Unesco nimmt Hilarionkloster in Gaza als Weltkulturerbe auf

Wichtige Grabungsstätte in Gefahr

In der Frühzeit des Christentums war das Hilarionkloster ein Pilgerort. 1997 wiedergefunden, wurde es umfassend ausgegraben. Nun hat die Unesco es zum Welterbe erhoben. Aber es ist gefährdet. Denn rundherum tobt der Krieg.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Blick auf die Krypta des Hilarion-Klosters am 14. Juli 2021 in Tell Umm al-Amr / © Andrea Krogmann (KNA)
Blick auf die Krypta des Hilarion-Klosters am 14. Juli 2021 in Tell Umm al-Amr / © Andrea Krogmann ( KNA )

Das einst größte Kloster in Nahost, das Hilarionkloster im Süden des Gazastreifens, gilt ab sofort als gefährdetes Weltkulturerbe. 

Mit der zeitgleichen Aufnahme auf die Welterbeliste sowie die Liste des gefährdeten Welterbes wolle man "sowohl den Wert der Stätte als auch die Notwendigkeit, sie vor Gefahren zu schützen", anerkennen, erklärte das Komitee der UN-Kulturorganisation Unesco am Freitag in Neu Delhi. 

Entscheid in einem Dringlichkeitsverfahren

Der Entscheid bei deren Jahrestreffen fiel angesichts der Bedrohungslage im anhaltenden Gazakrieg in einem Dringlichkeitsverfahren.

Die 195 Vertragsstaaten kamen überein, zum Schutz der Stätte beizutragen und Schritte zu unterlassen, die es direkt oder indirekt schädigen könnten, wie die Unesco mitteilte. Die Überreste des Hilarionklosters, auch als "Tell Umm-el-Amr" bezeichnet, wurden 1997 bei Bauarbeiten südlich von Gaza-Stadt entdeckt. 

Mosaike der Grabungsstätte des Hilarion-Klosters am 14. Juli 2021 in Tell Umm al-Amr / © Andrea Krogmann (KNA)
Mosaike der Grabungsstätte des Hilarion-Klosters am 14. Juli 2021 in Tell Umm al-Amr / © Andrea Krogmann ( KNA )

Gefunden wurden Reste von drei aufeinanderfolgenden Kirchen, die über einen Zeitraum von mehr als 400 Jahren um das Grab des heiligen Hilarion von Gaza errichtet wurden. Die Krypta ist in ihrer Größe und Ausstattung ohne Vergleich in der Levante. Zu den Funden gehören Mosaik- und Marmorböden sowie vier Baptisterien.

Die Anlage aus dem 4. bis 9. Jahrhundert erstreckt sich über eine Fläche von 14.500 Quadratmetern. Sie ist unterteilt in einen kirchlichen Teil im Süden, der religiösen Feiern vorbehalten war, sowie einen Pilgerbereich im Norden, zu dem ein Pilgerhotel und ein einst beheiztes Bad von 1.000 Quadratmetern.

 Spezialisten warnten vor einem Schaden

Im Januar warnten die Spezialisten, die im Auftrag der "EBAF", der von Dominikanern gegründeten "französischen biblischen und archäologischen Schule Jerusalem" mit den Ausgrabungen betraut sind, vor einem Schaden für die Stätte in Gaza. 

Die Ergebnisse von 28 Jahren Forschungsarbeit seien in Gefahr. Hintergrund war unter anderem ein später gelöschtes Video des Direktors der israelischen Antikenbehörde, Eli Escusido, auf der Plattform X. Es zeigte israelische Soldaten in dem Lagerhaus, in dem die französischen Archäologen ihre Funde archiviert und gelagert hatten.

Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten

Die gelöschte Version endete laut Bericht der französischsprachigen franziskanischen Zeitschrift "La Terre Sainte" mit einem Foto und dem Kommentar "Ein kleiner Schaukasten wurde in der Knesset aufgestellt", was später dementiert wurde. Eine Beschlagnahmung von Artefakten wäre nach dem internationalen Haager Abkommen von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten verboten.

Grabungsstätte mit einem rund 1.000 Quadratmeter großen Bad im Hilarion-Kloster am 14. Juli 2021 in Tell Umm al-Amr (Palästinensische Autonomiegebiete) / © Andrea Krogmann (KNA)
Grabungsstätte mit einem rund 1.000 Quadratmeter großen Bad im Hilarion-Kloster am 14. Juli 2021 in Tell Umm al-Amr (Palästinensische Autonomiegebiete) / © Andrea Krogmann ( KNA )

Das Hilarionkloster lag im 5. und 6. Jahrhundert an einer wichtigen Kreuzung der wichtigsten Handelsrouten. Anordnung und Ausbau der Stätte deuten laut dem verantwortlichen französischen Archäologen Rene Elter auf eine starke Zunahme von Taufen sowie einen christlichen Pilgertourismus hin.

Mit der arabischen Invasion im 7. Jahrhundert wurden die Routen unsicher und der Ort verlor an Bedeutung. Obendrein zerstört ein Erdbeben die Anlage teilweise. Münzfunde aus islamischer Zeit deuten laut Elter daraufhin, dass Teile des Komplexes von Muslimen genutzt wurden. 

Grabfunde verweisen ferner darauf, dass es über einen gewissen Zeitraum ein Zusammenleben von Christen und Muslimen gegeben haben muss. Spätere Bewohner der Gegend verwerteten die Steine der Klosteranlage als Baumaterial weiter.

Begründer des einsiedlerischen Mönchtums in Syrien und Palästina

Der Namensgeber des Klosters, Hilarion von Gaza, gilt als Begründer des einsiedlerischen Mönchtums in Syrien und Palästina. Nach der Überlieferung des heiligen Hieronymus, der 392 die Lebensgeschichte Hilarions verfasste, wurde dieser 291 in Tabatha bei Gaza geboren. 

Er studierte in Alexandria, ließ sich taufen und lebte zunächst in Ägypten und dann in der Wüste in der Nähe des heutigen Hafens von Gaza als Einsiedler. Schon zu seinen Lebzeiten entstand dort eine Mönchssiedlung.

360 floh Hilarion vor der Verfolgung unter Kaiser Julian Apostata. Über Ägypten, Sizilien und Dalmatien kam er nach Zypern, wo er 371 starb. Ein Schüler brachte den Leichnam zurück in die Mönchssiedlung in Gaza. 

Im Zuge der Kreuzzüge sollen seine Gebeine in die südfranzösische Gemeinde Duravel gebracht worden sein. Dort wurde Hilarion als Mann Gottes und Wundertäter verehrt. Nach seinem Todverbreitete sich dieser Ruf dann rasch weiter in andere christliche Gebiete.

Weltkulturerbe der Unesco

Die UN-Kulturorganisation Unesco verzeichnet auf ihrer Welterbeliste über 1.000 schützenswerte Natur- und Kulturstätten in über 100 Ländern. Deutschland hat mehr als 40. Dazu gehören der Kölner und der Aachener Dom, die Altstadt Lübecks, Schlösser und Parks in der Region Potsdam-Berlin, die Klosteranlage Maulbronn, das Bauhaus und seine Stätten in Weimar und Dessau, der Industriekomplex Zeche Zollverein in Essen, das Wattenmeer, alte Buchenwälder in Deutschland oder die Hamburger Speicherstadt.

UNESCO Hauptquartier in Paris / © Pompidu (shutterstock)
UNESCO Hauptquartier in Paris / © Pompidu ( shutterstock )
Quelle:
KNA