Fachverband fordert weitreichende Änderungen im Pflegesystem

"Man braucht einen Masterplan"

Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege rügt die Regierung für ihren Beschluss, in dieser Legislatur keine Pflegereform mehr anzugehen. Geschäftsführer Wesemann sieht viele negative Folgen für Pflegebedürftige.

Autor/in:
Dirk Baas
Eine Pflegerin und eine Heimbewohnerin schauen zusammen aus einem Fenster im Wohnbereich des Pflegeheims / © Tom Weller (dpa)
Eine Pflegerin und eine Heimbewohnerin schauen zusammen aus einem Fenster im Wohnbereich des Pflegeheims / © Tom Weller ( dpa )

"Das ist skandalös. Wir müssen beginnen, das Thema anzupacken, wohl wissend, dass damit nicht sofort alle Probleme vom Tisch sind", sagte Geschäftsführer Wilfried Wesemann dem Evangelischen Pressedienst (epd). 

Wilfried Wesemann, Geschäftsführer Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP)  / ©  Christian Weische/Bethel (epd)
Wilfried Wesemann, Geschäftsführer Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) / © Christian Weische/Bethel ( epd )

Er forderte zudem finanzielle Sofortmaßnahmen des Bundes, denn die wirtschaftliche Lage in vielen Heimen sei dramatisch. Wesemann erklärte, die Bundesregierung vertage nicht nur unnötig umfassende Reformen in der Pflege. Sie kürze auch den Steuerzuschuss für die Pflegeversicherung um eine Milliarde Euro. 

"Ein Schritt in die völlig falsche Richtung"

"Das ist ein Schritt in die völlig falsche Richtung. Ziel sollte sein, mit dem Steuergeld die Pflegeversicherung langfristig finanziell auszutarieren. Daraus wird nun nichts. Die Lage für die Betroffenen wird sich verschärfen", sagte der Verbandschef. 

Bis die Lage erkennbar besser werde, würden nach einer Reform zwei bis drei Jahre vergehen: "Das hält das System aber nicht mehr aus."

"Dass die Vielzahl von Problemen in der Branche, über die Tag für Tag in den Medien berichtet wird, nicht so schnell wie möglich angepackt werden, ist alarmierend", sagte Wesemann. Keiner erwarte von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass er in den verbleibenden 15 Monaten eine grundlegende Reform hinbekomme. 

"So was dauert Jahre. Aber dass nicht begonnen wird, erste vorbereitende Schritte zu unternehmen, ist ein großer Fehler", sagte der Geschäftsführer.

Unzureichende Finanzierung durch die Pflegekassen

Es fehle zuhauf Personal, die Träger beklagten eine unzureichende Finanzierung durch die Pflegekassen, die Eigenanteile von Heimbewohnern kletterten ins Unbezahlbare und die daheim pflegenden Angehörigen bräuchten deutlich mehr Unterstützung. 

"Man braucht das, was ich einen Masterplan nenne". Die Politik müsse ein Konzept haben, wohin es mit der Pflegeversicherung künftig gehen soll. "Wir brauchen einen Pflegegipfel. Dort muss man die Reformen planen", betonte Wesemann.

In einem ersten Schritt müsse die Pflegeversicherung finanziell stabilisiert werden, das gehe nur über mehr Steuergelder. "Die einzige Alternative wäre sonst, die Beiträge zur Pflegeversicherung weiter zu erhöhen", was politisch unbedingt vermieden werden solle. 

Der Pflegeversicherung drohe ohne Finanzhilfen eine Schieflage mit vielen negativen Folgen für Pflegebedürftige, aber auch für die Träger in der Pflege: "Auch deshalb braucht es unbedingt Sofortmaßnahmen", sagte Wesemann.

Pflege-Forscherin: "Personalmangel wird immer gravierender"

Die Fachkräfte-Situation in der Pflege verschlechtert sich in Deutschland weiter. Das Beschäftigungswachstum in der Pflege falle seit Januar 2022 schwächer aus als im Durchschnitt aller Berufe, teilte die Bundesagentur zum Tag der Pflege (12. Mai) mit. Derzeit kommen demnach auf 100 freie Stellen nur 33 arbeitslose Pflegefachleute. Zuvor war - vor allem während der Corona-Pandemie - die Zahl der Beschäftigten in der Pflegeüberdurchschnittlich gestiegen.

Symbolbild Pflege / © Halfpoint (shutterstock)
Quelle:
epd