DOMRADIO.DE: Sie haben für jeden einzelnen Tag der Weltsynode ein Gebetsanliegen vorbereitet, in dem Sie jeweils eine inspirierende Frau der Bibel, der Kirchen- oder auch der Zeitgeschichte vorstellen und Impulse dazu anbieten. Was sind das zum Beispiel für Frauen?
Brigitte Schmidt (Pastoralreferentin und Mit-Initiatorin der Frauen-Gebetsinitiative zur Weltsynode): Natürlich sind uns einige biblische Frauen wichtig, die Apostelinnen Maria von Magdala und Junia zum Beispiel oder die Diakonin Phoebe. Genauso nehmen wir Bezug auf große Frauen der Kirchengeschichte wie die drei Patroninnen Europas Katharina von Siena, Birgitta von Schweden und Edith Stein. Weiter haben wir Gebetsanregungen zu Teresa von Avila oder zur Mystikerin der Straße Madeleine Delbrel, aber auch zu Sophie Scholl. Wir stellen also eine große Bandbreite von Frauen aus Bibel, Kirchen- und Zeitgeschichte vor.
DOMRADIO.DE: Was ist die Intention hinter diesen Gebetstexten?
Schmidt: Diese großen Frauen sind so etwas wie Ahninnen des Glaubens für uns Frauen heute, wir stehen sozusagen auf ihren Schultern. Wir können sie auch Freundinnen im Himmel nennen, die unsere Anliegen unterstützen.
Denn wir stehen in einer langen Reihe von Frauen, die immer wieder auch gegen Widerstände, gegen Hindernisse tätig werden mussten, um sich mit ihren Gaben, mit ihren Fähigkeiten einbringen zu können.
Ich denke zum Beispiel an die Klage von Teresa von Avila, die im 16. Jahrhundert gelebt und damals gesagt: "Ich werfe unserer Zeit vor, dass sie starke und zu allem Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt." Da müssen wir einige Jahrhunderte später sagen: Wir stehen immer noch an dieser Stelle, dass die Gaben von Frauen zurückgewiesen werden, dass sie sie nicht ungehindert einbringen können. Es ermutigt uns, in dieser langen Reihe zu stehen und uns stärken zu lassen von der Beharrlichkeit und der Ausdauer, die Frauen schon in früheren Zeiten gezeigt haben.
Es gibt allerdings immer wieder auch Momente, wo wir uns fragen: Wieso sind wir immer noch nicht weiter, wieso müssen wir immer noch kämpfen? Wieso müssen wir jetzt diese Gebetsinitiative starten, um die in Rom versammelten Synodalen und Synodalinnen mit unseren Gebeten zu unterstützen? Das ist nämlich unser Anliegen. Wir wissen, dass eine solche Synode ein dynamischer Prozess ist und hoffen, dass sich doch noch manches zugunsten unserer Anliegen bewegt.
DOMRADIO.DE: Sie wünschen sich, dass auf der Grundlage dieser Texte ein ganzes Gebetsnetzwerk entsteht…
Schmidt: Zu meiner großen Freude hat sich dieser Wunsch schon erfüllt. Aus der Veröffentlichung des Buches von Schwester Philippa Rath "Weil Gott es so will. Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin oder Priesterin“ ist eine Vernetzungsgruppe entstanden, aus der heraus wir die Gebetstexte zusammengestellt haben. Mehrere Frauen haben sich daran beteiligt und sehr persönliche Gedanken und Gebete formuliert.
Seit Mitte September haben wir versucht, diese Gebetssammlung zu verbreiten und längst haben sich viele angeschlossen. Die katholischen Frauenverbände kfd und KDFB hier bei uns in Deutschland sind dabei, aber auch viele andere in Österreich, der Schweiz und Südtirol; auch Maria 2.0-Gruppen beteiligen sich. Es ist also bereits eine große Gebetsgemeinschaft entstanden, ein richtiges Gebetsnetz.
DOMRADIO.DE: Was für Reaktionen haben Sie bisher bekommen?
