Diplom-Theologe ordnet Religion bei "Die Simpsons" ein

"Sich auf liebenswürdige Weise anstoßen lassen"

"Die Simpsons" ist eine US-amerikanische Zeichentrickserie, die oft auch einen gesellschaftskritischen Unterton hat. Darf die dortige Darstellung von Religion und Glauben ernst genommen werden und kann man da etwas "herausziehen"?

Die Kirche der Simpsons, Fist Church of Springfield / © relevantmagazine.com
Die Kirche der Simpsons, Fist Church of Springfield / © relevantmagazine.com

DOMRADIO.DE: Sie sind Theologe. Was bringen Ihnen "Die Simpsons" über Religion bei?

Roland Berenbrinker, Diplom-Theologe / © Roland Berenbrinker (privat)
Roland Berenbrinker, Diplom-Theologe / © Roland Berenbrinker ( privat )

Roland Berenbrinker (Diplom-Theologe und "Simpsons"-Fan): Über das kurze und durchaus sehr unterhaltsame Format einer solchen Episode gelingt es den Simpsons in ganz großer Regelmäßigkeit, gesellschaftlich relevante, moralisch-religiöse Herausforderungen zu thematisieren.

Dabei bieten natürlich Glaube, Kirche und Religiosität Werte an, das zu lösen. Die Charaktere der Serie übernehmen diese in der Regel aber nicht einfach so, sondern sie arbeiten sich dann daran ab.

Theologisch ausgedrückt: Jeder und jede Einzelne findet sich in diesem Spannungsverhältnis von Anspruch und Wirklichkeit, in der täglichen Herausforderung den eigenen moralischen Kompass zu erarbeiten und ins Leben zu übersetzen. Die Religion oder auch gewonnene Überzeugungen spielen dabei eine große Rolle, nicht nur im Fernsehen.

DOMRADIO.DE: Welchen Glauben haben die Simpsons?

Berenbrinker: Die Simpsons haben meines Erachtens einen Glauben, der größtenteils durch eine feste äußerliche Form geregelt ist. Der sonntägliche Kirchenbesuch, die langen Predigten, die sie sich von ihrem Pastor anhören müssen, das gehört offenbar für alle Kirchenbesucher bei den Simpsons zu einer regelrechten Geduldsprobe.

Die gelbe Familie Simpson / © TM Twentieth Century Fox Film/ProSieben (dpa)
Die gelbe Familie Simpson / © TM Twentieth Century Fox Film/ProSieben ( dpa )

Damit wird eine Eigenart von protestantisch-reformierten Kirchen aufs Korn genommen: Eher wortlastig, und alle warten eigentlich darauf, dass es zu einem Punkt kommt.

Die Kirchengemeinde der Simpsons gehört der fiktiven protestantischen Konfession "Western Branch of American Reformed Presbylutheranism" an. Das ist ein Kunstwort, das aus den beiden realen vorhandenen Hauptströmungen des Protestantismus in den USA, nämlich Reformierte oder Presbyterianer auf der einen Seite und Lutheraner auf der anderen Seite gebildet ist.

Die Kinder der Simpsons besuchen die Sonntagsschule, eine Art Religionsunterricht oder Katechese der Gemeinde. Die Simpsons beten vor jedem Essen, wenn sie am Tisch sitzen. Beim Essen vor dem Fernseher durchbrechen sie das immer. Dabei fallen dann alle familiären und gesellschaftlichen Konventionen hinten rüber.

Der konkrete Glaube der Kirchengemeinde spielt in den moralischen und alltäglichen Dilemmata, in die die Figuren immer wieder geraten, aber weniger eine Rolle. Wohl aber eine moralische Grundhaltung, die dann durchaus auch religiös begründet wird.

DOMRADIO.DE: Beim Anschauen der Serie kommt man nicht drum herum. Der eben erwähnte Kirchenbesuch der Familie Simpson jeden Sonntag, der Vorzeige-Christ Ned Flanders als Nachbar, Tochter Lisas Glaubenskonflikt und der Übertritt zum Buddhismus. Warum scheinen denn die religiösen Themen so sehr im Mittelpunkt der Serie zu stehen?

