Es war der Montag in der Karwoche, als die Glocken von St. Mariä Himmelfahrt, der Kirche direkt neben dem Kölner Hauptbahnhof, mittags um 12 Uhr ihr festliches Geläut begannen. Doch es gab an diesem Tag nichts Hochfestliches zu feiern. Die Verkündigung des Herrn, die normalerweise am 25. März vorgesehen und nach deren Datum der Läuteautomat in jährlicher Wiederholung programmiert ist, fiel an diesem Tag aus. Nach acht Minuten wurden schließlich auch die Glocken händisch abgestellt und das Geläut verstummte.
Klare Hierarchie der Anlässe
Der liturgische Kalender kennt eine klare Hierarchie der Anlässe. Es gibt Gedenktage gebotener und nicht gebotener Art. Es gibt Feste, Sonntage und Hochfeste. Fallen zwei Anlässe zusammen, hat der ranghöhere Vorfahrt und der rangniedrigere fällt entweder aus oder wird verschoben. In diesem Fall ist es das Hochfest der Verkündigung des Herrn, das – ähnlich wie das des heiligen Josef – in den allermeisten Fällen in die Österliche Bußzeit fällt. Hier haben die Sonntage aufgrund ihrer Prägung einen höheren Rang als die Hochfeste. Und gegen die Karwoche und die Osteroktav ist jeder andere liturgische Anlass völlig chancenlos. Denn Ostern ist das höchste Fest der Christenheit.
Da aber nun mit Karwoche und Osteroktav, denen nichts vorzuziehen ist, ganze zwei Wochen vergehen, bleibt als nächstmöglicher Termin für die nachgeholte Feier der Verkündigung des Herrn nur der Montag nach dem Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit oder Weißen Sonntag. Bis Weihnachten sind es nun keine neun Monate mehr und so mancher in liturgischen Fragen Bewanderte sagt mit einem Augenzwinkern, dass es dann eben zu Weihnachten eine Frühgeburt gibt. Denn das Weihnachtsfest wird nicht verlegt.
Hauptfest in der orthodoxen Kirche
Das Hochfest Verkündigung des Herrn wurde bereits im 6. Jahrhundert in Konstantinopel gefeiert und ist seit dem 7. Jahrhundert auch in Rom belegt. Während es in den Kirchen der Orthodoxie zu den zwölf Hauptfesten zählt, erhielt es in der Westkirche erst mit der Erneuerung der Liturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil den Rang eines Hochfestes. Auch wurde mit der Namensänderung von "Mariä Verkündigung" zu "Verkündigung des Herrn" der inhaltliche Schwerpunkt verlegt.
Es ist die im Lukasevangelium beschriebene Szene, in der der Erzengel Gabriel bei Maria eintritt und ihr ankündigt, dass sie von Gott auserwählt worden ist, Gottesgebärerin zu sein. Daraus entwickelt hat sich das Gebet des "Engel des Herrn", das weltweit Christen mehrmals am Tag zum Läuten der Glocken verrichten. Als liturgische Besonderheit hat sich an diesem Hochfest erhalten, dass nur hier und an Weihnachten beim Glaubensbekenntnis in der Heiligen Messe bei den Worten "hat Fleisch angenommen" niedergekniet wird, während an allen anderen Sonntagen und Hochfesten seit der Liturgiereform eine Verneigung vorgesehen ist.