Schwester Marie Benedicte Martin spiegelt sich im Wasser der Zisterne. Das Reservoir im Kreuzgang der Benediktinerinnen auf dem Jerusalemer Ölberg ist nach dem Winter gut gefüllt. Seit kurzem sind die alten Regenwassersammler wieder in Betrieb - dank Unterstützung der "Päpstlichen Mission für Palästina". Die Zisternen, die den Schwestern Einsparungen und einen verantwortungsvollen Umgang mit dem raren Gut Wasser ermöglichen sollen, sind nur eine Baustelle des päpstlichen Nahost-Hilfswerks. Seit 75 Jahren orientiert es sich am konkreten Bedarf der Menschen.
Es begann mit Nothilfe für rund 750.000 palästinensische Flüchtlinge des israelischen Unabhängigkeitskriegs, "rund ein Drittel von ihnen Christen", skizziert Joseph Hazboun, seit 2017 Jerusalemer Regionaldirektor, die Anfänge des Hilfswerks. Als es 1949 aus der Taufe gehoben wurde, fand es in der Catholic Near East Welfare Association (CNEWA) in New York einen starken Träger. Eigentlich als Ostkirchenhilfe der US-Katholiken gedacht, sammelte die CNEWA nun auch für Nahost. Auf akute Flüchtlingshilfe - Kleidung, Nahrung, Medizin und Notunterkünfte - folgte der Aufbau kirchlicher Institutionen: das Ephpheta-Institut für Menschen mit Hörbehinderungen in Bethlehem etwa, die dortige Universität oder das ökumenische Zentrum Tantur im Süden Jerusalems.
Fokus auf die Jugend
"Mit der 1. Intifada begann unser Fokus auf die Jugend, um sie aus der Gewalt rauszuhalten», beschreibt Hazboun ein bis heute wichtiges Standbein seiner Arbeit. Die Renovierung von Häusern in der Jerusalemer Altstadt, Berufstrainings und die Schaffung von Arbeitsplätzen kamen hinzu. Konstant passe man das Programm an "die Bedürfnisse vor Ort» und die drängenden Fragen der Zeit an. Den Umgang mit Ressourcen und der Umwelt zum Beispiel: "Lange vor 'Laudato si' haben wir unser erstes Solarprojekt lanciert. Wir waren die ersten, die dafür große Institutionen in Bethlehem in den Fokus genommen haben."
Man lernt aus Fehlern, erklärt der palästinensische Christ aus einer Bethlehemer Familie. Der Versuch der Aquaponik - einer Landwirtschaftsform, bei der Fischaufzucht mit Hydrokultur kombiniert wird - scheiterte am Klima. Den erdlosen Nutzpflanzenanbau hingegen habe man beibehalten. Rund zwölf solcher Systeme in kirchlichen Einrichtungen hat das Hilfswerk bisher gefördert.
Die Benediktinerinnen auf dem Ölberg wiederum griffen auf Altbewährtes zurück, das in Vergessenheit geraten war. Als das Kloster 1896 gegründet wurde, waren es gerade die rund 15 Zisternen, teils noch aus Römerzeit, die dem Grundstück seinen Wert verliehen. "Noch 1955 wurde das Wasser aus der Zisterne gepumpt, aber mit der Ankunft des Komforts von fließend Wasser und Strom hat man alles etwas vergessen", sagt Schwester Marie Benedicte, die treibende Kraft hinter dem Zisternenprojekt.
Symbolische Reinigung
Statt Regenwasser wurde fortan Abfall in den Gruben gesammelt, "von Schreibmaschinen über Bauschutt alles, was sich nicht verbrennen ließ". Mit den grauen Haaren über die steigenden Kosten der Gartenbewässerung kam das Umdenken. "Die Reinigung der Zisternen hat etwas sehr Symbolisches: Diese Erde darf kein Mülleimer mehr sein", sagt die Ordensoberin Marie Mühlethaler.
Dass die Wiederinbetriebnahme eines Teils der Zisternen in Zeiten wie die Coronavirus-Pandemie und den jüngsten Gazakrieg falle, sei ebenfalls symbolisch. Bauen und vorwärtsschauen, sagt die Ordensoberin, seien "Akte der Hoffnung". Als nächstes wollen sich die Schwestern an eine Wasserleitung für den Garten machen und einen Teil des Gartens für Pilger öffnen. Der Ölberg als grüne Lunge Jerusalems sei gefährdet und müsse geschützt werden, «damit auch in Zukunft noch Oliven auf dem Ölberg stehen".
Schutz ist auch das Stichwort eines anderen CNEWA-Programms. Es heißt "Koinonia", läuft seit rund zwei Jahren, und will Jerusalems Christen durch strategische Planung, Bildung und Karriereberatung stärken. Hinter Koinonia steht der Jerusalemer Christ Usama Salman. Seine Kritik reicht von den Kirchen, die "keine Vision" für Jerusalem haben, über kirchliche Organisationen, die sich "zunehmend spendenorientiert" auf das Westjordanland und Gaza konzentrieren und darüber Jerusalem vergessen, bis zu den Christen Jerusalems selbst. Ihnen, so Salman, fehle es an einem Zugehörigkeitsgefühl zu Jerusalem und diesem Land, vor allem im Vergleich zu Muslimen und Juden.
Nur noch 6.500 Christen in Jerusalem
Salman setzt auf einen wissenschaftlich-praktischen Zugang. Die Zahl der heute in Jerusalem lebenden einheimischen Christen berechnete er auf der Basis von Hausbesuchen, Statistiken zu durchschnittlichen Familiengröße und Daten zum Wohneigentum in kirchlichem Besitz. Das Ergebnis: "Schockierend!" Nach Salmans Rechnung leben heute höchstens 6.500 Christen in der Stadt, die "die Wiege des Christentums ist und ihr Zentrum sein sollte". Gehe es so weiter, werde es "in 30, 40 Jahren keine einheimischen Christen mehr in Jerusalem" geben.
Offene Ohren für seine Warnung fand er in der Päpstlichen Mission, für ihn "eine der ganz wenigen kirchlichen Institutionen, die sich wirklich für die einheimischen Christen in Jerusalem einsetzt". Sein Ziel und seine Aufgabe: mit "Koinonia" eine neue Generation aufzubauen, die "wirtschaftlich stark ist und ein Zugehörigkeitsgefühl hat". Für letzteres setzt Salman auf Bildung. 600 Jahre christliche Geschichte - die Zeit vor der Ankunft des Islam, die im palästinensischen Currikulum nicht gelehrt wird -, will er den Jungen vermitteln. Zugehörig fühle sich nur, wer seine Wurzeln und Geschichte kenne.
Eins zu eins berät Salman die knapp 400 christlichen Oberstufenschüler von sieben christlichen Schulen in Jerusalem in Sachen Berufswahl. Gemeinsam versuchen sie rauszufinden, was jedem einzelnen wirklich liegt, aber auch, was im Blick auf Arbeitsmarkt und christliche Präsenz gebraucht wird. Christliche Journalisten etwa, sagt Salman, fehlten, aber auch Ingenieure, die sich auf das Restaurieren alter Stätten und Häuser spezialisierten. Erste Früchte des Projekts seien zu spüren, aber es brauche noch einen langen Atem. Salman: "Strategische Planung ist nicht für Morgen".