch Geistliche unter der Decke gehalten haben. Der Vatikan verhängte 2021 gegen so viele Bischöfe in Polen Disziplinarstrafen wegen Pflichtvernachlässigung in Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen wie in keinem anderen Land.
Etwa zehn zumeist emeritierte Bischöfe mussten Beträge an eine Kirchenstiftung zahlen, die Präventionsmaßnahmen gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen unterstützt. Zudem dürfen die meisten bestraften Bischöfe entweder in ihren früheren Diözesen oder überhaupt an keinen öffentlichen Gottesdiensten mehr teilnehmen.
Vor allem der Fall eines Priesters aus dem westpolnischen Erzbistum Stettin-Cammin (Szczecin-Kamien) sorgte für Empörung. Dieser soll Anfang der 1990er Jahre vier Jungen eines Erziehungsheims missbraucht haben. Seit 1995 habe die Kirche davon gewusst, aber nichts gegen ihn unternommen, so der Vorwurf. Der Beschuldigte starb Anfang 2021 nach einer Krebserkrankung im Alter von 58 Jahren.