KNA: Im Weltmissionsmonat Oktober geht es vor allem um Frauen in Papua-Neuguinea und auf den Salomonen-Inseln. Warum gerade um sie?
Pfarrer Dirk Bingener (Präsident von missio Aachen): Ganz einfach: Sie sind es, um deren Anliegen wir uns in etlichen Hilfsprojekten kümmern. Und vor allem sind sie es auch, die konkret vor Ort anpacken und die Lösung von Problemen vorantreiben.
KNA: Sie waren vor kurzem vor Ort: Was sind die Probleme, mit denen diese Frauen und ihre Familien besonders zu kämpfen haben?
Bingener: In aller Kürze: Gewalt, Hexenwahn und die Folgen des Klimawandels.
KNA: Und etwas ausführlicher?
Bingener: Das fängt an mit der Gewalt gegen Frauen und Kinder. Ein großes Problem, das auch zu tun hat mit dem zunehmenden Konsum von Alkohol, Drogen und Gewaltvideos. Das Zweite ist der Hexenwahn: Frauen werden als Sündenböcke für Krankheiten, Unfälle oder Naturereignisse verantwortlich gemacht und dann als vermeintliche Hexen verfolgt.
Und das dritte Riesenproblem sind die Auswirkungen des Klimawandels: Auf den Inseln und in den Bergen spüren die Menschen unmittelbar die immer extremeren Wetterlagen. Der steigende Meeresspiegel überflutet Inseln, das Salzwasser schädigt die Landwirtschaft. Immer stärkere Regenfälle lösen schwere Erdrutsche aus. Kürzlich erst mit hunderten Toten.
KNA: Was tun missio und seine kirchlichen Partner vor Ort dagegen?
Bingener: Gegen die Gewalt braucht es zunächst Schutzräume für Frauen und Kinder sowie eine professionelle therapeutische Begleitung. So finanzieren wir Schutzhäuser und bilden dafür Fachleute aus. Davon gibt es viel zu wenige.
Beim Hexenwahn geht es darum, die betroffenen Frauen zu schützen, Traumatherapien anzubieten und sie später, wenn möglich, wieder in die Gemeinschaften zu integrieren. Wichtig sind natürlich auch Aufklärung und Bildung, damit die Menschen nicht länger solche Horrorgeschichten glauben, wenn irgendjemand anfängt, sie zu verbreiten. Und die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden.
KNA: Und beim Klimawandel?
Bingener: Zunächst geht es um Soforthilfe, etwa bei einem Erdrutsch. Damit kann die Kirche vor Ort den Betroffenen mit Unterkünften, Verpflegung, Kleidung und Dingen des täglichen Bedarfs helfen. Dann ist es wichtig, den Klimaflüchtlingen Land für eine Neuansiedlung zur Verfügung zu stellen. Wenn die kleinen Inseln nicht mehr bewohnbar sind, weil der Meeresspiegel immer weiter steigt, müssen die Menschen woanders hin. Ihnen stellt die Kirche Land zur Verfügung.
Außerdem unterstützen wir Projekte, mit denen die Küsten der Inseln geschützt werden. Zum Beispiel durch das Anpflanzen von Mangroven. Das Allerwichtigste in Papua-Neuguinea ist jedoch immer das Thema Bildung und Ausbildung - gerade von Frauen. Wenn sie dann ihr Wissen weitergeben, verändern sich die Verhältnisse zum Guten.
KNA: Warum fördern Sie auch hier besonders die Frauen?
Bingener: Zum einen, weil sie ein Recht darauf haben, genauso gefördert zu werden wie die Männer. Ganz grundsätzlich und vielleicht etwas zu pauschal: Wenn Frauen in den Projekten mitentscheiden oder diese leiten, läuft die Arbeit am besten. Wir machen seit vielen Jahren einfach diese sehr sehr gute Erfahrung.
KNA: Gerade war der Papst in Papua-Neuguinea. Dabei hat er auch zur Bewahrung der Schöpfung aufgerufen und mehr Rechte für Frauen gefordert. Sind das vor allem schöne Worte oder kann sich dadurch wirklich etwas ändern?
Bingener: Ich denke schon, dass das sehr wichtig war und vor allem die Menschen vor Ort in ihrem Kampf für die Menschenrechte und gegen die Umweltzerstörung stützt. Wir unterschätzen in Deutschland, welches Gewicht ein Papstbesuch oder das Wort des Papstes in vielen Ländern der Erde hat.
Die Menschen haben sich riesig gefreut, dass Franziskus trotz der großen Strapazen so weit gereist ist und damit dieser Region große öffentliche Aufmerksamkeit verschafft hat.
KNA: Was fordern Sie von der Politik – vor Ort und auch hier bei uns?
Bingener: Vor allem das Bewusstsein dafür, dass die Menschen im globalen Süden am wenigsten für den Klimawandel können, aber am meisten unter den Folgen leiden. Das wird bisher viel zu oft ignoriert. Viele westliche Akteure beuten immer weiter die Rohstoffe und damit die Umwelt dort vor Ort aus.
Es braucht einfach fairere Handelsbeziehungen. Und in Papua-Neuguinea wünsche ich mir, dass in Kirche, Gesellschaft und Politik die Frauen endlich die Rolle spielen können, die ihnen zusteht. Das bringt das Land voran. Dazu sollen unsere Projektförderungen beitragen.
Das Interview führte Gottfried Bohl.