Aachener Diözesanrat fordert mehr Dialog bei Strukturreform

"Oft ohne roten Faden"

Das Bistum Aachen strebt eine Strukturreform an. Es sollen größere Gemeinden entstehen, weil es weniger Gläubige und pastorale Mitarbeiter gibt. Der Diözesanratsvorsitzende Heribert Rychert ist längst nicht mit allem einverstanden.

Aachener Dom / © A.Basler (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Acht Pfarreien mit rund 50 pastoralen Räumen sollen zukünftig entstehen. Bischof Helmut Dieser ist mit Ihnen im Austausch. Warum sind Sie denn dennoch mit dem Voranschreiten des Strukturprozesses nicht zufrieden? 

Heribert Rychert, Vorsitzender des Diözesanrats Aachen / © Thomas Hohenschue (Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen)

Heribert Rychert (Vorsitzender des Aachener Diözesanrats): Die Zahlen sind Ergebnis der vorigen Phase des Umstrukturierungsprozesses, hinter dem auch der Diözesanrat steht. Wir sind jetzt in einer Phase, in der es um die Umsetzung dieser Beschlüsse geht.

Hier sind wir aktuell von einem Papier überrascht worden, was die Übergangsphase bis 2028 beschreibt. Dieses Papier ist komplett ohne Beteiligung der Räte entstanden, obwohl da ganz massiv in die Strukturen des Aufbaus der Räte vor Ort bis hin zur diözesanen Ebene eingegriffen wird. 

DOMRADIO.DE: Der Bistumsprozess "Heute bei dir" wird in über 50 Arbeitsgruppen geführt. Wird denn in diesen Arbeitsgruppen die Stimme der Laien nicht genug gehört? 

Rychert: Wir können mit unserem ehrenamtlichen Engagement natürlich nicht in 50 Arbeitsgruppen mitarbeiten, das ist uns klar. Aber wir erwarten, dass wir sowohl in der Prozesssteuerung als auch in den entscheidenden Arbeitsgruppen mitarbeiten.

Wenn eine Arbeitsgruppe diese Übergangsphase jetzt sehr detailliert beschreibt, erwarten wir, dass wir da mitarbeiten, da es Auswirkungen auf die Rätestruktur hat. Es ist aber auch dem Prozess geschuldet, dass wir zu Arbeitsgruppen immer nur eingeladen werden und nicht selber bestimmen können, welche Themen uns wichtig sind, bei denen wir gerne mitarbeiten wollen. 

DOMRADIO.DE: Was ist Ihre Kritik an der Reform der Räte? Was wird geändert, mit dem Sie nicht einverstanden sind? 

Heribert Rychert

"Es ist nicht bedacht worden, wie man mit Ehrenamtlichen umgeht."

Rychert: Es ist wichtig zu schauen, wie man einen Übergang von den jetzigen Strukturen zu zukünftigen Strukturen schafft. Manche der neue Strukturen werden weniger Ehrenamtliche erfordern. Aber da muss berücksichtigt werden, dass bei diesem Übergang keine Leute verloren gehen, die dann düpiert sind, weil sie keine Funktion oder keine Position mehr haben. Es ist nicht bedacht worden, wie man mit Ehrenamtlichen umgeht.

Zweiter Hauptkritikpunkt ist, dass die Räte in den Pfarreien nicht mehr von allen Kirchenmitgliedern gewählt werden. Diese Urwahl ist in dem Entwurf zugunsten einer Vertretungsmöglichkeit von sogenannten "Orten von Kirche" komplett gestrichen worden. Das heißt, dass zukünftig eigentlich nur noch derjenige eine Rolle spielt, der in einem solchen Ort mitwirkt, zum Beispiel im Kirchenchor, in einer Jugendgruppe oder bei einem Projekt der Caritas, also nicht mehr der normale Kirchenbesucher.

Da wird die Basis für die Rätearbeit in Frage gestellt. Gegen ein Delegationsprinzip sind wir grundsätzlich nicht. Aber es muss mit der Wahlmöglichkeit vor Ort ergänzt werden. 

DOMRADIO.DE: Bischof Dieser hat sich eigentlich zu mehr Demokratie, zu mehr Mitbestimmung in der Kirche bekannt und ein synodales Gremium ins Spiel gebracht. Ist das nicht ein Beleg, dass die Gläubigen tatsächlich in die Veränderung des Bistums einbezogen werden? 

Herbert Rychert

"So stolpert der Prozess von Papier zu Papier, von Entscheidung zu Entscheidung und oft ist der rote Faden darin nicht zu erkennen."

