Bischof Bonny lobt emotionale Papstworte zu Missbrauch

"Was wird der Papst darüber sagen?"

Bei seinem Belgienbesuch wurde der Papst mehrfach auf sexualisierte Gewalt in der Kirche angesprochen. Seine Reaktion improvisierte er. Bischof Bonny zeigt sich erleichtert über die ehrlichen emotionalen Worte. Wie kam das im Land an?

Autor/in:
Johannes Schröer
Papst Franziskus bei seiner Ankunft zu einem Treffen mit Bischöfen, Diakonen und Ordensleuten in der Herz-Jesu-Basilika in Brüssel, Belgien. / © Omar Havana/AP (dpa)
Papst Franziskus bei seiner Ankunft zu einem Treffen mit Bischöfen, Diakonen und Ordensleuten in der Herz-Jesu-Basilika in Brüssel, Belgien. / © Omar Havana/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Das war gestern für Papst Franziskus wohl kein Wohlfühltermin in Belgien. Bei seiner Ankunft wurde er direkt vom belgischen Ministerpräsidenten Alexander De Croo auf die sexualisierte Gewalt angesprochen. Das ist eigentlich abweichend von den diplomatischen Gepflogenheiten. Wie haben Sie das gestern erlebt? 

Bischof Johan Bonny (Bischof von Antwerpen und 15 Jahre lang für die Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt in Belgien zuständig): Das waren starke Worte. Der König, der Premier, der Rektor der Universität. Alle haben darüber gesprochen, weil es letztes Jahr in ganz Belgien Thema Numero eins war. Wir haben schon 15 Jahre für die Opfer gearbeitet, zugehört, anerkannt, finanzielle Hilfe geboten. Aber letztes Jahr ist immer wieder Neues nach oben gekommen. 

Bischof Johan Bonny / © Max von Lachner (SW)
Bischof Johan Bonny / © Max von Lachner ( SW )

Alle haben gesehen, wie Opfer, ihr ganzes Leben und das Leiden erzählten und in ihren Gesichtern in die Tränen gesehen. Und das hat alle tief betroffen. Das ganze Jahr war die ganze Andacht darauf gerichtet. Was wird der Papst damit machen, darüber sagen? Die ganze Erwartung war auf diesen Punkt gerichtet. 

DOMRADIO.DE: Und der Papst war dann ja auch sichtlich betroffen. Noch mal über die Worte. Ich hörte, dass er sogar von seinem Redemanuskript abgewichen hat. Wie hat er das gemeint? 

Papst Franziskus

"Die Kirche muss dafür um Vergebung bitten. Dies hier ist unsere Schande und unsere Erniedrigung."

Bonny: Im Vatikan hatten Sie eine Rede für den Papst geschrieben. Da standen nur zwei oder drei Linien über das Missbrauchsproblem drin. Das war viel zu wenig. Wir hatten schon gesagt, das ist doch zu wenig. Aber das war ja ein Text, der vorher in Rom geschrieben war. Da hat der Papst verstanden, ich muss mehr sagen und dann hat er es improvisiert. Er hat ein ganzes Stück von seinem Herzen hinzugefügt. Das hat alles geändert. 

DOMRADIO.DE: Und er war auch sehr emotional.

Bonny: Er war emotional. Er hat gesagt: Ein Opfer ist zu viel und es ist eine große Schande für die Kirche. Das waren einfache, aber sehr ehrliche und klare Worte, die er gesprochen hat, und alle haben verstanden, hier spricht er persönlich. Dies ist nicht vorgeschrieben. Hier spricht der Papst selber aus seinem Herzen. Und gut, dass er das so gemacht hat, weil was in seinem Text stand, das war zu wenig, zu schwach. 

Bischof Bonny

"Hier spricht der Papst aus seinem Herzen."

