US-Bischöfe vor Vollversammlung unter Druck

Neue Vorwürfe um Sex, Lügen und einen heiklen Bericht

​Wenige Tage vor Beginn der Vollversammlung der US-Bischöfe in Baltimore erschüttern neue Vorwürfe die Kirche. Es geht um den Vorsitzenden der Bischofskonferenz und einen in Ungnade gefallenen Bischof aus West-Virginia.

Autor/in:
Thomas Spang
 US-Bischöfe durch Missbrauchsskandal am Pranger / © Bob Roller (KNA)
US-Bischöfe durch Missbrauchsskandal am Pranger / © Bob Roller ( KNA )

An Zufall glaubt in diesem Fall kaum jemand. Vielmehr sieht alles danach aus, dass die Enthüllungsstorys der Nachrichtenagentur Associated Press und der "Washington Post" gezielt vor der Vollversammlung der katholischen Bischöfe in Baltimore nächste Woche platziert wurden. Offen bleibt, wer dahinter steckt.

Am ehesten lässt sich die Frage im Fall der von Associated Press berichteten Vorwürfe gegen den Vorsitzenden der US-Bischofskonferenz, Kardinal Daniel DiNardo, beantworten. Dieser wird von einer wohlhabenden Katholikin seines Erzbistums Galveston-Houston in Texas beschuldigt, bei einer mutmaßlichen Affäre seines Generalvikars, Frank Rossi, weggeschaut zu haben.

Vorwurf: Verhältnis, Millionenspenden und Beicht-Skandal

Die Bauunternehmerin Laura Pontikes behauptet, Rossi habe seinen Status als ihr Priester und ihre emotionale Verwundbarkeit während einer Ehekrise ausgenutzt. Statt ihr bei der Suche nach spiritueller Führung zu helfen, habe er sie beginnend im Jahr 2012 zu einem sexuellem Verhältnis verführt, das mehr als ein Jahr angedauert habe.

Parallel dazu soll Rossi sie und ihren Ehemann zu Millionenspenden für seine Erzengel-Michael-Kirche in Houston gedrängt haben. Besonders pikant ist Pontikes Vorwurf, der Priester habe ihr während einer Beichte die Absolution für gemeinsam begangene sexuelle Verfehlungen erteilt - das wäre ein schweres kirchenrechtliches Vergehen.

Pontikes wird mit den Worten zitiert, sie habe DiNardo 2016 über die Vorgänge informiert. Ihr sei versprochen worden, Rossi werde nicht mehr als Seelsorger tätig sein. Tatsächlich sei er zwei Autostunden von der Erzengel-Michael-Kirche entfernt wieder mit einer Aufgabe als Priester betraut worden.

Der Kardinal bestreitet die Darstellung in einer Erklärung als "unprofessionell, voreingenommen und einseitig". DiNardo betont, er habe zu jedem Zeitpunkt "entschieden durchgegriffen". Das Erzbistum teilte mit, nachdem Laura Pontikes den Kardinal über den Fall am 6. April 2016 informiert habe, sei Rossi weniger als eine Woche danach aus seiner Pfarrei abgezogen werden. Vom 21. April an habe er sich bis Anfang Dezember einer Rehabilitationsmaßnahme unterzogen.

Professionelle Gutachter seien zu dem Schluss gelangt, Rossi könne wieder als Pfarrer aktiv werden - mit Pontikes sei allerdings vereinbart worden, dass er keinen Posten mehr im Erzbistum bekomme. Die Nachbardiözese Beaumont, in die Rossi schließlich wechselte, sei über die Vorgänge informiert worden. Dort ist der Geistliche derzeit von seinen Aufgaben freigestellt.

Die katholischen Religionswissenschaftlerin Natalia Imperatori-Lee bezeichnete den Fall als Muster-Beispiel für "Klerikalismus". Besonderes Kennzeichen sei der Schutz der Kirchenführer zu Lasten der Bedürfnisse jener, die ihnen folgten. "Sie werden als Super-Menschen gesehen, die in einer Position der Macht gegenüber den Laien stehen."

Vorwürfe auch gegen weiteren Bischof

Weniger brisant, weil nicht mehr aktiv im Kirchendienst, aber in der Sache haarsträubend sind die Vorwürfe gegen den ehemaligen Bischof der Diözese von Wheeling-Charleston, Michael Joseph Bransfield, im armen US-Bundesstaat West-Virginia. Dort hatte der als Apostolischer Administrator eingesetzte Erzbischof von Baltimore, William Edward Lori, die Amtsführung von Bransfield unter die Lupe genommen.

Den Bericht übermittelte er im März an den Vatikan. Wer ihn jetzt an die "Washington Post" durchstach, ist unbekannt. Lori moniert darin laut der Zeitung unter anderem den verschwenderischen Lebensstil des Bischofs. Von einer 4,6 Millionen US-Dollar teuren Renovierung seiner Bischofsresidenz ist die Rede, von Blumenlieferungen für 100 Dollar pro Tag und im Schnitt 1.000 Dollar für Alkohol im Monat.

Der größte Aufreger sind die aus der Kirchenkasse beglichenen Geldgeschenke an junge Priester, die Bransfield sexuell belästigt haben soll. Bedacht worden seien aber auch einflussreiche Kirchenführer wie Kardinal Donald Wuerl, Kardinal Timothy Dolan, Kardinal Raymond Burke und der frühere Nuntius des Papstes in den USA, Kardinal Carlo Maria Vigano.

Auf ihrem Treffen in Baltimore, das von Dienstag bis Freitag dauert, werden die Bischöfe wohl auch darüber beraten, wie eine Dienstaufsicht bei Erzbischöfen und Kardinälen besser funktionieren kann. Der Bericht von William Lori könnte dafür eine Blaupause liefern.


Quelle:
KNA