Was erwartet uns nach dem Tod? Diese Frage ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst - und trotz aller medizinischen und technischen Fortschritte bis heute unbeantwortet. Dass es einen Bereich "zwischen den Welten" gibt, davon ist Hadley Vlahos überzeugt.
Vlahos ist Hospizschwester und begleitet Menschen in ihren letzten Wochen. Über ihre Erfahrungen hat die US-Amerikanerin ein Buch geschrieben, das in Nordamerika zum Bestseller wurde. In Deutschland ist es nun diesen Spätsommer ebenfalls erschienen.
Vlahos berichtet darin von zwölf Menschen, die meist nach längerer Krankheit starben. Manche von ihnen sind alt gewesen, manche standen in der Mitte ihres Lebens; manche verließen die Welt im Kreis ihrer Liebsten, manche für sich allein.
Viele haben aber gemeinsam, dass sie auf einmal wieder Familienmitglieder sehen, die längst verstorben sind. "Es gibt Dinge, die sich jeder medizinischen Erklärung entziehen", schreibt Vlahos und berichtet etwa von Carl.
Auferstandene Tote, intuitive Vorahnungen
Dessen Tochter Anna war mit zwei Jahren ertrunken. Der eigentlich bettlägerige Mann kroch plötzlich auf allen vieren durchs Zimmer und erklärte, er spiele Verstecken mit Anna. Albert, ein Obdachloser, der unter einer Brücke lebt, sieht seine verstorbene Mutter in seinen letzten Tagen.
"Ich war noch nie glücklicher", sagt er. Seine Mutter habe ihm gesagt, sie würden auf eine lange Reise gehen, aber dann könne er sich endlich ausruhen. Und Vlahos erlebt weitere erstaunliche Dinge: Vorahnungen von Sterbenden, sie sich später bewahrheiten und kommende Gefahren, die Sterbende intuitiv spürten.
Vlahos Geschichten von ihren Klienten rühren an und drücken ein wenig auf die Tränendrüse. Dennoch geben sie eine Ahnung davon, dass die Grenze zwischen Leben und Tod manchmal schwammiger ist, als viele wohl annehmen. Vlahos ist selbst streng religiös aufgewachsen, wandte sich später aber davon ab.
Durch ihre Arbeit ist sie nach eigenen Worten irgendwann überzeugt, dass es ein "Dazwischen" gibt - vielleicht nicht den "Himmel" oder das "Nichts", weder schwarz noch weiß, sondern "Grauwerte". "Ich konnte einfach nicht länger ignorieren, dass da nach dem Tod etwas war."
"Iss den Kuchen!"
Die Begegnungen mit sterbenden Menschen halten für die Hospizschwester und ihre Lesenden aber auch einige Lebensweisheiten parat. "Iss den Kuchen", ist etwa eine, die ihr eine 40-jährige im Sterben liegende Frau mit auf dem Weg gibt. Sie selbst habe viel zu viel Lebenszeit auf dem Laufband verbracht und viel zu viele Verabredungen am Strand abgesagt, weil sie ihren Bauch hässlich gefunden habe.
Vlahos, die selbst an einer Essstörung gelitten hat, nimmt sich das zu Herzen, wie sie schreibt. Sie lässt zu, dass die Geschichten ihre Klienten sie berühren und verändern. "Und aus ebendiesem Grund esse ich heute wirklich IMMER den Kuchen", schreibt Vlahos.
Die junge Frau ist inzwischen eine Bekanntheit - auf der Social-Media-Plattform TikTok folgen ihr mehr als zwei Millionen Menschen. Auch dort teilt sie, was sie als Hospizschwester erlebt. Das Buch und ihre Videos erinnern auch daran, was wichtig ist im Leben.
Vlahos kommt am Schluss zu dieser Erkenntnis: "Meiner Erfahrung nach sind am Ende jene Menschen am glücklichsten, die ihren Frieden mit dem gemacht haben, wie sie lebten, und die sich in ihrem Glauben an das, was als Nächstes kommt, getröstet fühlen."