Katholischer Journalist analysiert Vatikanpapier zur Synode

Konturen einer neuen Kirchenverfassung

Die Lektüre des Arbeitspapiers einer anstehenden Synode ist eher selten spannend. Beim "Instrumentum laboris" der Weltsynode ist das anders. Das Papier enthält Ideen, die auf eine umfassende Kirchenreform hinauslaufen.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Papst Franziskus bei Beratungen während der Weltsynode am 23. Oktober 2023 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus bei Beratungen während der Weltsynode am 23. Oktober 2023 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Im Vatikan ist am Dienstag das Arbeitspapier zur finalen Runde der Weltsynode vorgestellt worden. Es enthält Vorschläge für eine veränderte Rechtsordnung und Funktionsweise der weltweiten katholischen Kirche und weist an einigen Punkten bereits über das Ende der Synode am 27. Oktober hinaus.

Wichtigstes Thema der Synodalversammlung im Oktober wird eine anders arbeitende Kirchenhierarchie sein. In ihr soll es künftig mehr Mitbestimmung, Transparenz und Rechenschaftspflicht geben. Sogar der Vatikan soll künftig Rechenschaft vor den Ortskirchen ablegen, und auch der Papst als Gesetzgeber soll sich künftig synodal beraten lassen.

Kardinal Jean-Claude Hollerich (l.), Erzbischof von Luxemburg und Generalrelator der Bischofssynode, und Kardinal Mario Grech (r.), Generalsekretär der Bischofssynode / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Jean-Claude Hollerich (l.), Erzbischof von Luxemburg und Generalrelator der Bischofssynode, und Kardinal Mario Grech (r.), Generalsekretär der Bischofssynode / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Das Papier, an dem sich die Debatten der Weltsynode in Rom im Oktober orientieren werden, stellten die Kardinäle Jean-Caude Hollerich (Luxemburg) und Mario Grech (Malta) vor. Der Titel lautet: "Wie wir eine synodale missionarische Kirche sein können". Fast alle Vorschläge in dem Text sind Ergebnisse und Weiterentwicklungen der Beratungen der ersten Synodalversammlung im Oktober 2023 oder basieren auf Anregungen, die aus den kontinentalen oder nationalen Bischofsversammlungen kamen.

Keine einsamen Entscheidungen mehr

In der künftigen "synodalen Kirche" soll es demnach keine einsamen Entscheidungen durch Pfarrer, Bischöfe und Papst mehr geben. Stattdessen sollen auf allen Ebenen synodale Beratungsstrukturen eingeführt werden, die mehr Mitberaten und Mitentscheiden ermöglichen und sich dennoch von einer Demokratie unterscheiden.

Die Mitwirkungsgremien sollen, anders als bisher im Kirchenrecht geregelt, nicht mehr eine "bloß beratende Stimme" haben. Zwar müsse die Letztentscheidung durch den Bischof gewahrt bleiben, doch sei diese Kompetenz an Bedingungen gebunden.

Weder müsse künftig der Bischof den Willen des Volkes ausführen, noch solle der Bischof die Gremien dazu benutzen, seine bereits getroffenen Entscheidungen bloß zu übermitteln. Ziel sei vielmehr eine "miteinander geteilte Entscheidung, die dem Heiligen Geist gehorcht", so der Text.

Mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht

Mehrfach fordert das Arbeitspapier die konsequente Durchsetzung von Transparenz und Rechenschaft in der Kirchenhierarchie. Diese sollen künftig nicht nur im Umgang mit Fällen von Missbrauch sowie im Finanzwesen gelten, sondern auch bei Pastoralplänen und bei den kirchlichen Arbeitsverhältnissen. Rechenschaft solle es künftig in zwei Richtungen geben: Auch die unteren Ebenen sollten von den höheren Rechenschaft einfordern können.

Das soll auch für die höchste Ebene der Kirchenhierarchie gelten. Das Papier regt an, der Papst solle Gesetze künftig erst nach
gemeinschaftlichen Beratungen verkünden. Dass ausgerechnet unter einem Papst, der mehr Gesetze in Form eines "Motu proprio" verfasst und nicht selten überraschend in Kraft gesetzt hat als seine Vorgänger, nun synodal eingebunden werden soll, entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie. Auch sein Apparat, die vatikanische Kurie, soll künftig vor den Bischöfen der Ortskirchen Rechenschaft ablegen.

Beginn der Weltsynode mit Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Beginn der Weltsynode mit Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Wie so etwas ablaufen soll, führt das Arbeitspapier nicht aus. Zu vermuten ist aber, dass dieser neue Kontroll-Mechanismus nur mit
einer Stärkung der "Zwischen-Ebenen" im weltweiten Episkopat funktionieren kann. So wäre die Schaffung eines Gremiums aus den Vorsitzenden und Sekretären der "kontinentalen" Bischofsräte denkbar, denen die Kurie (und der Papst) berichten müssten. Schon heute ist der sogenannte Kardinalsrat, mit dem sich der Papst vierteljährlich trifft, ungefähr so aufgestellt, dass in ihm die Kontinente repräsentiert sind.

