"Wer zu Hause sterben möchte, muss auch selber einiges dafür tun. Und damit kann man gar nicht früh genug anfangen", sagt Rebekka Streese. Sie ist Pflegeleitung auf der Intensivstation eines Berliner Krankenhauses und hat vor einigen Jahren den Verein "Würdevoll Altern und Sterben in der Märkischen Schweiz" mitgegründet.
Es ist ein Netzwerk aus Pflegediensten, Fachmedizinern, Ehrenamtlichen und Lokalpolitikern in Brandenburg. Ziel ist es, einerseits die Akteure miteinander zu vernetzen, andererseits Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung zu leisten - dazu, was notwendig ist und welche Angebote es vor Ort gibt, damit der Wunsch nach einem würdevollen Altern und Sterben in vertrauter Umgebung in Erfüllung gehen kann.
"Tod und Sterben ist in unserer Gesellschaft ein komplettes Tabu-Thema. Die wenigsten Menschen setzen sich etwa rechtzeitig damit auseinander, welche medizinischen Maßnahmen sie am Lebensende möchten oder was es für vielfältige Unterstützung gibt. Wenn es dann soweit ist, sind viele samt Angehörigen komplett überfordert", berichtet Streese.
"Wer zu Hause sterben möchte, steht erstmal selbst in der Verantwortung, das vorzubereiten." Dazu gehöre auch, mit der Familie offen und regelmäßig darüber zu sprechen: "Warum nicht bei der Geburtstagsfeier, wenn alle zusammen sind? Der Tod gehört zum Leben!" Die 44-jährige Streese spricht regelmäßig mit ihren 12- und 14-jährigen Kindern darüber:
"Wir reden auch darüber, was uns Angst macht bei dem Thema."
Wichtige Rolle der Hausärzte
Wichtig ist aus ihrer Sicht ebenfalls, dass Hausärzte mit ihren langjährigen Patienten gezielt das Gespräch dazu suchen und dabei auch das soziale Umfeld des Patienten im Blick haben.
"Doch eine Beratung zur Patientenverfügung beispielsweise können sie bislang nicht abrechnen, da geht's schon los", kritisiert Streese. Ein weiterer Punkt: "Bevor man jemand Hochbetagtes ins Krankenhaus einweist, sollte man wirklich sehr genau überlegen, ob das sinnvoll ist."
Sie nennt ein Beispiel: Ein Arzt wies eine über 80-jährige Patientin mit Blasenentzündung ins Krankenhaus ein, damit sie dort intravenös Antibiotika bekommen sollte. "Das könnte man auch ambulant machen", so Streese. "Die Gefahr, dass die Frau sich aufgrund ihrer Vorerkrankungen im Krankenhaus Schwerwiegenderes einfängt, ist hoch."
Viele Krankenhauseinweisungen beruhten auf fehlenden Kapazitäten ambulanter Einrichtungen, und seien dann eben mit dem Risiko von zusätzlichen Krankenhausinfektionen verbunden, die oft auf einer Intensivstation endeten. Seit 2007 wird ein Sterben zu Hause gesetzlich unterstützt.
Doch wie sieht es in der Praxis aus? Laut einer repräsentativen Umfrage von 2022 sterben knapp die Hälfte der Deutschen im Krankenhaus (44 Prozent). Die allermeisten Menschen brauchen am Lebensende eine palliative Versorgung. Das bedeutet Linderung von Schmerzen und Leid und die Sicherung möglichst hoher Lebensqualität der Sterbenskranken.
Dazu gehört auch eine psycho-soziale und spirituelle Begleitung. Etwa 60 Prozent aller Sterbenden benötigen eine Allgemeine Palliativversorgung (AAPV), 15 Prozent eine spezialisierte (SAPV), sagt Michaela Hach. Sie ist bei der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin Sprecherin der Arbeitsgruppe Ambulante Palliativversorgung.
Unterversorgung im ländlichen Raum
"Es gibt generell zu wenig Allgemeine Palliativversorgung. Im ländlichen Bereich ist es teils noch herausfordernder, weil es weniger spezielle Versorgungsteams für Schwerstkranke gibt, weniger Hausärzte und Pflegedienste. Die Patienten verteilen sich in dünn besiedelten Gebieten über große Gebiete", bilanziert Hach.
Eine Studie zeigte 2023, dass etwa 250.000 Menschen beispielsweise mehr als eine Stunde vom nächsten SAPV-Team entfernt wohnen.
Sie leben hauptsächlich im westlichen Schleswig-Holstein, im östlichen Mecklenburg-Vorpommern, in den dünn besiedelten Landkreisen der Prignitz und der Uckermark in Brandenburg und im Hochsauerlandkreis in Nordrhein-Westfalen sowie im südwestlichen Baden-Württemberg.
Eine Neuerung in der Palliativversorgung ist Telemedizin: Per Videokonferenz können zum einen weit entfernte Fachleute hinzugezogen werden, zum anderen gibt es einen schnellen, unkomplizierten Kontakt zum Patienten.
In Nordhessen etwa setzt das Kinder-Palliativ-Team "Kleine Riesen" diese Technik ein und ist seit 2021 federführend in der Umsetzung von Forschungsprojekten im Bereich Telehealth eingebunden.
"Viele Familien reagieren sehr positiv darauf. Unsicherheiten und Veränderungen lassen sich so schnell und unkompliziert abklären und per Video besser als per Telefon einschätzen", berichtet Hach. "Es ist kein Ersatz für einen Hausbesuch, aber eine wichtige Ergänzung. Und es funktioniert nur gut, wenn zuvor ein Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde."