50 Jahre deutsches Entwicklungshelfergesetz

"Das sind prächtige Menschen, die da zurückkehren"

Am 18. Juni 1969 wurde das deutsche Entwicklungshelfergesetz verabschiedet. Seitdem schickte Deutschland 30.000 Fachkräfte in Länder des Südens. Helfer und Entwicklungsländer haben profitiert.

Autor/in:
Christian Michael Hammer
Misereor Entwicklungshelfer in Afrika / © Hans Knapp (KNA)
Misereor Entwicklungshelfer in Afrika / © Hans Knapp ( KNA )

Brunnen bauen in Somalia, Lehrer ausbilden in Guatemala oder Krankheiten bekämpfen in Malawi - Deutsche Entwicklungshelfer engagieren sich überall auf der Welt. Dafür, dass sie ihre Arbeit machen können, sorgt das Entwicklungshelfergesetz - zumindest bietet es den Rechtsrahmen. Vor 50 Jahren, am 18. Juni 1969, wurde es vom Bundestag verabschiedet.

Bis zur Verabschiedung gab es heftige zwischen- und innerparteiliche Grabenkämpfe. Die CSU-Fraktion bezeichnete Entwicklungshelfer zwischenzeitlich als "linksrevolutionär programmiert". Polit-Schlagabtausch vom Feinsten. Am Ende jedoch, so erinnert sich der damals amtierende Entwicklungsminister Erhard Eppler (SPD), war es für den Bundestag - eine Nebensache.

Befreiung von der Wehrpflicht

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung war bereits 1961 gegründet worden - ein Zeichen dafür, dass Westdeutschland in Zeiten des Kalten Krieges wieder internationale Verantwortung übernahm. Kirchliche Hilfswerke wie Misereor oder Adveniat leisteten Pionierarbeit.

Mit dem Gesetz von 1969 habe der Dienst des Entwicklungshelfers endlich eine große Aufwertung erhalten, betont Eppler in einem Interview der Zeitschrift der Arbeitsgemeinschaft der Entwicklungsdienste. Wer Entwicklungshilfe leistete, konnte sich fortan von der Wehrpflicht befreien lassen. "Das war ein wesentlicher Punkt, warum mir das Gesetz ein so wichtiges Anliegen war", erläutert der SPD-Politiker.

Grundbedürfnisse sicherstellen, Armut bekämpfen

Verlangt wird einiges an Idealismus: Laut Gesetz, das am Jahrestag in Bonn und im Juli in Berlin gefeiert wird, leisten die Fachkräfte ihren Dienst für einen begrenzten Zeitraum und ohne "Erwerbsabsicht". Statt Lohn gibt es Unterhalt. Dabei sollen sie Organisationen in den Ländern des Südens unterstützen, "um in partnerschaftlicher Zusammenarbeit zum Fortschritt dieser Länder beizutragen".

Allerdings: Zu Beginn hatte die Entwicklungspolitik vor allem den Anspruch, das Bruttosozialprodukt der Entwicklungsländer zu steigern und Wirtschaftswachstum zu generieren, erinnert sich Eppler. Ihm selber sei es aber vorrangig darum gegangen, die Grundbedürfnisse der Menschen sicherzustellen und Armut zu bekämpfen: also Nahrung, Kleidung, Bildung, Behausung und die Versorgung mit Strom. "Insofern hatte ich als Minister ein ganz anderes Bild von meinen Pflichten und entwicklungspolitischen Aufgaben, als das damals so üblich war."

Kulturschock bei der Rückkehr nach Deutschland

In den Bundestagsdebatten verteidigte Eppler die Entwicklungshelfer denn auch als "friedliche Revolutionäre", die durch praktische Arbeit auf gewaltlose Weise politischen und gesellschaftlichen Fortschritt bewirkten. Heute sieht er diese Ahnung bestätigt. Die bislang rund 30.000 Entwicklungshelfer hätten der hiesigen Gesellschaft mindestens ebenso viel geholfen wie den Gesellschaften des Globalen Südens. "Das sind prächtige Menschen, die da zurückkehren. Die haben etwas gelernt und verstanden, die schauen mit anderen Augen auf die Welt und eben auch auf ihr eigenes Land."

Dabei bedeutet für manche Entwicklungshelfer die Rückkehr nach Deutschland einen Kulturschock. So nahtlos wie ursprünglich angedacht, funktioniert ihr Wiedereinstieg in einen Beruf in der Heimat keineswegs: Einer Studie des Deutschen Evaluierungsinstituts für Entwicklungszusammenarbeit (DEval) zufolge sind heute rund ein Drittel der Rückkehrer etwa ein halbes Jahr arbeitslos.

"Die Welt im Gepäck"

Derzeit sind über die Arbeitsgemeinschaft der Entwicklungsdienste (AGdD) 1.192 deutsche Fachkräfte in 92 Länder entsandt. Die Helfer kommen aus verschiedenen Berufsfeldern und arbeiten unter anderem vor Ort für technische Lösungen oder im zivilen Friedensdienst. Voraussetzung für den Einsatz sind eine abgeschlossene Berufsausbildung und Berufserfahrung.

Der Einsatz ist in unterschiedlichen Abschnitten des Lebens möglich. Die meisten Helfer sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. Rund elf Prozent sind jünger als 30 Jahre. Am 12. Juli feiern die Entsendeorganisationen der Helfer in Berlin einen "Tag der zurückgekehrten Fachkräfte aus dem Entwicklungsdienst und Zivilen Friedensdienst". Das Motto lautet "Die Welt im Gepäck". Bundeskanzlerin Angela Merkel wird die Festrede halten.


Quelle:
KNA