DOMRADIO.DE: Das Bundesverfassungsgericht befasst sich an diesem Mittwoch um das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Was genau ist damit gemeint?
Andreas Lob-Hüdepohl (Professor für Theologische Ethik und Mitglied im Deutschen Ethikrat): Das ist in der Tat ein erklärungsbedürftiger Begriff. "Geschäftsmäßg" heißt, dass eine Arztpraxis, ein Verein oder eine Institution eine sterbende Beihilfe anbietet, die sozusagen auf Dauer angelegt ist. Es reicht nicht aus, dass man dies einmal oder auch wiederholt macht.
Palliativmediziner kommen immer wieder in die Situation, aber dies ist noch nicht automatisch auf Dauer angelegt, weil ihr Geschäft ja nicht die Suizidbeihilfe ist, sondern die palliative Begleitung. Aber das ist in der Tat erklärungs- möglicherweise auch präzisierungsbedürftig.
DOMRADIO.DE: Bedeutet das, dass man etwa als Privatperson Medizin reichen darf?
Lob-Hüdepohl: So ist es - sofern man an die entsprechende Medizin herankommt. Das Betäubungsmittelgesetz sieht vor, dass man an entsprechende Substanzen nicht herankommt. Aber die Verbotsnorm, von der ich eben sprach und die derzeit verfassungsgemäß überprüft wird, sieht ausdrücklich die Straffreiheit für Angehörige oder nahestehende Personen vor. Das können Freundinnen, Freunde, Bekannte sein. Das kann auch unter Umständen ein Hausarzt sein, wenn er dabei nicht geschäftsmäßig handelt. Hier gibt es in der Tat einen Interpretationsspielraum, der von den Kritikern zu füllen ist.
Die Befürworter sagen, dass es eigentlich eindeutig ist: Ein Arzt kann Medizin reichen, wenn es rechtlich erlaubt ist. Er kann sogar begleitend tätig werden. Wichtig ist nur, dass seine Tätigkeit nicht auf Dauer angelegt ist und er es nicht in dieser Weise geschäftsmäßig ausübt.
DOMRADIO.DE: Es kann Monate dauern, bis das Bundesverfassungsgericht hier ein Urteil spricht. Mal angenommen, das Gericht hebt das Verbot auf: Was würden Sie dazu sagen?
Lob-Hüdepohl: Ich würde das sehr bedauern. Diese Stoßrichtung zielt ja nicht darauf, Menschen in höchster Not ein Sterben in Würde zu verunmöglichen, sondern darauf, keine Anreizstruktur für Suizid zu ermöglichen. Dass also das Vorhalten einer bestimmten Organisation gewissermaßen dazu führt, zu sagen: Na ja, du hast doch die Möglichkeit, dich zu suizidieren, dann nutze sie auch. Das ist der Kern-Vorwurf gegenüber geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe. Und ich fände es ausgesprochen bedauerlich, wenn dies durch das Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden würde.
DOMRADIO.DE: In Holland oder in der Schweiz ist Sterbehilfe schon längst möglich. Viele Menschen überqueren dafür einfach die Grenze. Wie wichtig ist da das Urteil?
Lob-Hüdepohl: Das Urteil ist schon deshalb wichtig, weil sich alternative Optionen in der Schweiz und in Holland anbieten. Einige nutzen dies ja schon, aber das kann keine Lösung sein. Es muss für Deutschland eine ganz präzise Lösung gefunden werden. Insofern gilt es, die Verbotsnorm festzuzurren - möglicherweise mit Präzisierungsbedarf.
Ich bin kein Strafrechtler. Das Bundesverfassungsgericht wird aber prüfen, ob beispielsweise Palliativärzte in ihrem Tun durch eine gewisse Uneindeutigkeit behindert sind - das müsste dann nachgesteuert werden. Der Hinweis, dass Sterbehilfe woanders möglich ist, ist natürlich kein starkes Argument, die Mögichkeit auch hier zuzulassen.
Das Gespräch führte Verena Tröster.