DOMRADIO.DE: Es gibt Stimmen, die sagen, dass die Beschlüsse der Weltsynode dem deutschen Gremium mehr Legitimation verleihen. Teilen Sie diese Ansicht?
Gregor Podschun (Bundesvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, BDKJ): Das sehe ich etwas anders. Ich glaube, dass die Bischofskonferenz und Teile des ZdK (Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Anm. d. Red.) den Synodalen Ausschuss in dieses andere Licht stellen. Der Synodale Ausschuss hätte so oder so in dieser Form stattgefunden, auch ohne die Weltsynode. Seine Legitimation gründet sich auf den Beschluss des Synodalen Weges, nicht auf die Weltsynode.
Es geht darum, die systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt zu bearbeiten und die Beteiligung von Gläubigen in kirchlichen Prozessen zu stärken – als Schutzfaktor. Der Synodale Ausschuss bereitet hauptsächlich den Synodalen Rat vor, der ein dauerhaftes synodales Gremium werden soll.
Die Weltsynode spielt in diesem Konstrukt keine zentrale Rolle, auch wenn ihr teilweise mehr Gewicht beigemessen wird, als sie tatsächlich hat. Alle Argumente der Legitimation, auch bevor die Weltsynode bekannt war, wären ansonsten auch hinfällig.
DOMRADIO.DE: Kritiker bemängeln, dass kein nationaler Sonderweg entstehen dürfe, weil die Kirche eine Weltkirche ist. Wie stehen Sie zu diesem Argument?
Podschun: Die Weltkirche ist wichtig, und ich halte den Einsatz für weltweite Strukturen für richtig. Ebenso war die Weltsynode ein bedeutendes Ereignis. Aber die katholische Weltkirche hat bislang die systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt nicht anerkannt. Deshalb müssen wir für dieses Problem nationale Lösungen finden, um Leid und Gewalt zu verhindern. Ob das als "nationaler Sonderweg" gesehen wird, ist für mich zweitrangig. Es geht nur darum, Leid und Gewalt zu verhindern.
Entscheidend ist, dass wir in Deutschland Verantwortung übernehmen und Beteiligung ermöglichen. Der Synodale Rat ist ein Weg dorthin.
Übrigens, eine Nebenbemerkung: Die Strukturen des Synodalen Ausschusses und des Synodalen Rates sind, so wie sie angelegt sind, kirchenrechtskonform. Die angeführten Hürden gibt es nicht, sie werden künstlich aufgebaut. Vermutlich, weil gewisse Machtstrukturen Angst vor Veränderungen haben.
DOMRADIO.DE: Sie haben Beteiligung und Machtstrukturen angesprochen. Sind Sie zufrieden mit der bisherigen Arbeit des Synodalen Ausschusses?
Podschun: Ich bin zwiegespalten und teilweise skeptisch. Es gibt Texte, die beim Synodalen Weg nicht mehr bearbeitet wurden und jetzt vom Ausschuss fertiggestellt und beschlossen werden sollen. Das ist einer der drei Aufträge an den Synodalen Ausschuss.
Allerdings haben die Mitglieder bisher weniger Einflussmöglichkeiten im Synodalen Ausschuss als zuvor im Synodalen Weg. Die Texte sollen unverändert verabschiedet werden, obwohl die Geschäftsordnung eigentlich Mitwirkung vorsieht. Zudem bleibt die Macht letzten Endes bei den Bischöfen. Wir können beraten und diskutieren, aber die abschließende Entscheidung liegt allein bei ihnen.
Diese Machtstrukturen, die am Ende des Synodalen Weges durch das Agieren der Bischöfe nochmals deutlich sichtbar wurden, bestehen weiter.
DOMRADIO.DE: Was müsste sich aus Sicht des BDKJ ändern, damit der Synodale Ausschuss ein Erfolg wird?
Podschun: Die Hauptaufgabe des Synodalen Ausschusses ist es, Synodalität in Deutschland dauerhaft zu verankern – ob in einem Synodalen Rat oder einem anderen Gremium. Unser Ziel als BDKJ ist es, dass dabei die Interessen von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werden müssen. Ein Drittel der Katholik*innen in Deutschland ist unter 30 Jahre alt. Wir fordern, dass ihre Perspektiven in diesem Konstrukt des Synodalen Rates angemessen vertreten werden.
Weiterhin muss das Gremium aus unserer Sicht geschlechtergerecht zusammengesetzt sein und echte Mitentscheidungsmöglichkeiten an kirchlichen Prozessen in Deutschland bieten und nicht nur beratend, wie bisher. Nur so können wir die Machtstrukturen überwinden, die sexualisierte Gewalt ermöglicht haben.
Sollte uns das gelingen, wäre ich zufrieden. Allerdings bin ich skeptisch, ob wir tatsächlich eine ernsthafte Machtteilung erreichen, so, wie die kirchlichen Strukturen derzeit weltweit und in Deutschland aussehen.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.