DOMRADIO.DE: Sie sind gerade von Ihrer letzten Fahrrad-Tour durch Japan zurückgekehrt. Wie groß war das Vergnügen, dieses Land zu bereisen?
Gereon Alter (Katholischer Pfarrer aus Essen): Ich bin von Hiroshima nach Tokio gefahren. Das sind ungefähr 1.500 Kilometer. Es ist schon sehr urban, denn Japan ist ja eines der bevölkerungsreichsten Länder. Es war schon eine "Challenge". Aber dadurch, dass die Japaner sehr zurückhaltend sind - auch im Verkehr - war die Tour eigentlich ganz angenehm.
DOMRADIO.DE: Auch in der 10-Millionen-Einwohner-Metropole Tokio?
Alter: Es sind sogar 37 Millionen Einwohner. Aber Tokio ist überraschend ruhig. Man hört kein Hupen, man hört kein Handyklingeln. Es ist fast, als würde sich ein Dorf an das andere reiben. Vielleicht mit Ausnahme von "Downtown", aber ansonsten ist es eine überraschend ruhige Stadt.
DOMRADIO.DE: Welche Menschen haben Sie auf Ihrer Tour kennengelernt?
Alter: Äußerst freundliche und zurückhaltende Menschen. Natürlich ist es mit der Sprache schon eine Herausforderung. Man versteht einander nicht ohne Hilfe. Aber das wird durch eine große Offenheit und Freundlichkeit der Japaner wettgemacht.
DOMRADIO.DE: Ihre erste Tour mit Übernachtung haben Sie im Alter von 13 Jahren gemacht. Wo ging es denn da hin?
Alter: Ins Münsterland, es war eine Wochenendtour nach Nottuln. Ich bin gebürtig aus Gelsenkirchen, die Tour umfasste also ungefähr 80 Kilometer hin und zurück. Das war meine erste Radreise-Erfahrung.
DOMRADIO.DE: Das war die Initialzündung, um noch einige Radreisen draufzupacken?
Alter: Ich habe mir die Frage gestellt, was denn eigentlich hinter Nottuln kommt, wie es da weiter geht? Wie wäre es, wenn ich noch einen Tag auf dem Rad säße? Daraus hat sich dann alles entwickelt.
DOMRADIO.DE: Nach Nottuln kamen Europa, USA, Alaska, die Sahara und jetzt Japan. Empfinden Sie es so, dass Gott uns eigentlich eine schöne Welt geschenkt hat, wenn Sie durch die Länder radeln?
Alter: Es ist eine wunderschöne Welt. Ich habe Naturlandschaften entdeckt, von denen ich gar nicht gewusst habe, dass es so etwas gibt. Sie waren faszinierend, schön, reich. Aber, wie wir alle wissen, sind sie auch sehr bedroht und fragil.
DOMRADIO.DE: Hatten Sie unterwegs auch schon Mal Pech und die ein oder andere Panne?
Alter: Ich habe fast alle Pannen erlebt, die man auf dem Fahrrad erleben kann. Der Lenker ist abgebrochen, der Sattel ist abgebrochen. Einen platten Reifen hatte ich natürlich auch. Aber meine Erfahrung ist, dass es immer einen Ausweg und Hilfe gibt. Es gibt immer Menschen, die da sind, die sagen, dass man das gemeinsam hinbekommt.
DOMRADIO.DE: Sie haben mal gesagt, dass eine Radreise für Sie nicht nur eine sportliche Herausforderung oder eine Jagd nach besonderen Erlebnissen ist. Sie sei immer auch eine Reise zu sich selbst, zu anderen Menschen und zu Gott. Wie begegnen Sie Gott, wenn Sie mit dem Rad reisen? Wie passiert das?
Alter: Das passiert auf eine sehr vermittelnde Art und Weise. Natürlich ist der liebe Gott nicht auf dem Fahrradsattel oder in der Packtasche. Wo er ist, bleibt ein großes Geheimnis. Aber in Begegnung mit anderen Menschen ist mir oftmals schon etwas zugesprochen worden, in mein Leben hinein gesprochen worden, von dem ich im Nachhinein sage, dass mir der liebe Gott da etwas mit auf den Weg gegeben hat.
Gleiches gilt auch im Staunen über die Schönheit der Natur. Die Natur ist ja nicht menschengemacht, die ist uns geschenkt. Dafür dankbar zu sein und auch demütig zu werden, sind Erfahrungen, von denen ich im Nachhinein sagen würde, dass sie auch Glaubenserfahrungen, spirituelle Erfahrungen und Gotteserfahrungen sind.
DOMRADIO.DE: Sie sind sicherlich auch auf Strecken unterwegs, auf denen Ihnen wahrscheinlich über Kilometer niemand entgegenkommt. Ist es da ganz besonders wichtig, diesen Kontakt zu Gott zu haben und zu spüren?
Alter: Ja, das ist so ähnlich wie in Exerzitien. Da hat das Radfahren etwas sehr Meditatives. Man hat ganz viel Raum, um das, was man im Alltag oder auch auf der Reise erlebt hat, zu verdauen und sacken zu lassen. Das Pedalieren, das gleichmäßige Atmen, das hat etwas ungemein Entspannendes.
DOMRADIO.DE: Sie haben auch ein Buch über das Fahrradfahren geschrieben. "Wer radelt, der findet", lautet der Titel des Buches. Was haben Sie denn auf Ihren 72 großen Radreisen schon alles gefunden?
Alter: Ich habe so viel gefunden, dass ich es gar nicht in einem Satz zusammenfassen kann. Aber es gibt natürlich Erlebnisse, Begegnungen, Dinge oder Geschenke, die ich bis heute im Herzen und zu Hause im Regal aufbewahre. Es ist ein großer Schatz, der sich da im Laufe der Jahre angehäuft hat.
DOMRADIO.DE: Welches Radreiseziel schwebt Ihnen noch vor? Wo möchten Sie unbedingt noch hin?
Alter: Sie werden lachen, aber nachdem ich jetzt in Japan und damit weit weg war, ist meine Idee, demnächst mal wieder von zu Hause aufzubrechen, also ganz in der Nähe zu fahren. Denn man kann auch hier in Deutschland wunderschöne, kleine Abenteuer erleben.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn auch Ziele, die Ihnen vorschweben, zu denen Sie aber aus bestimmten Gründen gar nicht hin kommen können?
Alter: Tibet wäre so ein Traumziel. Das ist wunderschön, aber die politischen Verhältnisse lassen es nicht zu. Die chinesische Regierung erlaubt keinen Individualtourismus dort. Da müsste ich mich dann einer Gruppe anschließen, die überwacht wäre. Das ist nicht meine Art zu reisen.
Das Interview führte Carsten Döpp.