DOMRADIO.DE: Sahen die Schweizergardisten von Anfang an so auffällig aus?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): Nein, sie sahen ähnlich aus, aber nicht so, wie wir sie heute kennen. Wenn man die Literatur nimmt und über die Schweizergarde etwas liest oder in Rom als Tourist an einer Führung teilnimmt, dann bekommt man immer wieder gesagt, die Uniformen seien von Michelangelo oder von Raffael entworfen worden. Das stimmt natürlich nicht.
DOMRADIO.DE: Woher stammen die Uniformen denn?
Nersinger: Diese Uniformen sind schon an die Landsknecht-Tracht der damaligen Zeit angepasst worden, bzw. sie erinnern daran. Sie sind aber im Jahre 1914 vom damaligen Kommandanten der Schweizergarde, Jules Repond geschaffen worden.
DOMRADIO.DE: So eine Uniform der Schweizergarde besteht aus vielen Teilen. Warum sehen sie ganz anders aus, als normale Soldaten oder Polizisten? Denn eigentlich ist es ja nur Wachpersonal.
Nersinger: Weil man doch eine Tradition wahren möchte. Man möchte aufzeigen, dass man die älteste noch existierende Armee der Welt ist und will auch an die Ursprünge erinnern.
Die sind auch für kommenden Montag sehr wichtig, weil sie zeigen, dass wir eine Truppe haben, die wirklich ihr Leben für den Papst hingegeben hat. Das soll anhand der Uniform erkennbar sein.
DOMRADIO.DE: Sie haben schon den kommenden Montag angesprochen, der 6. Mai ist nämlich ein besonderer Tag in der Geschichte der Schweizergarde.
Nersinger: Genau, das war die erste große Bewährungsprobe. Das war zu einer Zeit, in welcher der Papst mit dem römisch-deutschen Kaiser im Clinch lag. Landsknecht-Truppen aus Deutschland und Spanien haben sich damals auf Rom hinbewegt und die Stadt mordend und plündernd durchzogen.
Und die Schweizergarde hat es damals dem Papst ermöglicht, in die Engelsburg zu fliehen – und zwar unter einem sehr hohen Blutzoll.
DOMRADIO.DE: Es waren etwa drei Viertel der Gardisten, die damals ums Leben gekommen sind.
Nersinger: Wir haben Berichte darüber. Es war sehr blutig, man kann sich das kaum vorstellen. Ehrlich gesagt kenne ich Leute, die sich die Berichte mal durchgelesen haben und denen wirklich schlecht geworden ist, bei der brutalen Art und Weise, wie diese Soldaten buchstäblich abgeschlachtet wurden.
DOMRADIO.DE: Bei der Ausrüstung der Schweizergardisten ist unglaublich viel dabei. Ich habe gehört, dass ein Helm der Schweizergarde zum einen sehr teuer ist und zum anderen kann man ihn mittlerweile auch im 3D-Drucker herstellen?
Nersinger: Ja, die Möglichkeit mit 3D-Druckern hat man erwogen und schon durchgeführt, weil diese Helme erst einmal sehr schwer sind und die neuen Versionen sind viel leichter. Es gibt Berichte, dass Verletzungen aufgetreten sind, wenn man sehr lange mit diesem Helm draußen stand, gerade im Sommer.
Dann ist man mal auf die Idee gekommen, sich auch mal mit 3D-Druckern zu beschäftigen. Daraufhin wurde tatsächlich etwas geschaffen, was den Gardisten eine große Hilfe ist.
DOMRADIO.DE: Wenn das Ganze schon so modern wird, kann man sich mittlerweile in irgendeiner Form als Sponsor an so einer Ausrüstung beteiligen?
Nersinger: Ja, und das geschieht immer wieder. Es gibt auch die Vereinigung der ehemaligen Schweizergardisten und die haben schon Projekte ins Leben gerufen, die das machen, weil ihre Uniform natürlich auch von der Anzahl der Bestandteile eine Ausnahme ist.
Ich kenne keine Uniformen der Welt, die aus 154 Einzelstücken besteht. Hinzu kommen dann noch die Knöpfe und noch einiges andere an Utensilien. Das ist natürlich schon im Großen eine kostspielige Angelegenheit und auch für den Schneider keine einfache Arbeit.
DOMRADIO.DE: Bei 154 Teilen haben Sie eine Ahnung, was hinterher an Kosten für eine Uniform für einen Soldaten zusammenkommt?
Nersinger: Das kann ich Ihnen momentan leider nicht sagen, aber es ist schon eine beträchtliche Summe. Wenn ein Gardist in den Ruhestand geht, hat er nach einer gewissen Zeit das Recht, die Winteruniform mit nach Hause zu nehmen. Es gibt ein sehr strenges Reglement, das besagt, dass die Ex-Gardisten diese Uniformen mitnehmen können.
Sie können dann auch bei bestimmten Anlässen in der Schweiz die Uniform tragen. Aber es ist ganz stark reglementiert und diese Uniformen muss entweder, wenn der Betreffende stirbt, zurückgegeben werden, oder er kann damit beerdigt werden.
Es gelten auch sehr krasse Vorschriften, die verbieten, dass diese Uniform verkauft wird. Das geschieht leider immer wieder mal, aber das ist eher die Ausnahme.
DOMRADIO.DE: Wenn man Glück hat, kann man also auf eBay eine finden, aber dann ist man im Vatikan wahrscheinlich nicht gut gesehen.
Nersinger: Sie finden tatsächlich immer wieder welche bei eBay und auf anderen Portalen. Man muss aber immer schauen, ob das eine echte Uniform ist. Es gibt dazu eine sehr hübsche Geschichte, als im Jahre 2009 der berühmte Film "Illuminati" nach dem Buch von Dan Brown herauskam.
Als in einem römischen Kino der Film uraufgeführt wurde, sah man auf einmal ein Spalier von Schweizergardisten in der Galauniform vor dem Kino. Viele kamen da hingelaufen und haben sich gefragt, ob der Papst vielleicht an der Uraufführung teilnimmt oder was da passiert.
Es stellte sich aber heraus, dass dies ein Gag der Filmfirma war. Man hatte sich Uniformen besorgt, die leider nicht so ganz dem Original entsprachen, aber doch ganz gut aussahen. Es waren aber alles Statisten der Filmfirma.
Das Interview führte Bernd Hamer.