DOMRADIO.DE: Das ist jetzt die zweite Vollversammlung in diesem Jahr. Was ist das für Sie? Eher Stress oder Spaß und Freude?
Irme Stetter-Karp (Präsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken / ZdK): Das ist beides. Wenn es gut gelingt, dann kommt natürlich die Freude in den Vordergrund. Aber es ist natürlich auch eine Anstrengung, in der Größe dieser Versammlungen die Ziele zu erreichen, die wir haben. Ganz konkret auch mit den Anträgen voranzukommen.
Da bin ich jetzt total happy, weil wir heute Morgen 100 Prozent für unseren Initiativantrag erhielten. Gestern Abend war da noch bei anderen Fragen im Programm einiges an Spannung und die Vorabende haben auch glaube ich so eine Funktion, sich zu verständigen und auch zu reiben, aber für heute bin ich erst mal maximal zufrieden.
DOMRADIO.DE: Es geht viel um das Thema Demokratie und auch um das Thema Krisen und Kriege. Es gab eine sehr hohe Beteiligung bei den offenen Workshops, sogenannten Barcamp-Sessions. Wie ist die Stimmung?
Stetter-Karp: Die letzte Versammlung in Erfurt hat uns ein klares Signal gegeben, dass sie es selber auch ausprobieren möchte, mehr Partizipation in einer anderen Arbeitsweise zu wagen. Dem sind wir gefolgt und von daher finde ich es natürlich sehr schön, dass die Antwort jetzt so weit, wie wir es heute jetzt im Moment sehen können, auch passt.
Es gibt eine hohe Beteiligung mit über 30 Angeboten, die spontan entstanden sind. Die vielfältige Expertise, die wir in unseren Reihen haben, also Vertreter unterschiedlichster Professionen auf unterschiedlichsten Ebenen, konnte dabei eingebracht werden.
Ich nenne jetzt mal nur zwei Beispiele: Ein Transplantationsmediziner, der über Organspende spricht. Und ein Schulrektor, der sich fragt, ob denn die schulischen Angebote taugen, wenn die Demokratiebildung nicht funktioniert.
Das sind jetzt nur zwei Beispiele, aber ich finde, sie machen plastisch deutlich, dass es da eine Vielfalt an Expertisen gibt. Und diesen Schatz zu heben, ist wertvoll. Wir werden auswerten und sehen, wie das weitergeht. Aber ich bin froh, dass wir das Experiment wagen.
DOMRADIO.DE: Welcher thematische Schwerpunkt dieser Vollversammlung liegt Ihnen denn am meisten am Herzen?
Stetter-Karp: Ganz schwere Frage. Die beantworte ich nicht mit dem einen gegen das andere Thema. Wir haben international so viele Krisenherde, und ich mache mir auch Sorgen über die zu erwartenden Folgen der Wahl von Donald Trump als US-Präsident.
Auf der anderen Seite haben wir natürlich innenpolitisch auch eine unruhige Situation, die wir jetzt nicht dramatisieren müssen. Es gibt glücklicherweise ein funktionierendes Instrumentarium, um damit umzugehen.
Wir wollen aber auch mit unseren Möglichkeiten dazu beitragen, dass es kein hasserfüllter, konfrontativer Wahlkampf wird, sondern dass auch sachorientiert fair miteinander gestritten wird. Wir wollen unsere Kraft auch einbringen in der Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
DOMRADIO.DE: Wie reagieren Sie auf die aktuelle politische Situation in den USA und in Deutschland?
Stetter-Karp: Durch die innenpolitische Situation und aufgrund der Wahl in den USA war uns klar, dass wir uns dazu jetzt öffentlich äußern müssen. Deswegen hatten wir gemeinsam mit den Sprecher:innen den Initiativantrag zu diesem Thema eingebracht. Der war jetzt wirklich aufgrund der aktuellen Lage erfolgt.
In verschiedener Weise waren wir auch schon vorher am Thema dran, zum Beispiel am Katholikentag in Erfurt mit dem Thema "Demokratie und Vielfalt" und durch verschiedene Programmpunkte der letzten Versammlungen. Und wir werden auch am Thema dranbleiben. Insofern ist es keine punktuelle Geschichte, sondern ein roter Faden für die ZDK-Versammlungen.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich für alle Teilnehmenden?
Stetter-Karp: Ich wünsche natürlich, dass sie auch Impulse mitnehmen in Ihre Organisationen. Das ist ja immer ein Geben und Nehmen. Wir leben als ZdK davon, dass die Delegierten ihre Kräfte und Sichtweisen einbringen.
Da ist ja eine große Vielfalt da. Das zeichnet uns auch aus, dass wir mit dieser Vielfalt produktiv umgehen können und auf der anderen Seite, dass sie natürlich auch etwas mitnehmen und es weitertragen.
Es ist ja immer auch die Frage, welche Rückbindung wir haben. Wir sind sicher in der Struktur demokratisch aufgebaut. Dennoch ist es auch wichtig, effektiv zu kommunizieren, damit die Menschen verstehen, was wir machen.
DOMRADIO.DE: Warum ist es besonders als Christ oder Christin wichtig, sich in solchen Zeiten politisch zu engagieren?
Stetter-Karp: Ich gebe mal die Antwort nicht aus unserer Perspektive, sondern aus der Sicht derer, mit denen wir politisch sprechen. Wir hatten jetzt in den letzten zwei Jahren eine ganze Reihe von Gesprächen mit den Parteivorständen, auch mit dem Kanzler und dem Bundespräsidenten.
Die Resonanz auf unsere Positionen zu bioethischen Themen und der Frage der Friedenslösungen in den Krisenherden ist positiv. Uns wird gesagt, dass es wichtig sei, dass wir uns einbringen. Ebenso in der Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts, weil es eben nicht mehr so viele große Organisationen gibt, die sich bundesweit einbringen können.
Das gelingt uns natürlich nur, wenn wir auch innerkirchlich über bestimmte Prozesse streiten. Stichworte wären da etwa Synodalität, Partizipation, etc.. Das können wir nicht nur gesellschaftlich fordern, sondern das müssen wir immer auch einlösen. Aber ich habe schon den Eindruck, dass mehr noch als in der Vergangenheit die Parteien das auch so sehen.
Sie brauchen diese Unterstützung auch dringend, weil das Vertrauen in die Politik geschwunden ist. Und die Frage ist, wer das von unten her trägt.
Das Interview führte Lara Burghardt.