Eine Aufarbeitungskommission zu sexuellem Missbrauch im Bistum Aachen will neben Kindern und Jugendlichen weitere Betroffenengruppen in den Blick nehmen.
"Zum Beispiel Frauen, die in Gemeinden oder für Pfarrer gearbeitet haben. Es wird vermutet, dass die zum großen Teil noch gar nicht erfasst worden sind", sagte der Vorsitzende der Kommission, Thomas Kron, in einem am Sonntag erschienenen Interview der "Aachener Zeitung" (online).
Das Gremium wolle sich zudem mit Gemeindemitgliedern befassen, die von Gerüchten und Missbrauchsfällen wussten und dennoch geschwiegen haben, so der Soziologe an der RWTH Aachen. Auch wenn das Hauptaugenmerk auf den Betroffenen liege, müsse die Kommission zusätzlich Täter und deren Handlungsweisen in den Blick nehmen, um Präventionsarbeit betreiben zu können.
Unabhängigkeit der Gremien
Die Frage, wie unabhängig sein Gremium sei, beantwortete Kron gemischt. Er selbst wurde vom Bistum in das Gremium berufen, sei aber kein Kirchenmitglied. Auch die beiden weiteren von der Diözese benannten Mitglieder verträten nicht das Bistum. Allerdings stehe infrage, dass die Aufarbeitungskommissionen von Bischöfen eingesetzt würden.
Der Leiter der entsprechenden Kommission im Erzbistum Köln, Stephan Rixen, hatte vor kurzem die Unabhängigkeit seines Gremiums in Zweifel gezogen und seinen Posten abgegeben. "Köln ist das negative Vorbild", sagte Kron. "Der Vorwurf an Erzbischof Woelki, er habe Betroffene instrumentalisiert, wiegt schwer."
Unterschiede in jedem Bistum
Die Aufarbeitung der Kirche bezeichnete er insgesamt als nicht transparent genug. Allerdings unterscheide sich die Situation je nach Bistum. In Aachen gebe es einen Betroffenenbeirat, Ansprechpersonen für die Opfer, einen Interventionsbeauftragten und eine Präventionsbeauftragte.
"Unsere Kommission muss nun erst einmal kontrollieren, ob das alles funktioniert", so Kron. Das Gremium habe bereits Bischof Helmut Dieser getroffen. "Mein Eindruck war, dass er uns sehr respektvoll begegnet und uns um Unterstützung bittet." Dieser ist auch Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz.
Die Errichtung der Aufarbeitungskommissionen in den Diözesen geht auf eine Vereinbarung zwischen dem früheren Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, und der Bischofskonferenz zurück. Mitglieder sind Vertreter des Bistums, externe Experten sowie Betroffene. Sie werden teils von der Kirche, teils von den Landesregierungen benannt und sämtlich vom Ortsbischof berufen.