Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisiert die aktuellen Anti-Israel-Demos als neuen "Tiefpunkt der Menschlichkeit in unserer Gesellschaft". Angesichts der angekündigten anti-israelischen Proteste vor dem Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober forderte Präsident Josef Schuster einen realistischen Blick auf einen verfestigten Judenhass in Deutschland.
Als Beispiele dafür nannte er am Samstagabend "die Jubelszenen auf deutschen Straßen nach dem Raketenangriff des Iran auf Israel sowie die Aufrufe zu offenen Israel-Hass-Protesten rund um den Jahrestag".
Judenhass klar benennen
Wer angesichts des Jahrestags dieses grausamen Anschlages nicht in der Lage sei, "wenigstens ein Stück Empathie für Jüdinnen und Juden, für die Menschen Israels, zu empfinden, der wird es nie tun - und der hat ein gewaltiges Problem", betonte der Zentralratspräsident: "Wenn wir das in Deutschland nicht klar erkennen und benennen, dass es diese Menschen unter uns gibt, dann haben wir alle ein gewaltiges Problem. Dann droht unsere offene Gesellschaft, in der die Würde des Menschen über allem steht, zu fallen."
Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sprach beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag) von einer besorgniserregenden Zunahme von Judenhass im Vorfeld des 7. Oktober. Nicht nur die Zahl antisemitischer Straftaten sei immens gestiegen: "Mit Sorge sehe ich besonders die Vielzahl der öffentlichen Kundgebungen, bei denen Israelhass und antisemitische Haltungen zum Ausdruck kommen." Judenfeindlichkeit vereine dabei die Anhänger unterschiedlicher extremistischer Bestrebungen, insbesondere im Rahmen von Demonstrationen und Protestgeschehen: "In der öffentlichen Meinung wird dadurch der Hass auf Juden zunehmend 'normalisiert'."
Antirassismusbeauftragte: Kein Generalverdacht gegen Palästinenser
Unterdessen rief die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, mit Blick auf die geplanten Kundgebungen zur Differenzierung auf. Es dürfe keinen Generalverdacht gegen Palästinenser geben, sagte die SPD-Politikerin im SWR: "Antisemitismus geht auf solchen Demonstrationen überhaupt gar nicht. Es muss aber auch eben einen Raum geben für Menschen, wo sie auf das Leid der Menschen in Gaza oder in der Region hinweisen dürfen."
In Deutschland soll auf mehreren Kundgebungen an das Hamas-Massaker in Israel erinnert werden, das sich am Montag zum ersten Mal jährt. Es wird auch zu zahlreichen Demonstrationen aufgerufen, die gegen den Gaza-Krieg protestieren. Vor allem in Berlin wird dabei mit antisemitischen Botschaften gerechnet. Die Polizei stellt sich zum Jahrestag am 7. Oktober auf einen Großeinsatz mit rund 2.000 Polizisten ein.