Warum biblische Vornamen nach wie vor beliebt sind

Überraschung bei den Mädchenvornamen

Jährlich veröffentlicht die Gesellschaft für Deutsche Sprache Listen der beliebtesten Vornamen. Wie christlich motiviert die Eltern bei der Namensgebung sind, haben wir den Vornamenforscher Knud Bielefeld gefragt.

Symbolbild Namen / © New Africa (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Waren Sie überrascht über die Reihenfolge: Noah, Matteo, Leon und Sophia, Emilia, Emma? 

Knud Bielefeld (Vornamenexperte und Diplomwirtschaftsinformatiker):

Überraschend fand ich Sophia auf Platz eins. Das hatte ich so nicht vorausgesehen. Aber die vorderen liegen wirklich sehr, sehr eng beieinander, so dass ich meine, es ist statistisch nicht so richtig aussagekräftig, ob der Name jetzt auf Platz eins, zwei oder drei ist. 

DOMRADIO.DE: Noah ist Platz eins bei den Jungen. Wissen wohl die Leute, die heute ihr Kind Noah nennen, wer das war? Oder klingt das einfach nur gut wie Oh! und Ah! beim Feuerwerk? 

Knud Bielefeld

"Es ist gar nicht unbedingt der religiöse Hintergrund."

Bielefeld: Die Arche Noah dürfte eine der bekanntesten Geschichten aus der Bibel sein und wahrscheinlich den meisten Menschen ein Begriff. Aber tatsächlich wurde der Name Noah populär, als vor über 20 Jahren der Tennisspieler Boris Becker seinen Sohn Noah genannt hat. Da ist der Name ins Gespräch gekommen und seitdem ist der Name immer, immer häufiger geworden und inzwischen auf Platz eins geklettert. Und es ist gar nicht unbedingt der religiöse Hintergrund dabei. 

DOMRADIO.DE: Das mit Herrn Becker ist 20 Jahre her. Schwappt so ein Name immer wie eine Welle mal hoch und runter und wieder hoch? 

Bielefeld: Welle ja, aber das sind Wellen, die Jahrzehnte brauchen. Das ist tatsächlich ganz normal, dass so ein Name wirklich zehn, 20, 30 Jahre braucht von der Neuentdeckung oder Wiederentdeckung, bis er auf Platz eins kommt. Und entsprechend lange wird das auch wahrscheinlich dauern, bis der Name wieder in der Versenkung verschwindet und kaum noch Babys so genannt werden. 

DOMRADIO.DE: Früher gab man den Kindern gerne bestimmte Namen von Heiligen oder Päpsten. War das wohl auch zum Schutz gedacht?

Knud Bielefeld

"Vom Pfarrer wurde eine Namenvergabe verboten, die man keinem Heiligen zuordnen konnte."

Bielefeld: Das denke ich schon. Vor allem in einem katholischen Umfeld war das sehr verbreitet. Teilweise habe ich mir sagen lassen, dass es wirklich vom örtlichen Pfarrer verboten wurde, einen Namen zu vergeben, den man keinem Heiligen zuordnen konnte. Und es wurde und wird wahrscheinlich immer noch in vielen Familien der Namenstag gefeiert. Das ist aber inzwischen ein bisschen zurückgegangen. 

DOMRADIO.DE: Kann es sein, dass in der säkularen Welt solche kirchlichen Namen bedeutungsloser werden? 

Bielefeld: Sicher, denn wenn weniger Menschen religiös sind, dann tritt auch die religiöse Bedeutung der Vornamen in den Hintergrund. Es werden immer noch sehr viele biblische Namen, religiöse Namen vergeben, aber oftmals ist den Eltern das gar nicht bewusst. 

DOMRADIO.DE: Sie stellen auf Ihrer Homepage auch seltene Namen vor, Menschen können Ihnen schreiben, weshalb sie ihren Vornamen tragen. Salome lese ich da, schreibt, dass ihr Vater unbedingt aus einem biblischen Zusammenhang ihren Namen wollte. Sind das Ihrer Erfahrung nach Ausnahmen? 

Bielefeld: Dass Eltern mir schreiben, dass sie wirklich auf die Bibel zurückgreifen, höre ich selten. Trotzdem kommen gerade immer mehr alttestamentliche Namen in den neuen Statistiken vor. Das liegt aber auch oft gar nicht dran, dass die Eltern religiös sind. Es ist nur so: In den USA sind solche Namen schon viel länger verbreitet und sehr beliebt. 

Darum heißen natürlich auch viele bekannte Schauspieler so, oder Musiker. Und auch für Rollen in Filmen und Fernsehserien werden diese Namen benutzt, da schnappen dann viele Eltern diesen Namen auf. Die denken gar nicht daran, dass das jetzt biblische Namen sind. Die kennen das von ihren Vorbildern aus der Popkultur, und darum nennen sie ihre Kinder so.

DOMRADIO.DE: Haben Vornamen eine Bedeutung für das Leben des Menschen, der diesen Namen trägt? Beispielsweise Felix der Glückliche? 

Knud Bielefeld

"Viele Eltern achten darauf, dass der Name eine schöne Bedeutung hat."

Bielefeld: Ja, viele Namen haben ja eine Wortbedeutung und das interessiert auch immer mehr Eltern. Heutzutage achten viele Eltern bei der Namenswahl darauf, dass der Name auch eine schöne Bedeutung hat. Aber das ist auch ein relativ neues Phänomen. Das gibt es eigentlich so breit erst, seitdem wir Vornamen Lexika im Internet haben. Davor war es mühsamer, überhaupt an eine Bedeutung zu kommen. 

Da musste man sich dann ein Buch kaufen, wo man das nachschlagen konnte - und der Weg in die Stadtbibliothek war natürlich auch mühsam. Das haben die wenigsten Eltern gemacht. Vor 50 Jahren wussten viele gar nicht, dass es so was wie eine Namensbedeutung gibt. Da haben die Eltern die Namen einfach nach anderen Kriterien ausgesucht. 

DOMRADIO.DE: Herr Bielefeld, die Marie ist verschwunden von der Liste der zehn beliebtesten Mädchenvornamen. Wo ist sie hin? 

Bielefeld: Ja, ich glaube auch Platz elf oder zwölf. Also ganz verschwunden ist sie sicher nicht und die Namen liegen ja auf den vorderen Plätzen auch eng beieinander. Also so richtig abgeschlagen ist der Name nicht. 

Nicht zu vergessen: diese Statistik bezieht sich auf die ersten Vornamen. Und bei den zweiten Vornamen, da ist Marie nach wie vor ganz vorne. Also Sophie und Marie sind wirklich sehr, sehr häufige zweite Vornamen bei Mädchen - und da werden wir noch lange unsere Freude an Marie haben. 

DOMRADIO.DE: Und als Zweitname kann Maria für Jungs und Mädchen gelten. Noah kann auch beides sein! 

Bielefeld: Und auch nur dann üblicherweise Noa geschrieben ohne H am Ende. Das kann dann auch ein weiblicher Vorname sein.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR