Massige Säulen, ein mächtiger Rundleuchter, glänzende Mosaike - wer Aachens Dom betritt, kann sich der vielen Sinneseindrücke nicht erwehren. Das "Alleinstellungsmerkmal" der Kathedrale liegt aber etwas versteckt: der Thron von Karl dem Großen (747/48-814). Auf den Kaiser geht der Bau zurück, und nicht zuletzt wegen ihm feiert Aachen mit einer Festwochwe ab diesem Samstag ein besonderes Jubiläum.
Seit 40 Jahren Welterbe
Karl, der als einer der Gründerväter Europas gilt, hat das Kernstück des Doms, die achteckige Marienkirche, erbauen lassen. Im Obergeschoss des Oktogons, das vor rund 1.200 Jahren errichtet wurde, findet sich sein Thron. Das Gotteshaus errichtete der Herrscher an seiner Lieblingspfalz. Der damals größte Kuppelbau nördlich der Alpen entstand vermutlich zwischen 793 und 805.
Die damit begonnene Geschichte gab den Ausschlag dafür, dass die Unesco den Dom vor 40 Jahren, am 8. September 1978, auf ihre damals neue Welterbeliste setzte - als ersten deutschen Bau überhaupt und als einen der ersten der zwölf verzeichneten Architekturkomplexe. Das feiern Stadt und Domkapitel mit der Festwoche, die am 30. September endet.
Dompropst: "Die Kirche Europas"
Mit dem Dom verbindet sich eben nicht nur kirchliche Geschichte. 32 römisch-deutsche Könige wurden hier am Hauptaltar gekrönt, um dann über eine Wendeltreppe nach oben zum Thron zu steigen, hier Platz zu nehmen und laut ein Vaterunser zu sprechen. Für Dompropst Manfred von Holtum hat die Kathedrale damit einen besonderen Rang. Während er im römischen Petersdom die Kirche der Welt und im Kölner Dom das zentrale Gotteshaus von Deutschland sieht, nennt er seinen Aachener Dom "die Kirche Europas".
Wenn sich abends der Besucherstrom gelegt hat, sucht der Geistliche gerne "den mystischen Ort" am Thron im Hochmünster auf. Dann schweift sein Blick auf das Kuppel-Mosaik mit dem Weltenherrscher, das aus dem 19. Jahrhundert stammt, in seiner byzantinischen Machart aber schon früher existiert und die Regenten beeindruckt haben musste.
Machtausübung in Verantwortung vor einem Größeren - das ist für von Holtum ein nach wie vor aktuelles Thema.
Besucher weist er gern auf ein anderes zentrales Element der Kathedrale hin: den Barbarossaleuchter. Das Kunstwerk mit rund vier Metern Durchmesser dominiert die Kuppel. Kaiser Friedrich I. Barbarossa hatte ihn 1165 zur Heiligsprechung von Karl gestiftet.
Symbolzahl acht als leitendes Motiv
Leitendes Motiv ist - wie im Grundriss - die Symbolzahl acht. Die Juden erwarten am 8. Tag den Messias, für die Christen ist es der Tag der Auferstehung Jesu. Jeweils acht kleine und große Türme zieren den Leuchter, der damit ein Abbild der himmlischen Stadt Jerusalem sein soll. "Der Vorgeschmack des Kommenden", begeistert sich der Dompropst.
Das Achteck stellt aber nur einen Teil des Doms dar. Nach Osten hin wurde der Bau im 15. Jahrhundert aufgebrochen und erweitert. Die angebaute gotische Chorhalle - 1414 im 600. Todesjahr Karls eingeweiht - bildet zu seinem Bau einen starken Kontrast. Grund für die Erweiterung waren die mittelalterlichen Pilgermassen, die zu den Tuchreliquien pilgerten und aus Aachen den damals viertwichtigsten Wallfahrtsort nach Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela machten.
"Haus aus Licht"
Rund 25 Meter hohe Fenster verwandeln die Chorhalle in ein "Haus aus Licht". Zwei davon hat Anton Wendling gestaltet. Die Glaskunst, die schon lange vor dem Richter-Fenster im Kölner Dom "nur" abstrakte Ornamentik zeigt, hat für von Holtum "eine ganz hohe spirituelle Wertigkeit". In der Chorhalle haben der Karlsschrein mit den Gebeinen des Herrschers und der Marienschrein mit den Tuchreliquien ihren Platz gefunden. Nach der Überlieferung handelt es sich um das in der Geburtsnacht getragene Kleid Marias, die Windel Jesu, sein Lendentuch und das Enthauptungstuch des heiligen Johannes des Täufers. Beide Schreine betonen die Geschichte der Kathedrale als Krönungs- und Wallfahrtstätte und sind fester Bestandteil der Führungen.
Zur Festwoche vom 22. bis 30. September erwarten Stadt und Domkapitel auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Das Staatsoberhaupt kommt am 24. September zu einem Vortrag zum Thema "Zerstörte Welterbestätten - und nun?". Darüber spricht der Präsident des Internationalen Rats für Denkmalpflege (Icomos), Toshiyuki Kono, im Krönungssaal des Aachener Rathauses.
Lichtinstallationen an neun Abenden
Besondere Highlights in der bevorstehenden Festwoche sind Lichtinstallationen, die ab 22. September an neun Abenden für jeweils 15 Minuten die Kathedrale besonders hervorheben. Bis zu 4.000 Besucher können nach den Angaben eine Vorstellung sehen, bei der die Geschichte des Bauwerks erzählt wird. Für das Arrangement "Der Dom leuchtet" setzen der Aachener Lichtdesigner Christoph Hillen und der Lichttechniker Leif Kobbelt 16 Hochleistungsprojektoren ein.
Weiter stehen Vorträge, Wallfahrten, besondere Domführungen, ein Poetry Slam und Musik auf dem Programm. Das Aachener Theater führt zwei Mal im Dom die Geistliche Oper "Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" von Georg Friedrich Händel (1685-1759) auf. "Erben ist Glücksache" sind zwei satirische Abende mit Wendelin Haverkamp überschrieben.
Die Festwoche "Aachener Dom. Erbe für die Welt" steht unter der Schirmherrschaft des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU). Aachens Bischof Helmut Dieser eröffnet sie am 23. September mit einer Festmesse, der ein Festakt im Krönungssaal des Rathauses folgt.