Erstmals hat der Vatikan einen eigenen Anti-Missbrauchsbericht vorgelegt. Die Päpstliche Kinderschutzkommission unter Vorsitz des Bostoner Kardinals Sean Patrick O'Malley präsentierte am Dienstag ein 50-seitiges Dokument, das vor allem über Schutzvorkehrungen und Verfahren in der katholischen Kirche in zahlreichen Ländern berichtet. Papst Franziskus hatte einen solchen Report bei der Umstrukturierung des Gremiums 2022 angefordert.
Einen umfassenden Überblick zur Zahl von Missbrauchsfällen oder zum Stand kirchenrechtlicher Verfahren weltweit konnte die Kommission nach eigenen Angaben nicht vorlegen. Dazu fehle aus vielen Ländern noch zuverlässiges Datenmaterial. Stattdessen enthält der Bericht Vorschläge für Verbesserungen in den Vatikanbehörden, die mit Missbrauchsfällen befasst sind, sowie in den einzelnen Regionen der weltweiten Kirche.
Gegen sexualisierte Gewalt und geistlichen Missbrauch
Die 2014 gegründete Kommission soll dem Papst Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Erwachsenen gegen sexualisierte Gewalt sowie jede weitere Form von Missbrauch vorschlagen. Zugleich soll sie den Verantwortlichen in den Ortskirchen, in den Ordensgemeinschaften und in der Caritas Hinweise für einen besseren Umgang mit Missbrauchsfällen und zur Vorbeugung geben.
Kardinal O'Malley räumt Versagen der Kirche ein
Der Vorsitzende der Päpstlichen Kinderschutzkommission, Kardinal Sean Patrick O'Malley, hat unterdessen großes Versagen der Kirche beim Thema Missbrauch eingeräumt.
Vor der Präsentation des ersten Anti-Missbrauchsberichts am Dienstag im Vatikan wandte er sich in emotionalen Worten an Betroffene: "Ihr Leid und Ihre Verletzungen haben unsere Augen geöffnet für die Tatsache, dass wir als Kirche versagt haben, uns um die Opfer zu kümmern, und dass wir Sie nicht verteidigt haben und uns geweigert haben, Sie zu verstehen, als Sie uns am meisten gebraucht hätten", so der Bostoner Kardinal.
Er lobte die "mutigen Zeugnisse" von Opfern und Überlebenden über ihre Leiden. "Wir wissen, dass Sie genug von leeren Worten haben", so der langjährige Erzbischof von Boston. "Nichts, was wir tun, wird je genug sein, um vollständig zu heilen, was geschehen ist." Er äußerte die Hoffnung, dass der Bericht die Zusage stärke, "dass solche Ereignisse nie mehr wieder in der Kirche geschehen werden".
"Anerkennung und Einbeziehung von Opfern"
Weiter sagte O'Malley, bei der Arbeit der Kommission "geht und ging es stets um die Anerkennung und Einbeziehung von Opfern und Überlebenden von Missbrauch in das Leben der Kirche".
Missbrauchsbetroffener dankt Papst Franziskus
Der Chilene Juan Carlos Cruz, ein in Lateinamerika prominenter Interessenvertreter von Missbrauchsbetroffenen, hat Papst Franziskus derweil öffentlich für den Einsatz gegen diese Verbrechen gedankt.
Bei einer Pressekonferenz der Päpstlichen Kinderschutzkommission, deren Mitglied er ist, sagte Cruz, ohne den "Kampf von Papst Franziskus gegen diese Pest" wäre er heute nicht in der Lage, sich für die anderen Missbrauchs-Überlebenden einzusetzen.
Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung seien in der Kirche lange tabu gewesen, das habe sich endlich geändert, sagte Cruz, der als Opfer des chilenischen Priesters und Missbrauchstäters Fernando Karadima (1930-2021) bekannt ist. Den ersten Jahresbericht der vatikanischen Kinderschutzkommission, den er am Dienstag gemeinsam mit anderen vorstellte, würdigte Cruz als wichtige Etappe, auch wenn der Bericht noch bei weitem nicht perfekt sei.