Wie kann Kirche Künstliche Intelligenz sinnvoll einsetzen?

"ChatGPT muss jeder mal probiert haben"

Wie Künstliche Intelligenz die Kirche verändern wird, ist an diesem Wochenende Thema in der Katholischen Akademie Bayern. Referent Stefan Lesting sieht in der Technologie großes Potential und rät Pfarrgemeinden, es auszuprobieren.

Künstliche Intelligenz (KI) - ChatGPT / © Kaspars Grinvalds (shutterstock)
Künstliche Intelligenz (KI) - ChatGPT / © Kaspars Grinvalds ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Bei der Konferenz "Die KI – Deus Ex Machina?" geht es darum, wie Künstliche Intelligenz, also KI, die Kirche verändern wird. Tatsächlich haben gerade in der Kirche viele Angst, dass mit der neuen Technologie ein Kontrollverlust einhergeht. Was sagen Sie zu solchen Befürchtungen?

Stefan Lesting (DR)
Stefan Lesting / ( DR )

Stefan Lesting (katholischer Medienexperte, Vorsitzender des Katholischen Hub für Innovation und Medien e.V.): Das hängt immer noch damit zusammen, wie man als Mensch damit umgeht. Die Technik ist nicht aufzuhalten. Sie ist sehr weit und wird jeden Tag besser.

Auf der anderen Seite muss man natürlich darüber diskutieren, wie weit wir eigentlich gehen. In meinem Team, in dem auch Softwareentwickler KI einsetzen, müssen auch sie Grenzen ziehen. 

"Bis dahin gehen wir" oder "Da möchten wir lieber eine Schleife mehr drehen", heißt es dann. Da ist das Mittelmaß gefragt. Grundsätzlich aufzuhalten ist die Künstliche Intelligenz nicht und sie ist eine Bereicherung in vielen Bereichen.

Stefan Lesting

"Die Technik ist nicht aufzuhalten. Sie ist sehr weit und wird jeden Tag besser. "

DOMRADIO.DE: Wo kann man denn in der Kirche KI gut einsetzen?

Lesting: Zuerst bei der Vereinfachung von Sprache. Kirche ist sprachlich komplex und viele Menschen verstehen das nicht mehr. 

Da könnte man zum Beispiel zu ChatGPT sagen: "Prüfe, ob man diese Formulierung einfacher sagen kann oder für mehr Menschen besser verständlich sagen kann." Da ist es jetzt schon super einsetzbar.

DOMRADIO.DE: Könnte ein konkretes Beispiel auch ein verwaistes Pfarrbüro sein, in dem man niemanden erreicht? 

Lesting: Ja, und das sogar in zwei Bereichen. Zum einen digital als Chatbot, der Aufgaben als Assistent erledigen kann. Wenn ich etwa die Taufbescheinigung erbitte, um zu heiraten oder eine Taufanmeldung machen möchte, könnte die KI vielleicht im Dialog mit der Person sagen, welche Unterlagen man braucht.

Die zweite Sache funktioniert auch schon relativ gut. Man kann die KI nutzen, um Text in Sprache umzuformen. Denn wir haben eine KI, die Texte generieren und Anweisungen geben kann und wir haben eine KI, die Sprache synthetisch herstellen kann.

Das heißt, man könnte auch die Hotline ersetzen, die nicht nur die Chat-Eingabe übernimmt, sondern auch die Spracheingabe.

DOMRADIO.DE: Wo wären denn Grenzen für die Künstliche Intelligenz gesetzt? 

Symbolbild Künstliche Intelligenz / © Ryzhi (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz / © Ryzhi ( shutterstock )

Lesting: Das ist eine sehr persönliche Frage. Das können Ethiker besser beurteilen. Wenn Menschenleben in Gefahr ist oder durch KI in Gefahr gerät, wären das schon rote Linien. 

Es wird aber immer jemanden geben, der das trotzdem machen wird. Es gibt neben Gutmenschen auch Menschen, die nichts Gutes im Sinn haben.

Da muss man sehen, wie man es austarieren kann, ob die UN oder eine andere Stelle das macht. Das wird eine sehr weite Debatte werden, denn KI kennt keine Grenzen.

DOMRADIO.DE: Und wo ist die KI im kirchlichen Alltag nicht zu gebrauchen?

Stefan Lesting

"Sonst gibt es viele Einsatzmöglichkeiten, zum Beispiel eine KI-gesteuerte Figur, die als Engel fungiert, wo ich meine Bitten zu jeder Zeit vortragen kann."

Lesting: Ehrlich gesagt fällt mir kein Bereich ein, wo das nicht irgendwie gehen kann. Höchstens da, wo die Gottesbegegnung stattfindet oder wo Menschen mit Menschen in Kontakt sind. Sonst gibt es viele Einsatzmöglichkeiten, zum Beispiel eine KI-gesteuerte Figur, die als Engel fungiert, wo ich meine Bitten zu jeder Zeit vortragen kann.

Ich glaube, das ist denkbar. Da könnte die Antwort kommen: "Ja, ich habe dein Gebet erhört und gebe das zum Beispiel weiter an Ordensbrüder oder Ordensschwestern, die das dann wirklich beten". Da gibt es perspektivisch wenig Grenzen.

Da müsste man noch mal überlegen und diskutieren, wo der Mehrwert ist. Bei einer kirchlichen Hochzeit wollen Leute zusammenkommen und miteinander feiern. Das ist nicht zu ersetzen. Aber ob das Liederheft dafür durch die KI erstellt wird, ist zweitrangig. Viele Sachen werden Hand in Hand gehen müssen.

DOMRADIO.DE: Sie sind also überzeugt, dass die Kirche sich KI auf vielfältige Weise nutzbar machen kann. Wo sehen Sie denn eine mögliche Gefahr?

Lesting: Eine Gefahr von KI für Kirche ist, an diesem Thema nicht dranzubleiben und das nicht zu verstehen, keine Ansätze zu entwickeln, um KI sinnvoll einzusetzen. Es braucht Wissensaufbau, aber es braucht auch praktische Erfahrung.

Das heißt, ChatGPT muss jeder mal probiert haben, gerade um zu verstehen, ob einem das hilft und zu schauen, wo die eigenen Grenzen sind. Das muss man in zwei, drei Monaten wieder machen, weil die Entwicklung so rasant ist.

Die Gefahr ist eigentlich der Stillstand und die Unreflektiertheit.

Das Interview führte Tim Helssen.

Was ist Künstliche Intelligenz?

Der Begriff Künstliche Intelligenz (KI) wurde vor mehr als 60 Jahren geprägt durch den US-Informatiker John McCarthy. Er stellte einen Antrag für ein Forschungsprojekt zu Maschinen, die Schach spielten, mathematische Probleme lösten und selbstständig lernten. Im Sommer 1956 stellte er seine Erkenntnisse anderen Wissenschaftlern vor. Der britische Mathematiker Alan Turing hatte sechs Jahre zuvor bereits den "Turing Test" entwickelt, der bestimmen kann, ob das Gegenüber ein Mensch ist oder eine Maschine, die sich als Mensch ausgibt.

Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser ( shutterstock )
Quelle:
DR