DOMRADIO.DE: Diese sexualisierte Gewalt in Belgien hat die Kirche auch in eine tiefe Krise geführt. Können die Papstworte etwas auslösen, für die Kirche in Belgien?

Bonny: Auslösen ist viel gesagt, aber sie sind hilfreich. Gestern Abend hat er eine Gruppe von 15 Opfern empfangen, mehr als zwei Stunden lang mit ihnen gesprochen. Das ist hilfreich, wenn er aus seinem Herzen antwortet. Das haben all die Opfer gesagt. Endlich haben wir nicht nur mit einem Bischof, aber mit dem Papst darüber sprechen können. Offen, sie könnten sagen, was sie wollten, und das ist hilfreich. Die ganze Kirche ist damit ist einbezogen.

DOMRADIO.DE: Man merkt Ihnen an, auch Sie persönlich sind sehr erleichtert darüber, dass der Papst das so emotional aufgreift.

Bonny: Ja, viele denken immer - und das verstehe ich - niemand hat uns zugehört. 20, 30. 40 Jahre lang haben sie schweigen müssen. Sie fragen sich, wird jemand überhaupt uns noch zuhören? Und jetzt dies persönlich dem Papst erzählen zu können, dass hilft. Es ist keine Befreiung, denn es löst nicht alle Probleme. Das Trauma bleibt. Aber dem Papst seine Geschichte erzählen zu können, ist ein Moment von Befreiung. 

DOMRADIO.DE: Es ist wirklich beeindruckend, wie er dort auftritt. Man hört es aus Ihren Worten, dass es wirklich zutiefst anrührend ist und auch sehr ehrlich und glaubwürdig und authentisch ist. Ein anderes Thema ist auch der Frieden in der Welt. Da hat der Papst auch sehr direkte Worte gefunden. Wir sind weltweit quasi vor einem Krieg, hat er gesagt. Das ist auch sehr deutlich gewesen, oder?

Papst Franziskus (M) trifft sich mit König Philippe (r) von Belgien und Königin Mathilde im Schloss von Laeken / © Vatican Media/IPA via ZUMA Press (dpa)
Papst Franziskus (M) trifft sich mit König Philippe (r) von Belgien und Königin Mathilde im Schloss von Laeken / © Vatican Media/IPA via ZUMA Press ( dpa )

Bonny: Ja, das ist deutlich. Die Kriege in Gaza, Israel, Libanon und der Ukraine sind zu Sprache gekommen. Da hat der König, der Premier, der Papst, darüber gesprochen. Die Friedensfrage ist für jeden eine sehr große Frage. Der Papst hat auch viel in seine Texten über Frieden und die Völker, das Völkerrecht und internationales Recht und was das für die Versöhnung bringt gesprochen. 

Wir haben auch viele Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und der Ostukraine. Glücklicherweise hat der Papst auch darüber gesprochen. Und der Rektor in Löwen gestern hat ja lange über diese Flüchtlinge gesprochen. Man fühlt, diese Friedensfragen liegen dem Papst sehr nah am Herzen.

DOMRADIO.DE: Morgen wird eine große Messe noch im Stadion in Brüssel gefeiert. Nun ist er ja ein sehr stark säkularisiertes Land. Dazu kommt der Skandal um den sexuellen Missbrauch. Die Kirche hat es nicht einfach. Welche Impulse können denn von seinem Besuch ausgehen? 

Bonny: Ja, die Mehrheit der Kinder haben noch immer katholischen Gottesdienstunterricht in der Schule. Manche wissen noch, was die katholische Kirche ist, wofür sie steht. Aber die Bindung mit der katholische Kirche ist sehr schwach. Die Kirche ist anwesend. Eine Minderheitskirche, wie wir sagen, mit wenig jungen Leute. Und doch versucht diese kleine Kirche da zu sein, wo man uns braucht. Bei den Armen, bei jungen Leuten, bei Familien. Und wir versuchen da einen Eindruck zu machen.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Quelle:
DR