DOMRADIO.DE: Die Graffitikrippe auf dem Laurentiusplatz ist mittlerweile eine Institution in Wuppertal-Elberfeld. Unter einer Graffitikrippe stellt man sich eine Wand oder etwas Hartes vor, auf die ein Künstler professionell ein Weihnachtsmotiv besprüht. Soweit richtig?
Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent an der Katholischen Citykirche in Wuppertal): So haben wir angefangen. Wir hatten am Anfang immer eine Holzwand, die auch schon mal als Dreieck oder Achteck gestellt war. Aber auf jeden Fall gab es eine Wand, auf die die Weihnachtsgeschichte sukzessive über den Advent hinweg drauf gesprüht wurde.
Am Heiligabend um Punkt 12:00 Uhr wurde das Jesuskind in die Krippe gesprüht oder gelegt. Aber das Motiv, das Sujet ist jedes Jahr dasselbe. Wir haben eine Krippe, Maria, Josef, Ochs und Esel, die drei Könige und all das, was man an Weihnachten feiert und natürlich das Jesuskind.
DOMRADIO.DE: Neu ist, dass die Krippe nun Türchen hat und die Krippe selber ein Adventskalender ist?
Kleine: Die Graffitikrippen entstehen jedes Jahr neu. Wir haben immer dieselbe Geschichte, aber jedes Mal auf eine andere Weise erzählt. Seit zwei Jahren versuchen wir das auch in der Methodik noch mal komplett anders zu machen. Letztes Jahr gab es eine Telefonzelle, die besprüht war, wo es darum ging zu telefonieren und Kontakt mit Gott aufzunehmen.
In diesem Jahr hat der Graffitikünstler Martin Heuwold, mit dem wir zusammenarbeiten, die Idee gehabt, einen Adventskalender zu machen, wo an jedem Tag vom 1. Dezember an ein Türchen aufgeht. Der 24. ist natürlich ein ganz besonderes Türchen.
Wir arbeiten in diesem Jahr mit "Proviel" zusammen. Das ist eine Werkstatt für Menschen mit einer psychischen Behinderung. Die gestalten das, was in den Türchen ist. Was das ist, weiß ich teilweise selber noch nicht. Aber da werden kleinere Kunstwerke drin sein. Sprüche, die den Leuten hoffentlich helfen, fröhlich durch den Advent zu kommen. Das Ganze wird von Innen beleuchtet, sodass es nachts auch zunehmend immer heller wird. Das Motto in diesem Jahr lautet: Vom Dunkel ins Licht.
DOMRADIO.DE: Wie kann man in einer besprühten Wand ein Türchen haben?
Kleine: Wir brauchen eine Fläche, auf der gesprüht wird. Das war ursprünglich eine Wand, aber die Form hat sich schon immer geändert. Wir haben auch mal einen Stall gebaut, der besprüht wurde. In diesem Jahr ist das ein großer Quader, etwa zwei Meter und 40 Zentimeter hoch, mit einer Kantenlänge von einem Meter und 20 Zentimetern. Er hat also vier Seiten.
Auf jeder Seite befinden sich sechs Türchen, insgesamt also 24. In der Mitte ist eine Lichtquelle, sodass man um diesen Quader herumgehen und sich die einzelnen Türchen anschauen kann.
DOMRADIO.DE: Das machen Sie zusammen mit "Proviel". "Viel" steht in dem Namen für viele Menschen. Es handelt sich um eine Werkstatt für Menschen mit psychischen Behinderungen. Die gestalten diese einzelnen Türchen. Haben Sie ein Beispiel dafür, was da drin sein kann?
Kleine: Was sich genau hinter diesen Türchen befindet, weiß ich selber auch noch nicht. Ich habe erste Bilder von der Herstellung gesehen. Man kann es sich in etwa so vorstellen, dass es auf Acrylglas gemalt oder geschrieben wird. Es gibt teilweise Worte, teilweise Bilder, die sich hinter den Türchen befinden. Die werden da befestigt, sodass man, wenn man die Türchen abnimmt, reingucken kann.
Damit man das auch gut sehen kann, wird das von hinten beleuchtet. Es ist eine bunte Krippe, es wird mit den kleinen Kunstwerken der Menschen, die da von "Proviel" mitgearbeitet haben, sehr bunt sein. Die haben auf Acrylglas oder auf etwas Transparentem gearbeitet.
Es entstanden kleine Kästen, die von hinten an die Türchen dran gemacht sind. Da kann man hineinschauen, das Ganze wird von Innen beleuchtet. Auf den Heiligabend bin ich selbst immer sehr gespannt, wie das Jesuskind nun aussieht, das weiß ich vorher nie. Das ist für mich auch die große Überraschung um Punkt 12 Uhr am Heiligabend.
DOMRADIO.DE: Bei Ihnen am Laurentsplatz in Wuppertal-Elberfeld gibt es in diesem Jahr keinen mittelalterlichen Weihnachtsmarkt. Ist ihr Adventskalender dann dafür zuständig, dass es auf dem Platz trotzdem adventlich wird?
Kleine: Jein. Auf dem Lauentiusplatz befand sich schon im letzten Jahr der sogenannte Winterzauber. Man kann sich das von der Atmosphäre her wie Mallorca mitten in Wuppertal vorstellen, nur auf Winter gemacht. Es gibt eine Eisbahn, es gibt Eisstockschießen, es wurde eine große Almhütte aufgebaut, auf der Aprés Ski gefeiert wird. Mehr braucht man, denke ich, gar nicht zu sagen. Es gibt einige Stände.
Das Ganze sieht sehr schön aus, das kann man nicht anders sagen. Es wird in Wuppertal sehr gut angenommen. Aber es wird dort ein Advent gefeiert, der weniger still ist, sondern wo die Leute eher Vorweihnacht feiern. Das hat durchaus eine sehr charmante Atmosphäre.
Und mittendrin, das ist mit dem Betreiber abgesprochen, steht unsere Graffitikrippe, die einen christlichen Akzent setzt. Das wird von dem Betreiber durchaus unterstützt. Aber wir befinden uns da in einem Umfeld, das nicht in dem Sinne andächtig ist. Das finde ich persönlich auch nicht schlimm, weil ich glaube, dass die allererste Weihnacht, worauf wir uns alle berufen, auch keine wirklich stille Veranstaltung war.
Da kamen Könige aus fremden Ländern. Der Herrscher des Landes trachtete dem Jesuskind nach dem Leben, Hirten kamen, die Engel sangen laut "Ehre sei Gott in der Höhe". Jesus kam mitten in diese laute Welt hinein. Das wird hier in Wuppertal geradezu mit Händen greifbar.
Die Wuppertaler lieben diesen Winterzauber. Der ist auch ästhetisch durchaus schön, aber er ist eher Party als eine Andacht. Und mitten dahinein stellen wir unsere Graffitikrippe, um einen eigenen Akzent zu setzen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.