DOMRADIO.DE: Das Pilgern auf dem Wasser hat eine lange Tradition. Das gab es schon im Mittelalter, denn schließlich wollten auch Menschen aus Großbritannien zum Beispiel mal nach Santiago de Compostela?
Beate Steger (Pilgerexpertin): Ja, genau, oder auch Niederländer, Iren, Skandinavier. Und die konnten dann in Verrohl oder in La Coruna ankommen. Das waren die spanischen Hafenstädte im Norden und konnten dann auf dem Weg, der auch tatsächlich nach den Engländern heißt, der Camino Ingles, der "Jakobsweg der Engländer" Richtung Santiago gehen. Das war auch nicht mehr so weit. Das waren um die 110 Kilometer.
DOMRADIO.DE: So eine Wallfahrt per Schiff im Mittelalter stelle ich mir jetzt auch nicht so wahnsinnig komfortabel vor, oder?
Steger: Nein, das glaube ich auch nicht. Vor allem, wenn die Menschen von Ecken gekommen sind, wo es gar kein großes Wasser gab, also weder große Seen noch das Meer. Das war dann sehr, sehr beängstigend. Und die Boote, die waren bestimmt auch wackelig. Da ist auch das eine oder andere gesunken. Da brauchte man schon den Schutz vom heiligen Jakobus.
DOMRADIO.DE: Auch der Bodensee hat zum Beispiel im Mittelalter eine Rolle gespielt, wenn es ums Wasserpilgern ging.
Steger: Für die Leute, die zum Beispiel in Deutschland losgegangen sind, gab es Sammelpunkte, weil die Pilger im Mittelalter oft in Gruppen gegangen, weil das viel sicherer war. Zum Beispiel in Rothenburg ob der Tauber haben diese Pilger sich gesammelt oder auch in Nürnberg. Und dann ging der Weg Richtung Bodensee, um dann ein Stück weit durch die Schweiz und dann nach Frankreich und dann weiter nach Spanien zu gehen. Das heißt also, der Bodensee musste überquert werden und das war für manche bestimmt auch eine sehr spannende Erfahrung.
DOMRADIO.DE: Wenn wir jetzt mal in die Jetztzeit gucken. Es gibt tatsächlich Menschen, die pilgern auf dem Stand-up-Paddle, dem SUP. Wie geht denn sowas?
Steger: Ich weiß von einem, der das gemacht hat. Das ist ein sehr abenteuerlicher Mann. Der ist in Ondale gestartet, wo die Pilger normalerweise den Küstenweg, also den Camino der Norte entlang des Atlantiks bis nach Santiago laufen. Man kann nicht nur am Wasser bleiben, man muss dann irgendwann schon noch abbiegen ins Landesinnere.
Wie er das gemacht hat, muss ich ehrlich sagen, weiß ich gar nicht. Er hat aber ein Buch darüber geschrieben, da kann man das nachlesen. Er ist nicht auf dem Landweg entlang des Wassers gegangen, sondern er war praktisch in Ufernähe und war dann da mit diesem SUP unterwegs.
DOMRADIO.DE: Aber mit dem Schiff kann man heute noch pilgern, zum Beispiel auf dem Rhein, oder?
Steger: Ja, genau, es gibt auch noch Marienwallfahrtsorte, wo man mit dem Schiff pilgern kann, zum Beispiel Bornhofen am Niederrhein ist so ein Ort. Das ist einer der ältesten Marienwallfahrtsorte von Deutschland. Und da sind die Schiffsprozessionen legendär. Die gab es schon im Mittelalter. Es gibt auch eine so eine Hymne, ein Wallfahrtslied, das heißt "Geleitet durch die Welle", das 1842 geschrieben worden ist. Und das ist auch heute noch so, dass man da eben mit dem Schiff hinfahren kann.
DOMRADIO.DE: Bis heute können Pilgerinnen und Pilger auf dem Jakobsweg nacherleben, wie die Gebeine des Heiligen einst übers Wasser nach Spanien transportiert worden sind.
Steger: Ja, das ist eine sehr schöne Etappe, da kann ich auch wirklich nur dazu raten. Also es sind eigentlich drei Etappen. Das geht los, wenn man auf dem portugiesischen Jakobsweg unterwegs ist. Ich bin damals von Porto nach Santiago gelaufen, 250 Kilometer, dann kann man die Variante Camino Spiritual machen. Das sind zwei Etappen zu Fuß.
Und dann die dritte Etappe. Das ist der sogenannte Meeresweg. Das geht dann mit dem Boot los. Man könnte auch mit dem Kajak fahren, wenn man gerade zufällig eines dabei hätte. Man kann die Strecke aber auch laufen. Ich bin mit einem Schlauchboot gefahren. Da gibt es verschiedene Anbieter, die das machen.
Man kann dann erst mal auf dem Meer und dann geht es auf den auf den Fluss Ula, der führt dann bis zur Stadt Patron, also kurz davor. So sollen die Gebeine des Apostels nach Spanien gebracht worden sein. Und das ganz Besondere dabei ist, wenn man das Schlauchboot nimmt, dann kann man Glück haben, denn der Führer des Schlauchbootes, der sieht ein bisschen aus wie George Clooney.
Das Interview führte Hilde Regeniter.