Film-Kenner erklärt Hitchcocks Verhältnis zum Katholizismus

Plots rund um Schuld und Sühne

Alfred Hitchcock ist berühmt für Filme wie "Die Vögel" oder "Marnie". Vor 125 Jahren wurde der Regisseur geboren. Der Theologe und Filmkenner Fabian Apel erklärt, wie Hitchcocks katholische Erziehung sein Werk prägte.

Alfred Hitchcock (M.) bei Dreharbeiten zu dem Film "Marnie" von 1964 / © akg-images GmbH (epd)
Alfred Hitchcock (M.) bei Dreharbeiten zu dem Film "Marnie" von 1964 / © akg-images GmbH ( epd )

DOMRADIO.DE: Alfred Hitchcock hat nicht direkt als Regisseur gearbeitet, sondern war zuvor noch in der Werbebranche tätig. Seine erste Illustration soll sich um eine Kirche gedreht haben. Wie das?

Fabian Apel / © Clemens Sarholz (DR)
Fabian Apel / © Clemens Sarholz ( DR )

Fabian Apel (Theologe und Filmkenner): Das war eine Werbung für elektrische Beleuchtung. Hitchcock entwarf ein Plakat, worauf lediglich zwei Kerzen zu sehen waren. Daneben stand der Hinweis, dass auch in einer Kirche Kerzen für die Beleuchtung nicht ausreichen würden. Es ging also um die Vorteile elektrischer Beleuchtung.

DOMRADIO.DE: War Hitchcock denn ein gläubiger Mensch? Ist bekannt, ob er zum Beispiel religiös erzogen wurde?

Apel: Darüber, ob Hitchcock ein gläubiger Mensch war, möchte ich mir kein Urteil anmaßen. Aber sicher ist: Er war katholisch und wurde nach eigener Aussage streng katholisch erzogen. Er besuchte auch eine Jesuitenschule. Im überwiegend anglikanisch dominierten England ist das schon bemerkenswert.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt christliche Symbolik in Hitchcocks Werk? 

Apel: Es wurde und wird viel über Hitchcocks schwieriges Verhältnis mit Frauen geschrieben. Die weiblichen Figuren in seinen Filmen und selbst die weiblichen Schauspielerinnen seien sehr dominante, starke Charaktere gewesen.

Vieles in seinem Werk, so die gängige Interpretation, drehe sich um unterdrückte Sexualität und Sexualmoral. Die Komplexe von Angst, Schuld und Sühne sind demnach das Vermächtnis seiner katholisch geprägten Kindheit.

Aus meiner Sicht ist es etwas wohlfeil, eine jesuitische Ausbildung darauf zu reduzieren. Alternativ könnte man auch hervorheben, wie in seinen Filmen der zur Perfektion reichende Hang zum Detail und zur Inszenierung heraussticht. Zentral ist hierbei sein virtuoser Umgang mit Licht, Musik und Ton. 

Fabian Apel

"Hitchcocks Sinn für die Inszenierung von Licht und Ton könnte man auf seine katholische Erziehung zurückführen."

Das sind die Dinge, die ihn so berühmt gemacht haben. Und diesen Sinn für die Inszenierung von Licht und Ton könnte man ebenfalls auf seine katholische Erziehung zurückführen.

DOMRADIO.DE: Hitchcock beschäftigte sich viel mit Horror, mit furchteinflößenden Dingen. Wie kam es dazu?

Apel: Nach eigener Aussage haben ihn seine Eltern einmal abends alleine gelassen. Sie sind ausgegangen und der kleine Hitchcock lag in seinem Bett und sollte schlafen. 

Als Fünfjähriger alleine in einem großen Haus in London, lag er aber wach und fürchtete sich ganz schrecklich. Schließlich überwand er diese Furcht, indem er in die Küche ging und zu essen begann.

DOMRADIO.DE: Hitchcocks Biograf Donald Spotto erklärte, Alfred Hitchcock habe aus der dunklen Seite des katholischen Milieus geschöpft. Inwiefern? 

Fabian Apel

"Die Themenkomplexe rund um Schuld und Sühne sind in Hitchcocks Filmen präsent."

Apel: Die Themenkomplexe rund um Schuld und Sühne sind in seinen Filmen präsent. Denken wir an einen der berühmtesten Filme von Hitchcock: "Psycho". Darin lebt ein verbogener Charakter mit seiner toten Mutter in einem Haus. Von dort aus treibt er sein Unwesen als Serienmörder.

Darin soll sich Hitchcocks schwieriges Verhältnis zur strengen Sexualmoral seiner Kindheit und Jugend widerspiegeln. Ebenso ein angespanntes Verhältnis zu Frauen und zur eigenen Sexualität Hitchcocks wird gerne in diesen Film reininterpretiert.

Persönlich bin ich kein Fan dieser Interpretationen. Da ist immer auch ein gewisses Maß Küchenpsychologie in der Analyse involviert.

DOMRADIO.DE: Alfred Hitchcock studierte gerne Fahrpläne oder auch Stadtpläne, Landkarten. Eigentlich war er ein schräger Vogel, könnte man sagen. Warum war er so erfolgreich? 

Apel: Er war ein Genie. Zweifelsohne. Nach wie vor führt an Hitchcock kein Weg vorbei, wenn man sich mit Film und Kino vertieft beschäftigen möchte. Das, was er perfekt beherrscht hat, ist das, was man in der Schreib- und Filmschule "Show, don't tell" nennt.

Fabian Apel

"Hitchcock folgte der Devise, den Dialog nur dann einzusetzen, wenn es wirklich nicht anders geht."

Das Prinzip also, das, was für den Plot wichtig ist, in Bild, Musik und Schnitt zu zeigen. Dem zeitgenössischen Film wird teilweise vorgeworfen, dass alles in endlosen Dialogen erklärt wird, bis es der letzte Zuschauer auch noch verstanden hat. Hitchcock folgte hingegen der Devise, den Dialog nur dann einzusetzen, wenn es wirklich nicht anders geht. 

DOMRADIO.DE: Man müsse sterben, um genau zu wissen, was danach geschehe, sagte Hitchcock vor seinem Tod. Wie könnte Hitchcock das gemeint haben? 

Apel: Vielleicht ist es ein Hinweis, dass er die Hoffnung auf ein Jenseits mit und bei Gott Zeit seines Lebens doch irgendwie mit sich trug. Vielleicht nahm er aus seiner christlichen Erziehung nicht nur Negatives mit und hat aus seiner katholisch geprägten Kindheit eben doch auch die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod mitgenommen.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Alfred Hitchcock als Alphabet von "A" bis "Z"

Vor 125 Jahren, am 13. August 1899, wurde Alfred Hitchcock in London geboren. Der Filmregisseur war schon zu Lebzeiten eine Legende. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) holt den Großmeister des Gruselns noch einmal ins Rampenlicht - mit einem kleinen ABC.

Alfred Hitchcock / © DB Bert Reisfeld (dpa)
Alfred Hitchcock / © DB Bert Reisfeld ( dpa )
Quelle:
KNA