In Indien hat am Donnerstag die größte Wahl der Welt begonnen. Bis 19. Mai sind 900 Millionen Menschen in der weltgrößten Demokratie aufgerufen, über die Vergabe von 543 Parlamentssitzen des Unterhauses Lok Sabah zu entscheiden. Im Vorfeld hat das katholische Hilfswerk missio dazu aufgerufen, Minderheiten zu schützen. "Besonders Christen und Muslime werden immer wieder zur Zielscheibe von Angriffen", beklagte missio-Präsident Wolfgang Huber am Mittwoch.
"Regierungspartei schafft ein Klima des Hasses"
Ende März hätten rund 200 radikale Hindus eine katholische Schule im Bundesstaat Tamil Nadu gestürmt und verwüstet. Vier Ordensfrauen seien verletzt worden, als die Angreifer versucht hätten, sie mit Rosenkränzen zu erwürgen. "Mit ihrer nationalistischen Agenda schafft die Regierungspartei ein Klima des Hasses, das solche grausamen Taten ermöglicht", kritisierte Huber, der das Land im Februar bereist hat.
"Dabei sollte die Führung eines Landes die Rechte von Minderheiten schützen." Indien wird seit 2014 von der hindunationalistischen Partei BJP unter Premierminister Narendra Modi regiert. Aktuell hofft Modi mit seiner hindu-nationalistischen "Indischen Volkspartei" (BJP) auf eine zweite Amtszeit.
Der 68-jährige Regierungschef festigte sein Ruf als starker Mann, als er im März die indische Armee gegen den Erzfeind Pakistan einsetzte. Die BJP strebt einen hinduistischen Gottesstaat an, in dem andere Religionen keinen Platz haben. Seit der Machtübernahme der Partei im Mai 2014 ist die Gewalt von Hinduextremisten gegen religiöse Minderheiten sprunghaft gestiegen.
Etwa 80 Millionen sind Erstwähler
Wichtigster Oppositionskandidat ist der 48-jährige Rahul Gandhi von der Kongress-Partei, die bei den vergangenen Wahl 2014 haushoch gegen die BJP verloren hatte. Beworben hatten sich 8.000 Kandidaten aus 460 Parteien, 2.293 Parteien wurden zugelassen.
Den Auftakt machten 18 Bundesstaaten und zwei Unionsterritorien, wie indische Medien am Donnerstag berichten. Darunter ist der mit 205 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Bundesstaat Uttar Pradesch im Norden Indiens. In der ersten der sieben Wahletappen soll über 91 Abgeordnete entschieden werden.
Auch bei dieser Abstimmung dürfte der Schlüssel zum Erfolg bei den jungen Wählern liegen: Zwei Drittel aller Inder sind jünger als 35 Jahre. Es gibt 84,3 Millionen Wähler mehr als bei der Abstimmung 2014. Etwa 80 Millionen sind Erstwähler. Auch sonst ist es eine Wahl der Rekorde: Abgestimmt wird in mehr als einer Million Wahllokalen, elf Millionen Wahlhelfer sind vom Himalaya-Gebirge bis zu den Nicobaren-Inseln im indischen Ozean im Dienst.
Analyse: Modi nicht mehr unschlagbar
Bei der letzten indischen Parlamentswahl 2014 lag die Wahlbeteiligung bei 66 Prozent. Historisch war die Abstimmung wegen der bisher höchsten Zahl an Wählerinnen; 65 Prozent der wahlberechtigten Frauen machten 2014 von ihrem Stimmrecht Gebrauch.
Der Verlust der Macht der BJP bei Landtagswahlen im Dezember 2018 in drei wichtigen Bundesstaaten im Norden Indiens habe gezeigt, dass Modi und seine Partei nicht mehr unschlagbar sind, hießt es in einer Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Die Einführung der Umsatzsteuer, die Abwertung der Rupie und ein nachlassendes Wirtschaftswachstum frustriere vor allem die Wähler in den ländlichen und wegen ihrer hohen Bevölkerungszahl wahlentscheidenden nördlichen Bundesstaaten, so das Büro der Stiftung in Neu Delhi über die drei Landtagwahlen. Die Wähler dort trauten der BJP "keine nachhaltige Trendwende zu", so das indische Büro der CDU-nahen Stiftung.
Indien verfährt nach britischem Wahlsystem
Das höchste Wahllokale befindet sich im buddhistisch dominierten Dorf Tashigang auf 4.650 Meter Höhe. Im Gir-Nationalpark im Bundesstaat Gujarat, wo es mehr Löwen als Menschen gibt, öffnet ein Wahllokale für einen einzigen Wähler.
Das "Festival der Demokratie" wird wegen der schieren Größendimension in sieben Etappen abgehalten - vom 11. April bis zum 19. Mai. Am 23. Mai werden die Stimmen ausgezählt und wenig später die Resultate bekanntgegeben.
Indien verfährt nach dem britischen Wahlsystem: ein Kandidat muss erst seinen Wahlkreis gewinnen, um einen der 543 Sitz in der Volksvertretung zu ergattern. Dies macht den Ausgang der Abstimmung schwer kalkulierbar. Die indische Wählerschaft gilt zudem als unberechenbar.