DOMRADIO.DE: Per Entscheidung des Gemeinderates ist der Regisseur und Theaterintendant Christian Stückl seit 1990 unangefochtener Spielleiter. Doch in diesem Jahr war plötzlich alles anders. Ein Casting für die Position des Spielleiters musste her und Altmeister Stückl sollte sich gegen Mitbewerber durchsetzen. Die Folge war Aufruhr im Dorf. Wie ist die Sache denn ausgegangen?
Christian Behrens (Journalist): Die Aufregung in der Spielleiterdiskussion ist inzwischen vorbei. Der Gemeinderat hat beschlossen, dass Christian Stückl der Spielleiter der Passion 2030 wird.
Es ist dann die fünfte Passion, die Stückl aufführt. Aber was war in den vergangenen Monaten in Oberammergau so los? Der Gemeinderat hatte ursprünglich beschlossen, erstmals ein Spielleiter-Casting stattfinden zu lassen. Auslöser war ein Interview von Christian Stückl, wie mir der Bürgermeister von Oberammergau, Andreas Rödl, am Wochenende erzählt hat: "Noch während der Passion 2022 hat Christian mal in einem Interview gesagt, er überlegt, ob das gesamte Leitungsteam zurücktritt."
Und so kam es, dass immer wieder die Diskussion aufkam, wie man denn jetzt dazu mit der Spielleiter-Frage umgeht. So kam die Idee, den Spielleiter der Passion 2030 eben per Casting zu besetzen. Offenbar hatte Christian Stückl aber gar nicht die Absicht, aus der Passion auszusteigen. Nun war das Casting mal in der Welt und es gab neben Stückl plötzlich zwei Konkurrenten um das Amt des Spielleiters.
Einer davon war der bisherige stellvertretende Spielleiter Abdullah Karaca, Stückls künstlerischer Ziehsohn. Dann war die Aufregung im Dorf ziemlich groß. Das Verhältnis Stückl-Karaca war, wie es heißt, angeschlagen. Es gab zwei Meinungen im Dorf, eine pro Stückl, eine pro Karaca. Manche waren für ein Casting, andere nicht. Es gab viele Diskussionen, geplante Bürgerbegehren für einzelne Bewerber und so weiter.
Am Ende der Geschichte ist einer der beiden Konkurrenten ausgestiegen, und Stückl und Karaca wollen nun gemeinsam die Passion inszenieren.
Die ganze Aufregung - man könnte auch sagen, das ganze Theater rund um das Passionstheater - hätte überhaupt nicht sein müssen, sagt jedenfalls Bürgermeister Rödl: "Ich glaube, dass wäre alles anders gelaufen, wenn Christian und Abdullah damals von Anfang an gesagt hätten, sie möchten das Ganze in 2030 wieder machen."
DOMRADIO.DE: Das hätte einiges erleichtert. Jetzt ist die Spielleiterfrage also geklärt. Gibt es schon Ideen, was sich bei den kommenden Passionsspielen ändern wird?
Christian Behrens: Wenn es nach Christian Stückl geht, ziemlich viel. Auf einer Bürgerversammlung in einer großen Halle hat er vergangene Woche gesagt, man müsse es immer weiterentwickeln, man müsse immer weitergehen in die weite Welt, müsse neue Musik schreiben, müsse neue Texte manchen. Man müsse neue Kostüme und neue Bühnenbilder machen.
Also, es soll neue Musik, einen neuen Text, ein neues Bühnenbild und neue Kostüme geben, auch mehr Frauenrollen, mehr jüngere Spieler und eine Weiterentwicklung der Figur des Jesus, um nur die wichtigsten Änderungen zu nennen.
Da sind wir nun gleich schon wieder in der nächsten Auseinandersetzung angekommen. Es gibt nämlich eine Bewegung im Gemeinderat, die sagt, am besten führe man die Passion von 2022 ganz ohne Änderungen, mit alten Kostümen, mit einem alten Bühnenbild und so weiter einfach noch einmal auf.
Das spart dann nämlich Geld und so bleibt dann mehr Geld für das Dorf übrig. Also Neuauflage statt Neuinszenierung. Aber das wäre jetzt wiederum mit Christian Stückl überhaupt nicht zu machen. Und übrigens auch nicht mit Bürgermeister Rödl. Der sagt nämlich, er wolle sich gar nicht an Begrifflichkeiten festhalten, sondern eher daran, dass das Passionsspiel schon eine Weiterentwicklung brauche, weil es auch in die Zeit passen müsse und weil "Copy Paste" auch nicht mehr funktioniere. Seiner Meinung nach komme es so, wie es früher gemacht wurde - über Jahrzehnte immer das gleiche zu spielen - in der heutigen Zeit einfach nicht mehr an.
DOMRADIO.DE: Das klingt schon stark nach Reform. Was bleibt denn bei der nächsten Passion?
Behrens: Auf jeden Fall bleiben die Jugendtage mit den sehr günstigen Eintrittspreisen zum Probespiel und der ziemlich beliebten After-Show-Party. Vielleicht wird es auch mehr Jugendtage gebe. Denn das erwachsene Publikum, so Christian Stückl, wird immer älter und wird natürlich irgendwann aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr kommen können. Ganz klar ist: Man muss für die Passionsspiele Nachwuchszuschauer gewinnen.
Das Interview führte Tobias Fricke.