Schmidt: Bisher waren das sehr positive Reaktionen. Viele haben unsere Initiative wertvoll genannt und wichtig. Bedeutsam erscheint ihnen, dass durch diese Gebetsinitiative eine Möglichkeit der Beteiligung entsteht. Dadurch, dass sich viele dieser Gebetsinitiative anschließen und einen Beitrag dazu leisten können, dass die Anliegen der Frauen in der Kirche anerkannt werden. Es ist ja immer von der Frauenfrage die Rede, dabei geht es wirklich um die Herzensanliegen von Frauen. Sie wollen endlich die gleiche Würde und die gleichen Rechte in der Kirche haben. Durch die Gebetsinitiative können sie sich jetzt aktiv beteiligen und durch ihre Gebete das unterstützen, was bei der Weltsynode in Rom geschieht.
DOMRADIO.DE: Die jüngsten Aussagen von Papst Franziskus zum Wesen der Frau kurz vor der Synode und die des Präfekten der Glaubenskongregation zu Beginn der Synode in Richtung Weiheämter für Frauen, waren alles andere als ermutigend. Da erscheint manchem und mancher der Aufruf zum gemeinsamen Gebet wahrscheinlich eher naiv. Was sagen Sie dazu?
Schmidt: Wir hatten unseren Aufruf zum Gebet bereits vorher gestartet. Als dann in der ersten Woche der Weltsynode diese neuen Äußerungen aus der Glaubenskongregation kamen, wurde uns klar, wie wichtig unsere Gebetsinitiative tatsächlich ist. Denn wenn jetzt wirklich - wie angekündigt - eine weitere lehramtliche Erklärung zur Rolle der Frau in Kirche und Gesellschaft käme und auf der Linie der Äußerungen von Papst Franziskus an der Katholischen Universität in Löwen läge, wäre das, salopp gesagt, der Supergau für uns Frauen.
Wenn nämlich Frauen einmal mehr zu Objekten gemacht würden in einer von Männern erdachten und geschriebenen Erklärung über das Wesen der Frau und ihrer Rolle, würde das viele Frauen in den westlichen Ländern, in Europa aus der Kirche heraus treiben, die jetzt noch Hoffnung haben, dass sich etwas bewegt. Es würde auch zu einem Aufschrei führen in vielen Ländern der Weltkirche.
Ich habe im vergangenen Jahr an der internationalen Tagung "Gottes starke Töchter" in Leipzig teilgenommen und noch die Stimmen aus der Weltkirche im Kopf. Frauen aus Indien, aus Lateinamerika und Afrika die sagten: "Wenn die Kirche nicht die Anwältin unserer Würde und Rechte ist, dann haben wir in unseren Gesellschaften niemanden.“
Das ist einfach eine große Herausforderung. Und wir können nur auf verschiedenen Wegen versuchen, dass es nicht zu einem solchen Schritt kommt. Durch Aktionen zum Beispiel, die Organisationen wie der "Women's World Council“ während der Synode in Rom plant; auch das Netzwerk Diakonat der Frau plant Begegnungen mit Synodalinnen und Synodalen in Rom organisieren. Und wir wollen eben mit der Kraft unserer Gebete unterstützen, dass es nicht zu einem solchen Schritt kommt, sondern dass die Kirche sich als lernfähig erweist.
DOMRADIO:DE: Woher nehmen Sie eigentlich den langen Atem, allen Widerständen zum Trotz weiter auch innerhalb der katholischen Kirche an Ihren Überzeugungen festzuhalten?
Schmidt: Es ist die Hoffnung, die mich trägt. Und es das ist das tiefe Wissen darum, dass die Situation der Frauen, so wie sie jetzt ist in der katholischen Kirche ist, nicht dem Willen Gottes entspricht. Deshalb müssen wir uns weiter mit Beharrlichkeit und Ausdauer, mit unserem Handeln und unseren Gebeten einsetzen. Da bin ich mit dabei.
Das Interview führte Hilde Regeniter.