Brasiliens Präsident Lula strauchelt in Vermittlerrolle

Lateinamerikas Diktatoren hören nicht auf Brasilien

Im Wahlpoker in Venezuela wollte Brasiliens Präsident Lula als Vermittler groß auftrumpfen. Damit scheiterte er, ebenso wie mit einer päpstlichen Mission in Nicaragua. Derweil setzen Ortega und Maduro auf rhetorische Eskalation.

Autor/in:
Thomas Milz
Papst Franziskus empfängt Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien, am 21. Juni 2023 im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani/K (KNA)
Papst Franziskus empfängt Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien, am 21. Juni 2023 im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani/K ( KNA )

In seiner dritten Amtszeit wollte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva Brasilien zurück auf die große weltpolitische Bühne führen. Man wolle global für Frieden eintreten und ein permanentes Mitglied im UN-Sicherheitsrat werden, so Lula.

 Doch nachdem er bereits mit unbedachten Aussagen zum Ukrainekrieg und dem Nahost-Konflikt aufgefallen war, gehen nun auch seine diplomatischen Ausflüge in Lateinamerika schief. Von Venezuelas Präsident Nicolás Maduro musste er sich gar Hohn und Spott gefallen lassen. 

Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien, am 21. Juni 2023 bei seiner Ankunft im Vatikan. / © Stefano Carofei/Romano Siciliano (KNA)
Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien, am 21. Juni 2023 bei seiner Ankunft im Vatikan. / © Stefano Carofei/Romano Siciliano ( KNA )

Lula hatte Maduro stets gegen Vorwürfe verteidigt, kein Demokrat zu sein. Im Oktober 2023 hatte er für das Barbados-Abkommen gebürgt, in dem Maduro der Opposition freie und faire Wahlen versprach. Als dieser vor der Wahl Oppositionskandidaten ausschloß und mit Gewalt drohte, ermahnte ihn Lula. 

Nicolas Maduro, Präsident von Venezuela, spricht bei einer Pressekonferenz im Miraflores-Palast. / © Ariana Cubillos/AP (dpa)
Nicolas Maduro, Präsident von Venezuela, spricht bei einer Pressekonferenz im Miraflores-Palast. / © Ariana Cubillos/AP ( dpa )

Er möge Kamillentee trinken, antwortete Maduro spöttisch, bevor er Brasiliens Wahlsystem verhöhnte.  Längst ist klar, dass Maduro die Wahlen von Ende Juli gefälscht hat; seinen von der Wahlbehörde CNE proklamierten Sieg kann er nicht durch entsprechende Wahlprotokolle belegen. 

Während sich die befreundeten Diktaturen in Nicaragua und Kuba, die Linksregierungen von Bolivien und Honduras und sogar Lulas eigene Arbeiterpartei PT beeilten, Maduros Sieg trotzdem anzuerkennen, spielt Lula weiter auf Zeit. Die Wahlfarce abzusegnen, wäre das Ende seiner weltpolitischen Ambitionen.  

Einfluss in Venezuela überschätzt  

So wiegelte Lula erst einmal Vorwürfe des Wahlbetrugs ab - er habe nichts "Anormales" beobachten können. Gleichzeitig bemühte sich sein Abgesandter Celso Amorim, Brasiliens Ex-Außenminister, in Caracas nach einer Lösung zu suchen. 

Zuletzt startete Brasilien mit Mexiko und Kolumbien den Versuch, Maduro zu Besonnenheit und zur Veröffentlichung der Wahlprotokolle zu bewegen. Doch längst ist klar, dass Lula seinen Einfluss auf Maduro überschätzt hat. 

Für Lula steht nicht bloß sein Ruf als diplomatischer Player in Lateinamerika auf dem Spiel, sondern ein wichtiger Teil seiner Biografie: der des Elder Statesman der lateinamerikanischen Linken. 

So verteidigte er stets die Diktaturen in Venezuela, Kuba und Nicaragua gegen Kritik des Westens. In der aktuellen Krise will er sich unabhängig von der Maduro kritisierenden US-Regierung zeigen.  

Abgrenzung zur USA  

Das zeigt sich im Kommentar seines Emissärs Amorim, er vertraue nicht den Wahlprotokollen, die die venezolanische Opposition vorgelegt hat. Und automatisch den USA zuzustimmen, die diese Protokolle anerkennen, mache Brasilien schon lange nicht mehr. 

