Vatikan streicht queere Wallfahrt aus Heilig-Jahr-Kalender

"Ich möchte eine neue Hausordnung"

Eine Wallfahrt für queere Menschen im Heiligen Jahr 2025 ist nicht mehr im Kalender. Der Vatikan spricht von fehlenden Unterlagen. Rainer Teuber von #OutInChurch sieht das kritisch und fordert eine neue "Hausordnung" in der Kirche.

Autor/in:
Tobias Fricke
Regenbogenflagge vor dem Petersdom / © umikem (shutterstock)
Regenbogenflagge vor dem Petersdom / © umikem ( shutterstock )

DOMRADIO: Dass ausgerechnet eine LGBTIQ-Veranstaltung aus dem offiziellen Kalender verschwindet, hat ein Geschmäckle. Wie war Ihre Reaktion? 

Rainer Teuber am 30. Oktober 2021 in Essen. / © Harald Oppitz (KNA)
Rainer Teuber am 30. Oktober 2021 in Essen. / © Harald Oppitz ( KNA )

Rainer Teuber (#OutInChurch): Man muss erstmal auf die Begründung schauen, die von Seiten des Vatikans nachgeschoben wurde. Da hieß es, dass von Seiten der organisierenden Gruppe, La Tenda di Gionata, angeblich noch Angaben gefehlt haben. 

Sofern diese jetzt vorliegen, soll die LGBTIQ-Wallfahrt wieder in den offiziellen Kalender aufgenommen werden. Ich habe heute Morgen nochmal geschaut. Ich habe sie da noch nicht für den 6. September 2025 gefunden. 

DOMRADIO: Wie war Ihr erster Gedanke darauf, dass das wieder raus war? 

#OutInChurch

Es ist eine große konzertierte Aktion: Auf einer Internetseite und im Rahmen einer Fernsehdokumentation haben sich 125 Menschen in der katholischen Kirche geoutet. Sie alle sind haupt- oder ehrenamtlich in der Kirche tätig und zugleich Teil der queeren Community, wie die Initiative "#OutInChurch - für eine Kirche ohne Angst" mitteilte. Die Initiative fordert unter anderem, das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, "dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität" nicht zur Kündigung führe. (KNA, 24.1.2022)

 © Julia Steinbrecht (KNA)
© Julia Steinbrecht ( KNA )

Teuber: Aufgrund der Erfahrungen mit Rom und dem Vatikan denkt man im ersten Moment, dass da jemand doch kalte Füße gekriegt hat. Denn man merkt, dass die ganze Nachrichtenwelt hyperventilierte, als es hieß, dass der Papst LGBTIQ+-Personen zu einer Wallfahrt einlädt.

Dem ist gar nicht so gewesen. Da stimmte die ganze Erzählung schon nicht. Letztendlich hat eine Gruppe, die sich für die Interessen von LGBTQ+-Personen einsetzt, eine Wallfahrt angemeldet, genauso wie zig andere Gruppen eben auch. 

Diese Wallfahrt ist zunächst mal gestattet worden. Ich gehe davon aus, dass sie wieder in den Kalender kommt. 

DOMRADIO: Wie unterscheiden sich Wallfahrten für queere Menschen von anderen Wallfahrten? 

Teuber: Ich glaube für viele queere Menschen ist das erst mal ein Safe-Space (Anm. d. Red.: ein geschützter Raum) und vor allem eine Selbstvergewisserung, nicht allein in dieser Kirche zu sein, gesehen zu werden. 

So wie Frauengruppen, Männergruppen und verschiedene Gruppierungen ihre eigenen Wallfahrten anmelden, denke ich, ist es in Ordnung, wenn LGBTQ+-Personen sich für eine Wallfahrt verabreden. Meins wäre es nicht, aber ich denke, dass es nicht an mir zu entscheiden wäre, jetzt darüber zu urteilen, vor allem nicht, wer daran teilnehmen möchte oder nicht. 

DOMRADIO: Wie ist Ihre Herangehensweise? Sind Sie der Meinung, dass Sie keine extra queere Veranstaltung brauchen oder dass es ein spannendes Zeichen wäre, wenn der Vatikan das genehmigt?

Rainer Teuber

"Wir sind alle getaufte Christen und deswegen braucht man uns nicht willkommen heißen."

Teuber: Grundsätzlich finde ich es gut, wenn es eigene Formate für queere Personen gibt - gerade als Safe Spaces (Anm. d. Red.: geschützte Räume) für uns queere Menschen in der Kirche. 

Auf der anderen Seite sehe ich da oftmals die Gefahr - und die sehe ich gerade hier bei dieser Wallfahrt - dass solche Dinge von Seiten des Vatikans instrumentalisiert werden.

