DOMRADIO.DE: Wie ist diese Idee entstanden, mit dem Marienkäfer auf den Friedhof zu fahren?
Sr. Ursula Preusser MMS (Teil des Seelsorge-Teams der katholischen Pfarrei St. Johann in Duisburg): Die Idee gibt es ja schon. Deutschlandweit gibt es mehrere Kirchenmobile. Wir haben uns überlegt, wir wollten hier von der Pastoral etwas Neues machen. Auch durch die Erfahrung, dass erstens die Kirchen nicht gerade voller werden und zweitens wir natürlich als Hauptamtliche auch aufpassen müssen, dass wir uns nicht zu sehr in so einer kirchlichen Blase bewegen, sondern am ganz normalen Leben auch als Kirche teilhaben.
DOMRADIO.DE: Wie reagieren denn die Menschen auf den Marienkäfer? Also verstehen die das direkt oder wird da auch mal nachgefragt?
Sr. Ursula: Das ist interessant. Das Team der Ehrenamtlichen und ich selbst, wir haben uns im Vorhinein sehr ausgiebig mit dieser Frage auseinandergesetzt, wie wir uns denn erklären. Und es wird fast nie gefragt.
Einmal hat uns jemand, der zunächst mal einen Kaffee wollte, gefragt: Und was ist denn Ihre Aufgabe? Mein ehrenamtlicher Kollege sagte dann: Keine Aufgabe, wir sind einfach nur hier. Dann merkte man, wie der Mann anfing zu strahlen und sagte: "Wie cool ist das denn?"
Es ist immer wieder eine Erleichterung für die Leute, die bei uns einen Kaffee ziehen und irgendwann merken, dass wir Kirche sind. "Ach, die wollen ja gar nichts von mir. Die wollen mich jetzt nicht bequatschen. Die wollen jetzt nicht, dass ich mich irgendwo anmelde oder so, sondern man darf hier einfach ganz normal rumstehen und einen Kaffee trinken. Die stehen auch ganz normal rum und trinken einen Kaffee mit." Also es ist wirklich diese Präsenz. Wir sind da. Ihr seid da. Und Gott ist da.
DOMRADIO.DE: Worüber sprechen denn die Menschen so? Beim Friedhof denke ich jetzt als allererstes an Tod und Trauer. Oder gibt es da auch andere Dinge?
Sr. Ursula: Ganz unterschiedlich. In den letzten Tagen sagte eine Frau, dass ihre Tochter nicht viel Zeit für Grabpflege haben würde. Das habe sich schon angedeutet. Sie überlege daher, ob nicht ein Wiesengrab vielleicht was für sie wäre oder so eine Stele. Also das sind so Gesprächsthemen.
Wenn jemand vor kurzem jemanden verloren hat, sind das natürlich noch mal intensivere Gespräche. Es gibt aber auch ganz alltägliche Sachen, wie zum Beispiel: "Wissen Sie, ich habe früher hier in der Nachbarschaft gearbeitet und damals gab es noch den und den Verein, und da waren wir alle engagiert." Also ganz unterschiedlich.
DOMRADIO.DE: Gibt es eine besondere Geschichte oder eine Begegnung, die Ihnen in der Zeit mit dem Marienkäfer irgendwie im Gedächtnis geblieben sind?
Sr. Ursula: Ja, da gibt es viele. Wir stehen mit dem Marienkäfer nicht nur auf dem Friedhof, wir sind auch auf dem Wochenmarkt und gelegentlich auf Veranstaltungen, wie dem Adventsmarkt oder dem Frühlingsmarkt, je nachdem, wo immer wir eingeladen werden, hier im Pfarreigebiet. Da ergeben sich ganz unterschiedliche Begegnungen.
Eine Begegnung auf dem Markt ist mir unter die Haut gegangen. Mehrere Leute saßen bei uns und tranken ihren Kaffee und eine Frau sagte, es wäre doch alles nicht leicht auf der Welt.
Dann habe ich sie angeguckt und gesagt: Manchmal ist das schon recht anstrengend, die Ohren über Wasser zu halten. Das ist durchaus Arbeit. Dann merkte ich, wie ihre Augen anfingen zu schwimmen. Ich habe gemerkt, hier ist was.
Es war aber nicht möglich, jetzt genau nachzufragen, weil einfach zu viele Leute drumherum saßen. Ich habe sie dann einfach leicht am Arm berührt, ihr eine Schokolade zur Kaffeetasse getan und gesagt: Sie sind nicht allein.
Sie hat mich beim Gehen in den Arm genommen, ohne viel zu sagen. Da habe ich gedacht, manches braucht vielleicht auch keine Worte. Das sind so Momente, wo ich denke, es ist schon wichtig, dass hier jemand steht und Zeit hat.
Das Interview führte Lara Burghardt.