Darin schwingt die Überzeugung Lulas und Amorims mit, Venezuelas Opposition als Handlanger der USA zu verdächtigen.  

Allerdings hat Amorim mit seinen Äußerungen Venezuelas Opposition vor den Kopf gestoßen. Diese habe erkennen müssen, dass Brasilien nicht neutral ist, sondern sich für Maduros politisches Überleben einsetze, kritisierten brasilianische Medien. 

Der Auswärtige Ausschuss des brasilianischen Senats hat Amorim nun vorgeladen, um Brasiliens Position in der Venezuela-Krise zu erklären. 

Mit Auftrag des Papstes gescheitert  

Auch mit seinen Vermittlungsversuchen in Nicaragua hat sich Lula verlaufen. Seit seiner Rückkehr an die Macht 2007 hat der ehemalige Revolutionsführer Daniel Ortega dort nahezu die ganze Oppositionsspitze verhaften lassen. 

Auch die katholische Kirche wird seit Jahren verfolgt. Dutzende Kirchenleute wurden verhaftet und des Landes verwiesen. 

Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien, trifft Papst Franziskus beim G7-Gipfel am 14. Juni 2024 in Fasano (Italien). / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien, trifft Papst Franziskus beim G7-Gipfel am 14. Juni 2024 in Fasano (Italien). / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Zuletzt Anfang August, als Ortega acht Priester und einen Diakon einsperren ließ.  Angesichts der zerrütteten Beziehungen zwischen Ortega und dem Vatikan hatte Papst Franziskus im Juni 2023 Lula um Vermittlung im Fall des inhaftierten Bischofs von Matagalpa, Rolando Álvarez, gebeten. 

Nach den Protesten gegen Ortega im Jahr 2018, bei denen über 350 Demonstrierende getötet wurden, hatte sich der Bischof für die Freilassung politischer Gefangener eingesetzt. Anfang 2023 wurde er wegen Vaterlandsverrats im Schnellverfahren zu 26 Jahren Gefängnisverurteilt.  

Daniel Ortega, Präsident von Nicaragua mit seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo / © Xin Yuewei (dpa)
Daniel Ortega, Präsident von Nicaragua mit seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo / © Xin Yuewei ( dpa )

Genau wie Maduro hatte Lula auch Ortega stets vor Kritik in Schutz genommen. Doch Ortega weigerte sich nun, mit Lula über die inhaftierten Kirchenleute zu reden. Dies seien "innere Angelegenheiten". Auch soll ihn Lulas Zögern, Maduros Wahlsieg in Venezuela anzuerkennen, zusätzlich verärgert haben. 

Nachdem Brasiliens Botschafter der 45-Jahr-Feier der sandinistischen Revolution im Juli fernblieb, ließ Ortega diesen am Mittwoch des Landes verweisen. Ein gefundenes Fressen für Lulas politische Gegner in Brasilien, die stets seine Milde gegenüber Ortega und Maduro kritisiert hatten.  

Gelbe Karte für den Vermittler  

Beobachter vermuten, dass Ortega die diplomatische Eskalation gegenüber Brasilien bewusst gesucht und mit Maduro abgestimmt hat. Genau wie Kuba ist Nicaragua wirtschaftlich abhängig vom Maduro-Regime. 

Kommt es in Caracas zum Regimewechsel, wanken auch die Regime in Havanna und Managua. So dürfte die Ausweisung des brasilianischen Botschafters eine gelbe Karte für Lulas Ambitionen als Vermittler gewesen sein.

Nicaragua schiebt inhaftierte Bischöfe und Geistliche nach Rom ab

In Nicaragua hat das links-sandinistische Regime laut einem Bericht des regierungskritischen Portals "La Prensa" zwei inhaftierte Bischöfe sowie 14 weitere Geistliche und zwei Seminaristen aus dem Gefängnis entlassen und in Richtung Vatikan abgeschoben. Das Portal "100 Noticias" veröffentlichte Bilder aus den Sozialen Netzwerken, die die ausgewiesenen Bischöfe Rolando Alvarez und Isidoro Mora bereits bei einem Dankgottesdienst in Rom zeigen sollen.

Symbolbild Flugzeug in der Luft / © ABCDstock (shutterstock)
Symbolbild Flugzeug in der Luft / © ABCDstock ( shutterstock )
Quelle:
KNA