Ein anderes Modell, das schon in den 1990er Jahren diskutiert wurde, schlägt vor, die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen an dieser Stelle ins Spiel zu bringen. Allerdings liegt deren Zahl inzwischen bei rund 120 (nicht alle sind national organisiert), und sie regelmäßig einzuberufen, wäre sehr geld- und zeitaufwendig.

Ferner soll die Rolle der Vatikanbotschafter neu gefasst werden. Die Nuntien waren bislang der verlängerte Herrschaftsarm des Papstes in den Ortskirchen. Die künftige Rolle der Papstbotschafter wird von einer separaten Arbeitsgruppe erörtert. Hier kann spekuliert werden, dass die Nuntien künftig nicht nur Weisungen von Rom in die Ortskirche tragen sollen, sondern auch umgekehrt Überbringer von Vorschlägen und Forderungen aus den Ortskirchen an die Zentrale werden könnten.

Zehn Arbeitsgruppen zu Spezialfragen

Diese und weitere Detailfragen, darunter eine mögliche Zulassung von Frauen zum Diakonat und die Reform der Priesterausbildung, hatte der Papst vorab an zehn Arbeitsgruppen von Spezialisten ausgegliedert. Sie sollen noch bis Mitte 2025 beraten und damit die Synode überdauern.

Zudem schlägt das Papier die Einführung neuer Ämter und Dienste in der Kirche vor, die nicht an eine sakramentale Weihe gebunden sind. Eines davon soll sich dem "Zuhören und Begleiten" von Menschen widmen, die sich von der Kirche verurteilt oder bedroht fühlen. Dieser Dienst solle je nach lokalen Umständen anders ausgestaltet werden.

Auf globaler Ebene wird zwischen den armen und reichen Bistümern eine Art solidarischer Finanzausgleich angeregt. Zudem regt das Papier die Schaffung einer dauerhaften Weltsynode an, die anders funktioniert als die von Papst Paul VI. im Jahr 1967 eingeführte Bischofssynode. An der neuen Synode solle neben dem Papst und den Bischöfen "das gesamte Volk Gottes" teilnehmen.

Wie dies praktisch zu bewerkstelligen ist, sagt das Instrumentum laboris ebenfalls nicht. Doch deutet sich an, dass die Herkulesaufgabe, die darin besteht, den Papstprimat durch das Bischofskollegium einerseits und durch die Volksbeteiligung andererseits zu ergänzen, kaum noch in dem institutionellen Rahmen zu bewältigen ist, den sich die katholische Kirche in den ersten Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gegeben hat.

Erstmals zeichnet sich in dem Papier ab, dass das Synodensekretariat - "im Dialog mit dem Glaubensdikasterium" - auch an der Erstellung eines lehramtlichen Dokuments mitwirken soll. Dabei soll es um die Frage «besonderer» kirchlicher Ämter und um die Beteiligung von Frauen an Leben und Leitung (!) in der Kirche gehen.

Änderungen des Kirchenrechts erwartet

Darüber hinaus wurde die Gründung einer besonderen Kommission von Kirchenjuristen bekanntgegeben. Sie soll die Synode bei den anstehenden Änderungen des Kirchenrechts beraten, ohne die einige Reformen nicht möglich wären. Auch soll sie prüfen, welche Reformen im Rahmen des bereits bestehenden Kirchenrechts möglich wären. Denn dieses eröffnet auch heute schon manche Mitbestimmungsmöglichkeiten, die allerdings in vielen Ländern bislang nicht ausgefüllt wurden.

Den Vorsitz soll der Präfekt des Dikasteriums für die Gesetzestexte, Erzbischof Filippo Iannone, übernehmen. Auch hier kommt es also wieder zu einer neuartigen Zusammenarbeit der Synode mit einer wichtigen Kurienbehörde.

Zwischen den Zeilen macht das Arbeitspapier deutlich, dass die Synode künftig wohl eine Art dritter Pol in der Weltkirche sein wird. Bei entscheidenden Fragen für die Zukunft der Kirche wird dann neben dem Papst (samt Kurie), und den Bischofskonferenzen auch die Weltsynode mitzureden haben. Doch da in ihr neben dem "Volk Gottes" die Bischöfe und der Papst entscheidend mitwirken, hat sie sehr viel weniger Möglichkeiten zur "Selbstermächtigung" oder zur Verselbstständigung als dies in protestantischen Kirchen üblich ist.
 

Weltsynode 2021-2024

Mit der Weltsynode hat Papst Franziskus in der katholischen Kirche etwas Neues geschaffen. Erstmals werden bei einer Synode Nicht-Bischöfe und Nicht-Priester im großen Umfang ein Stimmrecht haben, darunter auch Frauen.

Inhaltlich soll es vor allem um neue Wege der Mitwirkung der kirchlichen Basis bei wichtigen Entscheidungen in der katholischen Kirche gehen. Obwohl erstmals auch nicht geweihte Männer und Frauen ein Stimmrecht haben, handelt es sich kirchenrechtlich um eine Bischofssynode.

Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA