Der Liederzyklus "Die Winterreise" ist so etwas wie das Hochamt des Kunstliedes. Der Regisseur Stefan Weiller verbindet die Lieder mit der rauen Wirklichkeit von heutigen Wohnungslosen und stellt verblüffende Parallelen zum Liederzyklus her.
Die Originalmusik erklingt, ergänzt um Texte von Stefan Weiller, der mit Menschen im sozialen Abseits, oft verarmt und wohnungslos, über Jahre gesprochen hat: "Wenn es zum Beispiel in dem Lied 'Rast' in der Winterreise heißt: 'In eines Köhlers engem Haus hat Obdach ich gefunden.' Dann ist klar: da ist jemand unterwegs auf der Straße und weiß gerade nicht, wo er übermorgen schlafen wird, er weiß es nur für heute. Und solche Passagen findet man wirklich überwältigend viele in der Winterreise".
Verblüffende Parallelen zu heute
In dem originalen Liederzyklus von Franz Schubert nach den Texten von Wilhelm Müller geht es um einen einsamen Wanderer, der über seine Vergangenheit nachdenkt, über seine Liebe, die verfehlt ist. Am Ende gibt es die Interpretation, dass er vielleicht sogar zu Tode kommt oder zumindest völlig hoffnungslos ist.
In seiner Bearbeitung der Winterreise verbinden sich bei Stefan Weiller Texte und Musik des Jahres 1827 mit aktuellen Problemen von Menschen im sozialen Abseits. Eva Mattes ist eine von drei Sprecherinnen und Sprechern, die die Texte vortragen.
Bei der Aufführung im Kulturhof Knechtsteden gibt es zudem nicht nur einen Sänger und ein Klavier wie beim klassischen Liederabend, sondern zwei Sänger und ein Vokalquartett übernehmen den Gesangspart: "Man hört die Originalmusik, wobei diese Winterreise dann in den gesprochenen Passagen, wenn also die Texte von mir dazukommen, quasi weiterkomponiert wird. Wir haben mit Hedayet Djeddikar einen fantastischen Pianisten, der immer von Schubert die Winterreise spielt, die ganze Zeit bei der Winterreise bleibt, aber dazwischen Neuinterpretationen dann findet und Anknüpfungspunkte auch musikalisch schafft", erklärt Stefan Weiller.
Im zweiten Gespräch in der Sendung "Musica" am Sonntagabend ab 20 Uhr spricht der Dirigent Edzard Burchards über das Passionsoratorium "Golgotha" von Frank Martin, das eine ganz eigene, eindringliche Klangsprache hat. "Golgotha" erklingt kommenden Samstag in der Klosterbasilika in Knechtsteden.