Berenbrinker: Weil es Themen sind, die gesellschaftlich relevant sind. Im täglichen Leben der Menschen tauchen eben solche Fragen nach Werten, nach Moral und nach gesellschaftlichem Zusammenleben auf. Das ist darum notwendig auch bei den Simpsons so.

Ned Flanders und Homer Simpson als LEGO®-Figuren / © Julian R. Paterno (shutterstock)
Ned Flanders und Homer Simpson als LEGO®-Figuren / © Julian R. Paterno ( shutterstock )

Die Religion bietet dazu Standpunkte an. Entscheidend ist aber, dass sich jeder und jede Einzelne das auch aneignen muss. Das muss reflektiert werden und dazu muss man sich entsprechend verhalten.

In diesem Zusammenhang eignet sich dieses Gegensatzpaar von Ned Flanders und Lisa Simpson ganz besonders gut zur Veranschaulichung dieser Spannbreite.

Ned Flanders übernimmt nahezu eins zu eins die Position seines presbyterianisch-lutheranischen Pastors. Er argumentiert dann manchmal auch wörtlich naiv aus der Bibel heraus.

Lisa ringt scheinbar endlos mit allen vorgegebenen und angebotenen Positionen. Aber sie ringt um einen eigenen Weg. Dieses Ringen führt sie nicht in irgendeine Form von Atheismus.

Entscheidend ist für sie die Begründung von Werten und Normen, die über einen rein gesellschaftlichen Konsens hinausgeht. Sie sucht etwas, an das sie sich dauerhaft ausrichten darf.

Roland Berenbrinker, Diplomtheologe und "Simpsons"-Fan

"Man kann sich zumindest auf eine fröhliche und auch sehr liebenswürdig gemachte Weise anstoßen lassen."

DOMRADIO.DE: Bringen die Simpsons als Zeichentrick-Unterhaltungsserie eigentlich genug Ernsthaftigkeit mit, dass man die dort diskutierten ethischen und auch theologischen Themen wirklich ernst nehmen kann?

Springfield, die fiktive Heimat der Simpsons / © hbw_pictures (shutterstock)
Springfield, die fiktive Heimat der Simpsons / © hbw_pictures ( shutterstock )

Berenbrinker: Man kann sich zumindest auf eine fröhliche und auch sehr liebenswürdig gemachte Weise anstoßen lassen. Man kann das gedanklich mitnehmen. Die für eine solche Serie notwendig zugespitzten Dilemmasituationen, in die die Charaktere da geraten, zeigen, dass das gesellschaftliche Miteinander Werte braucht.

Die Gesellschaft kann diese Werte aber nicht selber hervorbringen oder gar garantieren – wie es das Böckenfördesche Diktum treffend benennt. Es braucht Menschen mit Überzeugungen, die, wie man bei den Simpsons sehen kann, auch Fehler machen dürfen, die umkehren und auch dazulernen können.

DOMRADIO.DE: Kann man also sagen, dass die Simpsons die Themen wie Religion und Glaube wieder auf die Bildschirme, in die Wohnzimmer und ein Stück weit wieder in den Lebensmittelpunkt von vielen Menschen bringen?

Berenbrinker: Die Simpsons zeigen zumindest auf, dass hinter ganz vielen Konstellationen unseres Alltags religiöse und moralische Fragen stecken.

Man darf die Serie natürlich auch einfach nur so zur Entspannung schauen und genießen und sich daran freuen, wie die Serie gemacht ist und was die Charaktere darstellen. Aber man darf sich eben auch anstoßen und ins Nachdenken bringen lassen. 

Das Interview führte Hannah Ellebracht.

Die katholische Kirche in den USA

Die römisch-katholische Kirche ist die größte Glaubensgemeinschaft der USA, denn die Protestanten teilen sich in verschiedene Konfessionen. Ein knappes Viertel der US-Amerikaner ist katholisch, die meisten Katholiken leben im Nordosten und im Südwesten. Genaue Zahlen sind schwierig, weil in den USA der Wechsel einer Konfession sehr häufig vorkommt.

Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 (shutterstock)
Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 ( shutterstock )
Quelle:
DR