Moritz Herzwurm öffnet die Tür zu dem kleinen Zimmer: Blau-weiße Möbel sind dort so eingebaut, dass alles verwinkelt und über Eck in die zwölf Quadratmeter passt, was er zum Wohnen braucht: Ein Schreibtisch, ein Schrank, Regale, die er mit Büchern vollgestellt hat und ganz oben ist auch noch Platz für einen Staubsauger.
Moritz bewohnt das Haus für Azubi- und Jugendwohnen des deutschen Kolpingwerkes. Der 23Jährige macht in Köln eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement. Anfangs wohnte er zunächst bei seinen Eltern in der Eifel und pendelte jeden Tag. Denn mit einem schmalen Ausbildungsgehalt auf dem Kölner Wohnungsmarkt eine bezahlbare Wohnung oder ein günstiges Zimmer zu finden, ist fast unmöglich. "Mehrere Stunden war ich am Tag unterwegs", erinnert er sich. Nach dem Ahrhochwasser 2021, das auch Teile der Bahntrasse zerstörte, wurde das Pendeln für ihn fast unmöglich.
Der junge Mann hatte Glück, denn er bekam einen der begehrten Plätze in dem Kolpinghaus. 300 Euro Miete zahlt er dafür im Monat. Für ein Zimmer mitten im beliebten Kölner Stadtteil Ehrenfeld ist das günstig, denn 400 Euro und mehr für ein WG-Zimmer sind in Köln mittlerweile ein üblicher Preis.
Angebot für alle in Ausbildung
70 Betten gibt es in dem Haus, in dem überwiegend Azubis wohnen. Aber auch Jugendliche, die ihren Schulabschluss machen und nicht in ihrer Familie bleiben können; Auszubildende, die für ein paar Wochen im Jahr Blockunterricht in Köln haben und zunehmend auch junge Menschen, die für eine Ausbildung aus dem außereuropäischen Ausland angeworben wurden.
Das Haus stehe allen zwischen 16 und 27 Jahren offen, erklärt Bert Haushalter, Pädagogischer Leiter des Hauses. Man dürfe nur noch keine Ausbildung abgeschlossen haben.
250-300 Euro Eigenanteil zahlen die Bewohnenden im Durchschnitt für ein solches Zimmer. Die Höhe hängt vom Verdienst bei der Ausbildungsstelle und den finanziellen Möglichkeiten im Elternhaus ab. Die realen Kosten für einen Platz im Jugendwohnen seien natürlich deutlich höher, erklärt Haushalter. Finanzierbar sei das nur über Zuschüsse, etwa von der Berufsbildungsbeihilfe, Geldern des Landes und der Jugendhilfe.
Sozialpädagogische Begleitung
Das Kolping Azubi- und Jugendwohnen ist Teil der Initiative "Auswärts zu Hause", einem Netzwerk mit 90 Einrichtungen bundesweit. Eine Besonderheit ist die sozialpädagogische Begleitung, die es in jedem der Häuser gibt.
Das unterscheide sie von Studierendenwohnheimen, sagt Alissa Schreiber, Fachreferentin für Jugendwohnen beim Verband der Kolpinghäuser e.V.: "Das Jugend- und Azubiwohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Es geht darum, eine Struktur zu schaffen, junge Menschen zu stabilisieren und Gemeinschaft und Solidarität anzubieten. Das ist das Herzstück des Jugendwohnens. Die meisten jungen Menschen, die in diesen Häusern wohnen, haben kein gut gefülltes Portemonnaie und sind auf günstigen Wohnraum angewiesen."
Sozialpädagogische Begleitung bedeute, dass immer jemand da sei bei Krisen jeglicher Art, ergänzt Bert Haushalter. Das fange gelegentlich beim Kochen an, sagt er augenzwinkernd: "Das sind dann eher die kleinen Krisen. Bis hin zu großen Problemen wie Verschuldung, Stress auf der Arbeit oder Sucht." Immer stehe den jungen Menschen jemand zur Seite.
Lange Tradition
Im Kolpinghaus macht man das auch aus einer christlichen Tradition heraus. Ende des 19. Jahrhunderts gründete der Arbeiterpriester Adolph Kolping den ersten katholische Gesellenverein, um Handwerkern auf Wanderschaft soziale Unterstützung und Bildung fernab der Heimat zu bieten. Heute stünden die Kolpinghäuser natürlich allen offen, betont Schreiber, egal welcher Herkunft und Religion. "Aber der Gedanke wird bis heute in unseren Häusern weitergetragen, weil bei uns Werte wie Gemeinschaft gelebt werden. Es geht um Stabilität und darum, sich gegenseitig zu unterstützen, wenn es mal nicht so gut läuft."
Ein Geheimtipp ist Jugend- und Azubiwohnen allerdings schon lange nicht mehr. Mehrere hundert Bewerbungen erreichen allein das Haus in Köln-Ehrenfeld jedes Jahr, die Nachfrage übersteigt bei Weitem das Angebot. In Köln betreibt das Kolpingwerk drei solcher Häuser, bundesweit sind es 35. Und locker könne man in Köln noch ein weiteres Haus voll belegen, sagt Alissa Schreiber. Allein: es fehlt an Platz und Geld.
Komplizierte Förderung
Zwar gibt es aktuell das Programm "Junges Wohnen" des Bundesbauministeriums, das Studi- und Azubiwohnen fördern soll. Doch in vielen Bundesländern seien die Förderrichtlinien so gestaltet, dass Häuser wie das Kolpinghaus diese mit ihren Angeboten nicht nutzen können, weder für Sanierungen noch für Neubau, weil diese sich nur an Einrichtungen für duale Auszubildende richteten, beklagt Schreiber. Die aktuellen Förderrichtlichtlinien trügen der heterogenen Struktur des Jugendwohnens und der Vielfalt von Ausbildungsformen in Deutschland nicht Rechnung.
Dabei sei die heterogene Belegung der Häuser gewollt, so die Fachreferentin, weil sie junge Menschen aus unterschiedlichen Kontexten zusammenbringe und inklusiv sei. Das werde auch von allen Seiten gelobt und gewürdigt, aber sobald es an politische Prozesse gehe, mache das die Sache kompliziert: "Da nämlich die Politik gerade auf Bundesebene sehr starr in bestimmten Säulen denkt: Kinder- und Jugendhilfe, dann die Ausbildungsförderung, dann Bauen und Investitionskostenförderung. Und das wird selten zusammen gedacht."
Für Moritz Herzwurm geht die Zeit im Ehrenfelder Kolpinghaus bald zu Ende, er bereitet sich gerade auf seine Abschlussprüfungen vor. Im Sommer wird er seine Ausbildung beenden, dann muss er auch das Kolpinghaus verlassen. Aber er ist zuversichtlich, einen Job in Köln und dann auch eine eigene Wohnung zu finden. Und er sicher: Der Kontakt zu seinen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern, mit denen er zwei Jahre so vieles geteilt hat, wird bestehen bleiben. "Wir haben so lange zusammengewohnt", sagt er, "das ist schon eine eingeschworene Gemeinschaft!"