Dann heißt es irgendwann, jetzt durften LGBTQ+-Personen am Heiligen Jahr an den Wallfahrten teilnehmen, jetzt ist mal gut. Man hört immer wieder, das sei eine Willkommensgeste gegenüber queeren Personen. 

Ich frage mich immer, wer heißt uns willkommen und wo? Wir sind letztendlich schon da. Wir sind alle getaufte Christen und deswegen braucht man uns nicht willkommen heißen. Wir gehören zu dieser Kirche mit der Taufe und deswegen habe ich da immer so ein leichtes Störgefühl. 

DOMRADIO: Der Papst hat sich in diesem Jahr homophob geäußert und sprach über "Schwuchteleien unter Priestern". Anschließend hat sich dafür entschuldigt. Wie beobachten Sie den Papst in dieser Hinsicht? 

Rainer Teuber

"Solange aber solche diskriminierenden Papiere veröffentlicht werden, (...) solange ist dieses Haus nicht offen."

Teuber: Ich erlebe ihn da in den letzten Jahren sehr ambivalent. Manchmal kommen Äußerungen, die sehr positiv aufgenommen werden und erstmal positiv klingen. Dann kommen solche Äußerungen wie die, die sie genannt haben. 

Wenn man schaut, wie Papst Franziskus sein ganzes Amt geführt hat, dann erinnere ich da an zwei Verlautbarungen. Erstens "Fiducia supplicans", in der es um die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare geht, die damit mehr oder weniger ausgeschlossen ist bzw. strengstens reglementiert wird.

Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, steht am Altar während des Gottesdienstes zum 20-jährigen Bestehen der Queer-Gottesdienste in der Kirche Sankt Paul am 13. März 2022 in München. Eine Regenbogenfahne liegt auf den Altarstufen. / © Robert Kiderle (KNA)
Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, steht am Altar während des Gottesdienstes zum 20-jährigen Bestehen der Queer-Gottesdienste in der Kirche Sankt Paul am 13. März 2022 in München. Eine Regenbogenfahne liegt auf den Altarstufen. / © Robert Kiderle ( KNA )

Ich erinnere auch, zweitens, an die "Dignitas Infinita", in der ein binäres Geschlechtermodell festgeschrieben wird. Papst Franziskus spricht sehr gerne von der Kirche, die ein Haus ist, welches offen für alle, alle, alle ist. 

Solange aber solche diskriminierenden Papiere veröffentlicht werden, solange diskriminierende Äußerungen im Katechismus stehen bleiben, solange ist dieses Haus nicht offen. 

Das Haus ist offen für alle, die sich nach den Regeln und nach den Vorstellungen der römisch-katholischen Kirche und nach der Vorstellung von Papst Franziskus in diesem Haus bewegen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich möchte eine neue Hausordnung.

DOMRADIO: Sie haben das Dokument "Fiducia supplicans" erwähnt, mit dem der Papst erstmals einen Segen für queere Paare in der Kirche erlaubt. Das ist sogar vom Vatikan und Papst gewünscht. Ist das nicht auch ein großer Schritt nach vorne? 

Teuber: Ich sehe "Fiducia supplicans" äußerst kritisch. Auch hier lauteten die Meldungen zunächst, dass Papst Franziskus Segung gleichgeschlechtlicher Paare erlaubt habe. In der nachgeschobenen Erklärung wird aber dann genau festgelegt, wie diese Segnung zu erfolgen hat: Im Vorübergehen, nicht länger als 15 Sekunden, keinesfalls in Kleidung, die einer Trauung ähneln würde und auch nicht in Zusammenhang mit einer standesamtlichen Trauung. Das klingt für mich sehr nach "Mogelpackung".

Das Interview führte Tobias Fricke.

Katholische Verbände solidarisieren sich mit katholischer queerer Initiative

Rund 20 katholische Verbände und Organisationen solidarisieren sich mit queeren Katholikinnen und Katholiken. "Es darf nicht länger hingenommen werden, dass Menschen in kirchlichen Kontexten aus Angst gegenüber Kirchenvertreter*innen ein Schattendasein führen müssen, wenn sie nicht dem von der Kirche normierten Geschlechterbild entsprechen", heißt es in einer am Montag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Anlass sind Äußerungen der Betroffenen zu ihrer Sexualität beziehungsweise ihrer Geschlechteridentität im Rahmen einer bundesweiten Kampagne.

Homosexuelles Paar mit Armbändern in Regenbogenfarben / © chayanuphol (shutterstock)
Homosexuelles Paar mit Armbändern in Regenbogenfarben / © chayanuphol ( shutterstock )
Quelle:
DR