Kirchen sind gegen ein Gottesdienst-Verbot in russischen Wohnhäusern

Viele Gemeinden ohne eigene Gebäude

Russische Politiker wollen Hauskirchen schließen und Salbungen in Wohnungen verbieten. Das träfe die Glaubensgemeinschaften hart. Nach der orthodoxen Kirche wenden sich auch katholische Bischöfe gegen den Vorstoß.

Autor/in:
Oliver Hinz
Betende Frauen (Symbolbild) / © VGstockstudio (shutterstock)
Betende Frauen (Symbolbild) / © VGstockstudio ( shutterstock )

Religionsgemeinschaften in Russland kritisieren einen Gesetzentwurf für ein Gottesdienst-Verbot in Wohnhäusern. Auch die katholische Russische Bischofskonferenz äußerte Bedenken. Vielerorts müssten sich Kirchengemeinden in Mehrfamilienhäusern versammeln, weil ihnen Gotteshäuser fehlten, sagte der Pressesprecher der Bischofskonferenz, Kyrill Gorbunow, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

"In zahlreichen russischen Städten wurden historische Kirchen nicht an die Gläubigen zurückgegeben oder während der Sowjetzeit einfach zerstört", erklärte er. Die Behörden erteilen ihm zufolge mancherorts keine Genehmigung für den Bau einer neuen Kirche oder die Pfarrei verfüge nicht über das Geld für einen Neubau. "Die katholischen Bischöfe teilen die Bedenken anderer Konfessionen und beabsichtigen, ihre Sicht dem Gesetzgeber schriftlich mitzuteilen", so Gorbunow weiter. Der Sprecher räumte zugleich ein, dass es manchmal Konflikte mit Bewohnern der Häuser gebe: "Sie sind davon überzeugt, dass sich in Wohnhäusern nur Sekten versammeln und alle echten Kirchen ihre eigenen Gebäude haben."

Gesetz richtet sich auch gegen illegale Einwanderer

Der Gesetzentwurf wurde im Oktober von der kleinen Kreml-nahen Fraktion "Neue Leute" in das Unterhaus des Parlaments, die Duma, eingebracht. Er sieht Änderungen am Gesetz "über die Gewissens- und Religionsfreiheit" vor. Religiöse Zeremonien und die Abhaltung öffentlicher Gottesdienste sollen in Wohnhäusern stark eingeschränkt werden. Zusammenkünfte von vielen Fremden und auch illegal eingereisten Einwanderern vergrößerten das Sicherheitsrisiko in Wohngebäuden, heißt es in der Begründung. Von einer Verschlechterung der Kriminalitätslage, Ängsten der Bewohner des Hauses und Verstößen gegen Brandschutzvorschriften ist die Rede.

Am deutlichsten protestierten bisher die Adventisten und andere protestantische Gemeinschaften sowie Vertreter des Islams gegen den Gesetzentwurf. Kritik kam aber auch von der Leiterin der Rechtsabteilung der russisch-orthodoxen Kirche, Äbtissin Ksenija Tschernega. In der vorliegenden Form verbiete der Entwurf, dass russisch-orthodoxe Geistliche auf Bitten von Gläubigen die Kommunion, eine Krankensalbung und andere religiöse Riten in Wohnungen spenden, warnte sie. Das betreffe etwa Schwerkranke und Sterbende. Auch müssten orthodoxe Hauskirchen schließen.

Moskauer Patriarchat verlangt Änderungen

Die Chefin der Rechtsabteilung des Moskauer Patriarchats verlangte eine Überarbeitung des Entwurfs. Sie teilte jedoch die Einwände der Antragsteller gegen die Durchführung religiöser Riten in Wohnungen durch "Migrantengruppen, die nicht den Status einer juristischen Person haben". Sie sehe ebenso die Gefahr von Konflikten in Wohngebäuden.

Wie es mit dem umstrittenen Gesetzentwurf weitergeht, ist noch unklar. Die sich wirtschaftsfreundlich und modern gebende Partei "Neue Leute" erhielt bei der Dumawahl 2021 nach offiziellen Angaben

5,3 Prozent der Stimmen und zog so erstmals in das Parlament ein. Die deutsche Stiftung Wissenschaft und Politik geht davon aus, dass die Partei auf Initiative des Kremls 2020 gegründet wurde, "um Unzufriedenheit in der Bevölkerung in die Bahnen des kontrollierten Parteiensystems zu lenken".

Katholische Kirche in Russland

Rund 800.000 Bürger Russlands bekennen sich zur katholischen Kirche. Mit einem Bevölkerungsanteil von etwa 0,6 Prozent ist sie damit eine kleine Diasporakirche. Die Zahl der Katholiken wäre weit größer, hätten nicht viele deutschstämmige Katholiken nach dem Ende der Sowjetunion Russland verlassen.

Russische Gottesdienstbesucherin / © Natasha Gileva (KNA)
Russische Gottesdienstbesucherin / © Natasha Gileva ( KNA )
Quelle:
KNA