DOMRADIO.DE: Vor einem Jahr haben Sie das Neue Testament ins ostfriesische Platt übersetzt. Jetzt waren die 150 Psalmen des Alten Testaments an der Reihe. Was fasziniert Sie so sehr daran, dass es die Bibel auf Ostfriesisch gibt?
Jann Schmidt (Ehemaliger Kirchenpräsident der evangelisch-reformierten Kirche in Leer): Zunächst einmal war es gar nicht meine Idee, sondern es gibt das Neue Testament auf Platt schon seit 1920. In den 1980er-Jahren hat schon mal ein Pastor das Neue Testament übersetzt.
Meine Kirchenleitung hatte mich gefragt, ob ich nicht dieses vorhandene Neue Testament und die Psalmen, die in Auswahl schon in Plattdeutsch vorlagen, aktualisieren und dem heutigen Sprachgebrauch anpassen möchte. Das habe ich versucht und das ging nicht. Ich bin direkt beim Markusevangelium gescheitert.
Man kann ein Gesamtkunstwerk, was der Pfarrer etwa 1980 vorgelegt hat, nicht verändern. Da muss man in jeden Satz eingreifen, jeden Vers verändern. Da hat die Kirchenleitung gesagt, dann mach was Eigenes.
Dann habe ich mich hingesetzt, und gut zwei Jahre für das Neue Testament gebraucht und das letzte Jahr für die 150 Psalmen. Die plattdeutsche Sprache geht den Ostfriesen näher ans Herz, das fasziniert mich daran. Das ist eine vertraute Sprache, mit der man aufgewachsen ist. Es ist die Muttersprache, das war sie bei mir auch. Bis zum ersten Schuljahr habe ich nur Platt gesprochen.
DOMRADIO.DE: Sie haben sich bei der Übersetzung bemüht, Worte aus der Alltagssprache zu finden. Wie hat sich das ostfriesische Platt verändert in den vergangenen Jahren?
Schmidt: Jede Sprache lebt, jede Sprache entwickelt sich und es gibt immer wieder Worte, die geraten in Vergessenheit. Ich sage mal ein Beispiel: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Das kennt jeder aus Psalm 23, ist ganz geläufig. 1980 hat ein Pastor übersetzt: "De Heer is mien Heerder, ik sall kien Krök lieden." Mir soll nichts mangeln. Und dieser Ausdruck, "ik sall kien Krök lieden", das gibt es nicht mehr. Das ist aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Da muss man dann was Neues suchen. "Mi fehlt dat an nix", habe ich dann übersetzt.
DOMRADIO.DE: Okay, das kennt man, das verstehe sogar ich.
Schmidt: Auch "Hochdeutsche" können die plattdeutschen Psalmen lesen und mit etwas Mühe verstehen. Wenn sie jetzt auf den kommenden Sonntag sehen, da haben wir den ersten Advent. Da wird in fast allen Kirchengemeinden das Lied gesungen, "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit". Dieses Lied fußt auf Psalm 24.
Da heißt es bei Luther, mache die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe. Wahrscheinlich weiß kein Mensch heute mehr, was der König der Ehre ist. Da muss man versuchen, im Plattdeutschen eine Wendung zu finden, die allgemein verständlich ist oder die noch im Sprachgebrauch drin ist.
Was ein König der Ehre ist, kann mir auch kein Plattdeutscher erklären. Dann habe ich übersetzt: "Maakt de Poorten open, riet de Schötels van de Dören - hier un overall up d' Eer. Dann kann de König mit all sien Herelkheid intrecken". Dann fragt einer, "well is de König, de so herelk wesen sall?" Der König der Ehre, dieses Substantivische habe ich dann umgemodelt, damit man darauf einen besseren Zugriff hat.
DOMRADIO.DE: Ein Jahr haben Sie an der Übersetzung gearbeitet, die Texte aus dem Alten Testament sind bis zu 3.000 Jahre alt. Haben Sie Tag und Nacht übersetzt und gearbeitet? Wie ist das praktisch gelaufen bei Ihnen?
Schmidt: Es war schon sehr anstrengend. Ich habe mich morgens hingesetzt, anderthalb bis zwei Stunden. Ich habe mich nachmittags nach dem Kaffee ein bis zwei Stunden hingesetzt und abends noch mal, und das auch im Urlaub. Ich habe den Computer mit in den Urlaub genommen, sowie zwei, drei Bücher, um auch mal Vergleiche zu haben.
Sehr hilfreich war für mich zum Beispiel eine englische Übersetzung oder die holländischen Psalmen. Da kann man immer mal Anregungen finden, die sind nicht, – und das ist jetzt sicher kein gutes Wort – so bombastisch oder schwülstig, wie manchmal die Texte aus der Lutherbibel auf uns wirken. Da kann man mal ein bisschen stibitzen oder sich eine gute Idee holen.
DOMRADIO.DE: Sie haben erst am Neuen Testament, nun am Alten gearbeitet. Was können wir im nächsten Jahr von Ihnen auf Ostfriesisch erwarten, wenn wir wieder miteinander telefonieren?
Schmidt: Wir können gern miteinander telefonieren. Ich bin aber sicher, dass ich mich jetzt erst einmal zurückziehe. Das waren anstrengende Monate, auch drei anstrengende Jahre. Ich glaube, das ist dann auch gut gewesen. Man muss es auch nicht übertreiben, man muss auch wissen, das war es jetzt.
Das Neue Testament ist ganz hervorragend gelaufen, sagt man. Es hat sich hervorragend verkauft. Zweieinhalbtausend Neue Testamente sind im letzten Jahr verkauft worden, und ich hoffe, dass der Verlag und die Kirchenleitung mit den Psalmen jetzt einen ähnlichen Erfolg erleben.
Das Interview führte Carsten Döpp.
Zur Information: DE PSALMEN - In´t oostfreeske Plattdüütsk overdragen van Jann Schmidt, hrsg. im Auftrag der Evangelisch-reformierten Kirche, SKN-Verlag 2024, 352 Seiten – Preis 12.00 Euro, www.skn-verlag.de/
DAT NEEI TESTAMENT – Das Neue Testament in ostfriesischem Plattdeutsch, übersetzt von Jann Schmidt, hrsg. im Auftrag der Evangelisch-reformierten Kirche, foedus-Verlag 2023, 720 Seiten – Preis: 22.00 Euro, info@foedus-verlag.de