DOMRADIO.DE: Inwiefern hat die Pandemie Ihren Zeitplan verändert?
Rolf-Peter Cremer (Dompropst in Aachen und Wallfahrtsleiter): Ursprünglich war die Heiligtumsfahrt für 2021 geplant. Sie findet im Siebenjahresrhythmus statt und wir haben sie wegen Corona um zwei Jahre verschieben müssen.
Wir versuchen daher, den Spannungsbogen hochzuhalten und in den kommenden Monaten mit neu gewecktem Interesse auf die Zielgerade zuzugehen.
DOMRADIO.DE: Seit 1349 kommen Pilgernde zur Heiligtumsfahrt nach Aachen. Was erleben die Menschen dort?
Cremer: Seit dieser Zeit werden traditionsgemäß die vier Heiligtümer, die es in Aachen gibt, aus dem Marienschrein herausgeholt und den Menschen zur Verehrung angeboten.
Sie haben die Möglichkeit, die Heiligtümer ganz nah zu betrachten und den ganzen Tag über zu verehren. Das Ganze ist in eine Reihe von Gottesdiensten am Morgen und auch am Abend an verschiedenen Abenden bis spät zur Komplet eingebettet.
Daneben gibt es ein geistliches Angebot bestehend aus Gesprächsangeboten und die Möglichkeit zur Anbetung. Begleitend wird es nachmittags und abends ein großes Kulturprogramm geben.
DOMRADIO.DE: Was macht die Atmosphäre dieser zehn Tage in Aachen aus?
Cremer: Die Atmosphäre macht aus, dass, so hoffen wir, die Innenstadt wie im Jahr 2014 zumindest von der Heiligtumsfahrt sehr geprägt sein wird.
Wir sprechen neben den üblichen Zielgruppen, also Pilgerinnen und Pilger, auch spezielle Einladungen für Kindergartenkinder, Schülerinnen und Schüler und Jugendliche aus.
Es ist bunt, es ist ein Fest des Glaubens, wie es der frühere Bischof Heinrich Mussinghoff immer gesagt hat.
Das liegt nicht zuletzt an der Internationalität. Wir erwarten Pilgerinnen und Pilger aus dem benachbarten Ausland und auch Gruppen aus Ungarn.
Es hat sich auch bereits eine Gruppe aus den USA angemeldet. Es kommen also nicht nur Menschen aus dem Rheinland. All das macht eine besondere Atmosphäre aus.
DOMRADIO.DE: Das biblische Leitwort "Für wen haltet ihr mich?" wird mit dem Motto der Heiligtumsfahrt "Entdecke mich!" ergänzt. Was wollen Sie damit ausdrücken?
Cremer: Als wir uns vor fast fünf Jahren dieses Motto überlegt haben, stand die Fragestellung im Hintergrund, was uns Menschen prägt und was den Kern des Menschseins ausmacht. Nicht zuletzt auch in der Suche nach Gott. Der Kern der Gott ist, den wir auch im Menschen finden.
Durch die Ereignisse der vergangenen Jahre hat das noch einmal eine ganz neue Konkretion bekommen. Wenn wir an Corona und die Hochwasserkatastrophe denken, die Teile unseres Bistums schwer getroffen hat und nicht zuletzt an den Krieg in der Ukraine, dann stellt sich die Frage, was Menschen in ihrer Gemeinsamkeit über die christliche Suche hinaus prägt.
Das ist eine Einladung für Menschen, die auf der Suche nach etwas Neuem sind. Und das Ganze wollen wir weiterdenken mit den Fragen, was man an der und dem anderen und bei sich selbst entdeckt, was es in der Welt für Verantwortungen gibt und nicht zuletzt, was man neues oder anderes am Glauben feststellen kann.
DOMRADIO.DE: Seit gestern ist das Wallfahrtsbüro in der Dominformation geöffnet. Was bieten Sie dort an?
Cremer: Wir hatten bisher über das Telefon eine Reihe von Anfragen.
Das Wallfahrtsbüro wird weiter verstärkt, damit zum einen die telefonische Begleitung intensiver möglich ist und es gleichzeitig einen Ort gibt, wo Menschen jetzt schwerpunktmäßig aus Aachen, aber auch Touristen und Touristinnen, die es ja auch in Aachen zuhauf gibt, direkte Anfragen stellen können.
Sie können sich über das Programm und spezielle Angebote informieren. Es gibt im Pilgerbüro viele Fragen nach Übernachtungsmöglichkeiten von Pilgergruppen und einzelne Wünsche werden dort ebenfalls kanalisiert.
DOMRADIO.DE: Wie sieht Ihre Vorbereitung in den nächsten Monaten aus?
Cremer: Der organisatorische Bereich muss vorbereitet werden. Aber wir wollen auch gerade in diesen kommenden Monaten auch noch intensiver, als es bisher möglich war, verschiedene Angebote machen.
Morgen beginnt eine Reihe von sechs Konzerten der Dommusik.
Für die Konzerte in der Fastenzeit, in der es auch darum geht, etwas Neues zu entdecken, haben sie etwas unbekanntere Werke rausgesucht.
Außerdem gibt es eine Aktion mit elf Gemeinden hier in Aachen, unter anderem die evangelische Gemeinde.
Die stellen ihre eigenen Schätze aus. In dieser Woche haben wir eine Aktion Namens Stoff-Geschichten begonnen. Die Heiligtümer sind Stoffreliquien.
Wir laden dazu ein, dass uns jeder seine eigene Geschichte zum Thema Stoffe erzählen und mit Fotos versehen zu uns schicken kann. Das wird dann im Internet veröffentlicht.
DOMRADIO.DE: Bei der letzten Heiligtumsfahrt 2014 waren rund 125.000 Menschen dabei. Welche Zahl erwarten Sie in diesem Jahr?
Cremer: Wir gehen davon aus, dass wir diese Größenordnung in etwa auch erreichen. Wir planen mit einer Zahl zwischen 100.000 und 125.000.
Wir sind gespannt, wie groß das Aufkommen nach Corona ist. Es gibt weiterhin auch noch Menschen, die deswegen sehr zurückhaltend sind.
Außerdem haben wir in den katholischen und evangelischen Kirchen in den vergangenen Jahren Gottesdienstbesucher einbüßen müssen.
Wir fragen uns, wie groß die Akzeptanz der Menschen in der Stadt gegenüber der katholischen Kirche in ihrer jetzigen Situation sein wird.
Wir werden mit diesem großen Fest im Sommer, das wir mit der gebotenen Demut begehen, dort sehr präsent sein. Denn wir sprechen da nicht nur die Kerngruppen der Christinnen und Christen an.
Das Interview führte Carsten Döpp.