Rychert: Das ist noch ein Punkt, der gerade im Bistum Aachen hängt. Das synodale Gremium, was auf diözesaner Ebene installiert werden soll, ist ja auch ein Ergebnis des Synodalen Wegs auf Bundesebene. Das zeichnet sich im Augenblick noch nicht ab. Das wäre für uns ein Gremium, wo die Räte gemeinsam mit Bischof, Generalvikar und Bistumsleitung den Prozess gemeinsam gestalten können. Das fehlt gerade. Da sind wir in den Überlegungen noch nicht weitergekommen.

Das wäre eigentlich notwendig gewesen, um diesen gesamten Prozess zu begleiten. So stolpert der Prozess von Papier zu Papier, von Entscheidung zu Entscheidung und oft ist der rote Faden darin nicht zu erkennen. 

Helmut Dieser, Bischof von Aachen / © Harald Oppitz (KNA)
Helmut Dieser, Bischof von Aachen / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Leitung einer Pfarrei hat in der Regel immer noch einen Pfarrer. Wie weit sind Sie denn in dieser Leitungsfrage im Bistum Aachen? 

Rychert: In den acht Pfarreien und den 50 Pastoralen Räume soll es neue Leitungsmodelle geben, in denen Laien, Hauptamtliche und Ehrenamtliche als ein multiprofissionelles Leitungsteams mehr Verantwortung übernehmen.

Damit will man von dem etablierten Modell, in dem ein Pfarrer eine Pfarrei leitet, wegkommen und Beteiligung, Partizipation und Übernahme von Verantwortung durch Laien fördern.

Der Entwurf für den Übergang stellt für uns da wieder einen Rückschritt dar, weil dort für die pastoralen Räume die Bedeutung des Leitungsamtes des Pfarrers in den Mittelpunkt gestellt wird. Da stellt sich die Frage, ob unsere Vorstellungen von einer breiten Beteiligung von Laien am Ende der Entwicklung tatsächlich zum Tragen kommt. 

DOMRADIO.DE: Sie haben Ihre Kritik geäußert. Was wäre denn jetzt ein Schritt des Bistums, damit die Beratungen gut weitergehen? 

Heribert Rychert

"Wir sind gerade in einer Schieflage, die wir gerne korrigiert haben wollen. "

Rychert: Wir wünschen uns, dass es ein Steuerungsgremium gibt, in dem alle Räte vertreten sind: Diözesanrat, Priesterrat, Pastoralrat und Bistumsleitung. Es ist schwieriger, im Nachhinein Dinge zu korrigieren, als von vornherein gemeinsam zu überlegen, in welche Richtung es gehen soll. Wir sind gerade in einer Schieflage, die wir gerne korrigiert haben wollen. 

DOMRADIO.DE: Sie haben schon gesagt, dass Sie mit der Größe der Pastoralen Einheiten erst mal kein Problem haben. Aber haben Sie nicht dennoch die Sorge, dass bei solch großen Einheiten eine lebensnahe und ortsnahe Seelsorge bei den Menschen gar nicht mehr möglich sein wird? 

Rychert: Das hängt davon ab, wie die Pastoral in diesen pastoralen Räumen gestaltet wird. Können wirklich alle, die in einem Pastoralen Raum Kirche gestalten wollen, zum Zuge kommen?

Wenn dieser Pastorale Raum mit einer breiten Partizipation gestaltet ist, sehen wir eine geringere Gefahr. Es ist klar, dass Einheiten größer sein müssen, aber sie dürfen nicht nur an der Zahl von Priestern oder ähnlichem festgemacht werden, sondern sie müssen eher von unten aufgebaut werden.

Welche Menschen, welche Initiativen, welche Projekte können in einem bestimmten Sozialraum gemeinsam Kirche vor Ort gestalten? So lautet die Frage.

Das Interview führte Mathias Peter. 

Bistum Aachen

Die Spitze des Aachener Doms / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Die Spitze des Aachener Doms / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Das Bistum Aachen mit einer Fläche von 4.022 qkm liegt im Westen von Deutschland. Es erstreckt sich von der Nordeifel (Mechernich, Schleiden) bis zum Niederrhein (Krefeld). Die angrenzenden Diözesen sind Köln, Münster, Essen, Trier, Lüttich (Belgien) und Roermond (Niederlande).

Das Bistum Aachen umfasst insgesamt 57 Kommunen. In den drei Großstädten Aachen, Mönchengladbach und Krefeld leben 383.319 von 1.037.352 Katholikinnen und Katholiken, die anderen in den 54 weiteren Kommunen.

Quelle:
DR