Sri Lanka verlor seit Bürgerkriegsende an religiöser Toleranz

Buddha-Statuen und radikale Mönche

Sri Lanka steht nach den Osteranschlägen unter Schock. Die Suche nach Erklärungen dauert an. Haben religiöse Spannungen die Radikalisierung junger Muslime befördert? Warum waren Christen ihr Ziel, die auch eine angefeindete Minderheit sind?

Autor/in:
Agnes Tandler
Buddhistische Mönche beten für die Opfer der Anschläge / © Manish Swarup (dpa)
Buddhistische Mönche beten für die Opfer der Anschläge / © Manish Swarup ( dpa )

Teegärten, ein Buddha-Tempel und tropische Natur prägen den malerischen Ort Kandy in Sri Lanka. Doch vor einem Jahr platzte Gewalt in die Idylle: Eine Gruppe aufgebrachter Buddhisten zündete Geschäfte und die Moschee der muslimischen Einwohner an, nachdem bei einem Verkehrsunfall ein buddhistischer Jugendlicher umgekommen war.

Das ist kein Einzelfall: Seit dem Ende des Bürgerkrieges 2009 verschärfen sich in Sri Lanka die religiösen Spannungen. Doch die Anschläge auf Kirchen und Hotels am Ostersonntag mit rund 360 Toten haben eine neue Dimension.

"In den drei Jahrzehnten Bürgerkrieg haben wir so etwas nicht erlebt", sagt Meenakshi Ganguly, die Südasien-Direktorin der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch". Nach dem blutigen Ostersonntag steht Sri Lanka immer noch unter Schock. Islamistische Selbstmordattentäter verübten koordinierte Terroranschläge auf Kirchen und Hotels - mindestens 359 Menschen starben, 45 von ihnen Kinder.

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat sich inzwischen zu den Attentaten bekannt. Es ist das erste Mal, dass Sri Lanka Angriffe von Islamisten erlebt. Und es ist auch das erste Mal, dass in dem Tropenstaat Christen so gezielt angegriffen werden.

Multireligiöses Land

Sri Lanka ist ein multireligiöses Land: Etwa 70 Prozent der 22 Millionen Einwohner sind Buddhisten. Hindus stellen gut zwölf Prozent der Bevölkerung, knapp zehn Prozent sind Muslime. Christen machen gut sieben Prozent aus, zumeist sind es Katholiken. Die übrigen sind Anglikaner, Protestanten und Methodisten.

Sri Lankas bewegte Geschichte von Einwanderung und Kolonialismus durch Portugiesen, Niederländer und Briten hat dazu geführt, dass sich Ethnien, Religionen, Sprachen und Kulturen mischten. Religion und ethnische Zugehörigkeit sind auf der Tropeninsel zwar eng verbunden, aber überlappen sich nicht komplett.

Die meisten Buddhisten sind Singhalesen, während die meisten Hindus und Christen Tamilen sind. Die meisten Muslime sind ethnische Malaien oder sogenannte Moors. Sie sprechen Singhalesisch oder Tamilisch, je nachdem, in welchem Teil der Insel sie leben.

Der 25 Jahre andauernde Bürgerkrieg, der die Nation tief spaltete, hatte ethnische und keine religiösen Wurzeln. Die Tamilen kämpften um einen unabhängigen Staat in Sri Lanka. Jahrzehntelang besetzten sie weite Teile des Nordens und Ostens der Insel, wo sie einen Parallelstaat bildeten.

Die Kampflinie verlief zwischen den tamilischen Separatisten und den Singhalesen, die in Regierung und Armee in der Mehrheit sind. Doch sowohl die Christen als auch die Muslime gerieten immer wieder zwischen die Fronten des Konfliktes, in dem etwa 100.000 Menschen starben. Mindestens zehn Priester wurden getötet.

Kirche setzte sich für Versöhnung ein

Die Kirche setzte sich für Versöhnung ein: Während des "Schwarzen Juli" von 1983, als anti-tamilische Pogrome und Unruhen die Insel erschütterten und Hunderte Tamilen getötet wurden, öffneten die Kirchen ihre Türen für Schutzsuchende. Auch die Muslime traf die Gewalt des Krieges. Die tamilischen Separatisten vertrieben einen großen Teil der Gemeinschaft im Norden und Osten des Landes.

Das Ende des Bürgerkriegs mit dem Sieg über die tamilischen Rebellen stärkte die Position der mehrheitlich buddhistischen Singhalesen - auf Kosten der ethnischen und religiösen Minderheiten.

Muslime und Christen wurden ausgegrenzt, angegriffen und schikaniert, wobei die Angriffe auf Moscheen und Muslime weit schwerer waren. Im Jahr 2013 griff eine Menschenmenge eine Moschee in Colombo an. Bei mehrtägigen anti-muslimischen Ausschreitungen 2014 wurden mindestens vier Menschen getötet und 80 verletzt.

Angriffe auf Muslime

Eine Gruppe von muslimischen Rohingya-Flüchtlingen musste 2017 in Colombo in Sicherheit gebracht werden, nachdem eine wütende Menge, angeführt von radikal-buddhistischen Mönchen, ihre Unterkunft gestürmt hatte. Auf Facebook hatten die Aufwiegler verkündet, die Flüchtlinge seien Terroristen, die einen buddhistischen Mönch getötet hätten.

Anti-muslimische Ausschreitungen gab es zuletzt 2018, als in Ampara an der Ostküste Gerüchte kursierten, muslimische Restaurants würden Medikamente ins Essen mischen, um Singhalesen unfruchtbar zu machen. Moscheen und Geschäfte wurden angegriffen. Zwei Menschen starben.

All das bietet einen Nährboden für die Radikalisierung junger Muslime. Es scheint aber paradox, dass ausgerechnet Christen das Ziel ihrer Terroranschläge sind, die ebenfalls eine religiöse Minderheit darstellen und selbst Angriffen radikaler Buddhisten ausgesetzt sind.

Erst vor einigen Wochen stürmte ein radikaler buddhistischer Mönch mit einigen Leuten einen Gottesdienst bei Colombo und schlug mit einem Palmenzweig auf den Pfarrer ein. Die Gruppe zerstörte Musikinstrumente der Kirche und verprügelte Betende.


Trauer in Sri Lanka / © Athit Perawongmetha (epd)
Trauer in Sri Lanka / © Athit Perawongmetha ( epd )

Kleriker (r) besuchen die durch eine Explosion beschädigte St.-Sebastians-Kirche / © Gemunu Amarasinghe (dpa)
Kleriker (r) besuchen die durch eine Explosion beschädigte St.-Sebastians-Kirche / © Gemunu Amarasinghe ( dpa )

Blick auf den Innenraum der durch eine Explosion beschädigte St.-Sebastians-Kirche / © Chamila Karunarathne (dpa)
Blick auf den Innenraum der durch eine Explosion beschädigte St.-Sebastians-Kirche / © Chamila Karunarathne ( dpa )

Buddhistische Mönche / © Paul Haring (KNA)
Buddhistische Mönche / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
epd
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