Debatte um Sterbehilfe geht weiter - Bischof Hofmann fordert Anklage

"Menschenverachtend und wirklich verwerflich"

Nach dem Skandal um Hamburgs Ex-Justizsenator Roger Kusch hält die Debatte um gewerbliche und organisierte Sterbehilfe an. Die Koalition streitet darüber, ob neue Gesetze Fälle wie diesen verhindern könnten. Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann fordert, Kusch müsse für seine Tat zur Rechenschaft gezogen werden. Ein Anklage aber wird es wohl nicht geben.

 (DR)



Bischof Hofmann äußert sich betroffen über den aktuellen Fall: "Was er getan hat, ist meiner Meinung nach menschenverachtend und wirklich verwerflich. Er hat wahrscheinlich noch nichts verstanden von dem christlichen Ansatz, dass das Leben eines jeden Menschen unantastbar ist. Vom ersten Augenblick bis zum letzten Atemzug. Wir haben nie das Recht in das Leben eines anderen einzugreifen oder ihm sogar das Sterben zu ermöglich. Das ist inhuman. Und so würde ich bei ihm fragen, ob er überhaupt noch nichts vom christlichen Menschenbild gehört hat und er müsste unbedingt zur Rechenschaft gezogen werden für das was da geschehen ist.

Hofmann: Image der Altenheime verbessern, Pflege zu Hause erleichtern
Der ehemalige Kölner Weihbischof belässt aber nicht bei der Verurteilung des
Sterbehelfers, sondern versucht den Ursachen für die Lebensmüdigkeit der Verstorbenen auf den Grund zu gehen: "Da wir ja für die Kultur des Lebens sind, frage ich mich: „Haben wir für sie keine Perspektive gehabt? Haben wir keine Zukunft finden können? Sind die Pflegeheime so schrecklich?" Wir haben in unserem Würzburger Bistum alleine 45 Alten- und Pflegeheime der Caritas. Dort verbringen rund 3.600 Menschen ihren Lebensabend. Sie werden betreut. Wir haben für alle Dekanate Altenseelsorger und wir haben überall Männer uns Frauen in der Pastoral, die sich um diese Menschen kümmern. Ich weiß nicht, ob sich ein Image aufgebaut hat, dass der Realität dieser guten Pflege nicht gerecht wird.


Kusch hatte am Wochenende bekanntgegeben, einer 79-jährigen Frau aus Würzburg Sterbehilfe geleistet zu haben. Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft hatten dies scharf kritisiert. In Deutschland werden Selbsttötungen und Beihilfe dazu nicht strafrechtlich verfolgt. Allerdings können Helfer anschließend wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden.

Eine strafrechtliche Verfolgung von Beihilfe zur Selbsttötung hatte daraufhin auch der Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) im Erzbistum Köln gefordert. Sterbehilfe sei Beihilfe zum Mord, sagte der Vorsitzende des Sozialverbands Bernd M.  Wehner am Dienstag in der Domstadt. Darüber könnten auch Sätze wie "Jeder Mensch hat das Recht auf einen Tod in Würde" nicht hinwegtäuschen.

Aktive Sterbehilfe widerspreche nicht nur dem christlichen Menschenbild, sie sei auch "ein weiterer Schritt auf dem Weg, menschliches Leben der Beliebigkeit anheimzustellen", so Wehner. Der KKV begrüße deshalb Initiativen einiger Bundesländer, die gewerbliche und organisierte Suizidhilfe zu verbieten. "Schließlich ist der Umgang mit sterbenden Menschen ein Gradmesser für die Humanität in einer Gesellschaft." Der Schlüssel dazu sei eine liebevolle Betreuung bis zum Tod und nicht die Beförderung in den Tod.

Der Fall wird vorerst dennoch wohl ohne rechtliche Konsequenzen bleiben. Die Staatsanwaltschaft Würzburg schließt eine „rechtlich relevante Fremdbeteiligung" im Zusammenhang mit der am Samstag verstorbenen Frau aus. Nach dem derzeitigen Ergebnis des Todesermittlungsverfahrens habe es sich um einen „normalen Suizid" gehandelt, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung des Leitenden Oberstaatsanwalts Carsten Lückemann. Die Obduktion habe als Todesursache eine Medikamentenvergiftung ergeben. Allerdings seien die toxikologischen Feinuntersuchungen, die längere Zeit in Anspruch nähmen, noch nicht abgeschlossen. Da der Leichnam keine Einstichstellen aufweise, habe die Frau die Präparate selbst zu sich genommen.


Koalition streitet über Verbot
Unterdessen stritten Union und SPD am Mittwoch über die Frage, ob die Gesetze zur Sterbehilfe ausreichen. Während die Union rasches Handeln des Gesetzgebers forderte, lehnte die SPD eine neue Strafvorschrift ab. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte die Sozialdemokraten auf, sich einem Verbot gewerbemäßiger Sterbehilfe nicht zu verschließen. «Wir sind uns mit der SPD seit Monaten einig, dass diese Auswüchse nicht hinnehmbar sind», sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Leider glaube die SPD, das geltende Recht reiche aus. Der CDU-Abgeordnete Herbert Hüppe sprach sich in der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung» ebenfalls dafür aus, «alle juristischen Wege» auszuloten.

Dagegen lehnte der rechtspolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Joachim Stünker, eine Gesetzesverschärfung ab. «Ich sehe nicht, wie es rechtlich sauber möglich wäre, die grundsätzlich straflose Beihilfe zur Selbsttötung doch unter Strafe zu stellen, sobald sie geschäftsmäßig erfolgt.»

«Makabere Inszenierung»
Als empörend kritisierte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Christof Müller-Busch, das Verhalten von Kusch. Durch die «makabere Inszenierung» stehe der Sterbehelfer mehr im Rampenlicht als der leidende Mensch, sagte er im ZDF-Morgenmagazin. Es sei zynisch zu behaupten, dass die Sterbesituation der 79-jährigen Frau würdig gewesen sei. So verursache das Malaria-Medikament seines Wissens heftige Krämpfe.

Aus langjähriger Erfahrung mit Sterbenskranken wisse er, dass sie durchaus Sterbewünsche hätten, fügte der Medzinier hinzu. «Aber wir versuchen, die Lebenssituation zu verbessern, nicht dadurch, dass wir den Leidenden abschaffen, sondern dass wir das Leiden lindern.»

Kusch verteidigte sein Handeln. Dem Nachrichtensender N24 sagte er, er habe der Frau «nur dabei geholfen, zum Sterben nicht nach Zürich fahren zu müssen, sondern im eigen Bett sterben zu dürfen». Die Frau sei entgegen Medienberichten nicht gesund gewesen, sondern habe ihre Wohnung nicht mehr verlassen können. Er wehrte sich zudem gegen den Vorwurf, mit Sterbehilfe Geld machen zu wollen: «Im Zusammenhang mit dem Suizid von Frau Schardt hat es keine Geldzahlungen gegeben.»

Kusch bot seine Hilfe auch anderen Lebensmüden an: «Es ist sehr einfach, zu mir zu kommen. Man muss mich anrufen, eine E-Mail schreiben oder einen Brief.» Er werde dann sorgfältig prüfen, was zu tun sei, schränkte er ein.


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